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Huber, Franz C.: Die Geschichtliche Entwickelung des modernen Verkehrs. Tübingen, 1893.

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bar. Umgekehrt wäre es nach Beust zweifelhaft, ob die Hansa-
städte schon zu Anfang des 16. Jahrhunderts einen Botenkurs
gehabt haben: und doch ist ohne weiteres vorauszusetzen, dass
einen solchen wenigstens gerade die hier zur Frage stehende
Weltroute Riga-Danzig-Hamburg-Brügge, bezw. Antwerpen, eben-
so früh erlangt hat, als die Route Venedig-Augsburg-Frank-
furt, bezw. Wien.

Als Unterlagen für die Entscheidung der Kontroverse be-
nützte man bis vor wenigen Jahrzehnten im Grunde nicht viel
mehr als die Prozessakten in Betreff des Taxis'schen Regals.
Weiter kommt man, wenn man hiezu, neben den archivalischen
Belegen auch die indirekten Zeugnisse aus der Intensität des
damaligen Korrespondenz-Bedürfnisses, insbesondere der Terri-
torialherrn, aus dem damaligen Stande des Strassenwesens, der
Fahrbahn und des Fahrzeugs, sowie der allgemeinen Sicherheit,
endlich aus den vorhandenen Garantien für die gewissenhafte
Erfüllung des Botendienstes zu Rate zieht. Was zunächst die
angebl. Post der Deutschordensritter betrifft, so steht
meine (schon oben S. 48) geäusserte Ansicht im Widerspruch
wohl mit allen andern, insbesondere auch z. B. dem Handwörter-
buch der Staatswissenschaften 1892, (23. Lieferung S. 177).
Nach der landläufigen Darstellung müsste man zu der Annahme
gelangen, dass schon im 14. Jahrhundert die deutschorden'sche
Postanstalt der hansestädtischen die Hand gereicht habe, und
Danzig schon damals der wichtige Knotenpunkt für den Ver-
kehr einerseits nach Wien-Venedig, anderseits nach Hamburg-
Brügge und Riga gewesen sei. Ein derartiges Zusammenwirken
aber findet sich nirgends bezeugt; schon dieser Umstand spricht
gegen den herkömmlichen Ausgangspunkt.

Ganz bestimmt spricht sich A. von Kirchenheim (in der
Festschrift zur fünfhundertjährigen Stiftungsfeier der Universität
Heidelberg 1886, S. 121) folgendermassen aus: "Bereits 1276,
gleich nach der Einweihung der Ordensmeisterburg war vom
deutschen Orden eine Art Postanstalt ins Leben gerufen. Selbst
bis in die kleinsten Einzelheiten kann der näher mit dem Gange
unserer heutigen Postverwaltung Vertraute geradezu überra-
schende Vergleiche finden und sich von dem Einfluss, welchen

bar. Umgekehrt wäre es nach Beust zweifelhaft, ob die Hansa-
städte schon zu Anfang des 16. Jahrhunderts einen Botenkurs
gehabt haben: und doch ist ohne weiteres vorauszusetzen, dass
einen solchen wenigstens gerade die hier zur Frage stehende
Weltroute Riga-Danzig-Hamburg-Brügge, bezw. Antwerpen, eben-
so früh erlangt hat, als die Route Venedig-Augsburg-Frank-
furt, bezw. Wien.

Als Unterlagen für die Entscheidung der Kontroverse be-
nützte man bis vor wenigen Jahrzehnten im Grunde nicht viel
mehr als die Prozessakten in Betreff des Taxis’schen Regals.
Weiter kommt man, wenn man hiezu, neben den archivalischen
Belegen auch die indirekten Zeugnisse aus der Intensität des
damaligen Korrespondenz-Bedürfnisses, insbesondere der Terri-
torialherrn, aus dem damaligen Stande des Strassenwesens, der
Fahrbahn und des Fahrzeugs, sowie der allgemeinen Sicherheit,
endlich aus den vorhandenen Garantien für die gewissenhafte
Erfüllung des Botendienstes zu Rate zieht. Was zunächst die
angebl. Post der Deutschordensritter betrifft, so steht
meine (schon oben S. 48) geäusserte Ansicht im Widerspruch
wohl mit allen andern, insbesondere auch z. B. dem Handwörter-
buch der Staatswissenschaften 1892, (23. Lieferung S. 177).
Nach der landläufigen Darstellung müsste man zu der Annahme
gelangen, dass schon im 14. Jahrhundert die deutschorden’sche
Postanstalt der hansestädtischen die Hand gereicht habe, und
Danzig schon damals der wichtige Knotenpunkt für den Ver-
kehr einerseits nach Wien-Venedig, anderseits nach Hamburg-
Brügge und Riga gewesen sei. Ein derartiges Zusammenwirken
aber findet sich nirgends bezeugt; schon dieser Umstand spricht
gegen den herkömmlichen Ausgangspunkt.

Ganz bestimmt spricht sich A. von Kirchenheim (in der
Festschrift zur fünfhundertjährigen Stiftungsfeier der Universität
Heidelberg 1886, S. 121) folgendermassen aus: »Bereits 1276,
gleich nach der Einweihung der Ordensmeisterburg war vom
deutschen Orden eine Art Postanstalt ins Leben gerufen. Selbst
bis in die kleinsten Einzelheiten kann der näher mit dem Gange
unserer heutigen Postverwaltung Vertraute geradezu überra-
schende Vergleiche finden und sich von dem Einfluss, welchen

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[153/0169] bar. Umgekehrt wäre es nach Beust zweifelhaft, ob die Hansa- städte schon zu Anfang des 16. Jahrhunderts einen Botenkurs gehabt haben: und doch ist ohne weiteres vorauszusetzen, dass einen solchen wenigstens gerade die hier zur Frage stehende Weltroute Riga-Danzig-Hamburg-Brügge, bezw. Antwerpen, eben- so früh erlangt hat, als die Route Venedig-Augsburg-Frank- furt, bezw. Wien. Als Unterlagen für die Entscheidung der Kontroverse be- nützte man bis vor wenigen Jahrzehnten im Grunde nicht viel mehr als die Prozessakten in Betreff des Taxis’schen Regals. Weiter kommt man, wenn man hiezu, neben den archivalischen Belegen auch die indirekten Zeugnisse aus der Intensität des damaligen Korrespondenz-Bedürfnisses, insbesondere der Terri- torialherrn, aus dem damaligen Stande des Strassenwesens, der Fahrbahn und des Fahrzeugs, sowie der allgemeinen Sicherheit, endlich aus den vorhandenen Garantien für die gewissenhafte Erfüllung des Botendienstes zu Rate zieht. Was zunächst die angebl. Post der Deutschordensritter betrifft, so steht meine (schon oben S. 48) geäusserte Ansicht im Widerspruch wohl mit allen andern, insbesondere auch z. B. dem Handwörter- buch der Staatswissenschaften 1892, (23. Lieferung S. 177). Nach der landläufigen Darstellung müsste man zu der Annahme gelangen, dass schon im 14. Jahrhundert die deutschorden’sche Postanstalt der hansestädtischen die Hand gereicht habe, und Danzig schon damals der wichtige Knotenpunkt für den Ver- kehr einerseits nach Wien-Venedig, anderseits nach Hamburg- Brügge und Riga gewesen sei. Ein derartiges Zusammenwirken aber findet sich nirgends bezeugt; schon dieser Umstand spricht gegen den herkömmlichen Ausgangspunkt. Ganz bestimmt spricht sich A. von Kirchenheim (in der Festschrift zur fünfhundertjährigen Stiftungsfeier der Universität Heidelberg 1886, S. 121) folgendermassen aus: »Bereits 1276, gleich nach der Einweihung der Ordensmeisterburg war vom deutschen Orden eine Art Postanstalt ins Leben gerufen. Selbst bis in die kleinsten Einzelheiten kann der näher mit dem Gange unserer heutigen Postverwaltung Vertraute geradezu überra- schende Vergleiche finden und sich von dem Einfluss, welchen

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Zitationshilfe: Huber, Franz C.: Die Geschichtliche Entwickelung des modernen Verkehrs. Tübingen, 1893, S. 153. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_verkehr_1893/169>, abgerufen am 30.04.2024.