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Huber, Franz C.: Die Geschichtliche Entwickelung des modernen Verkehrs. Tübingen, 1893.

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denartige Behandlung der Transportobjekte und des Post-
zwangs in den verschiedenen Ländern zum Bewusstsein,
dass die Annahme, als ob die Funktionen der heutigen
Post, sowie die verschiedenen Verkehrsanstalten ein un-
trennbares, systematisches Ganzes bilden, eine blosse Fiktion
ist, welche in der Geschichte keinen Halt hat: heute noch
ist z. B. die Personenbeförderung in Russland und Norwe-
gen, aber auch in Frankreich, wie die Paketbeförderung
in England dem Privatbetrieb überlassen.

II.

Die letzterwähnten Neuerungen im Chaussee- und
Kanalbau hatten auf den allmählichen Uebergang zum
Dampftransport vorbereitet. Man sieht allgemein die Eisen-
bahn wie etwas plötzlich Hereingeschneites, ungefähr so
an, als ob ein zweiter Prometheus etwas Gottähnliches der
Menschheit übermittelt habe. Aber die Volkswirtschaft
kennt keine Sprünge. Der Eisenbahn war in Frankreich
und England, aber auch in (Süd-)Deutschland eine Periode
des Strassen- und Kanalbaus vorangegangen; man hatte
schon an dem primitiven Wasserverkehr die lebhafte Wech-
selwirkung erkannt, in der Massenerzeugung (der Roh-
produkte der Land- und Forstwirtschaft, des Bergbaus) und
Massen-Bewegung, Massen-Konsum und Grossbetrieb mit-
einander stehen.

Schon im Jahre 1807 machte von Gerstner für den
böhmischen Verkehr den Vorschlag, die Moldau mit der
Donau durch eine Pferde-Eisenbahn zu verbinden; 1813
gab er eine Abhandlung über die Frage, "ob und in wel-
chen Fällen der Bau schiftbarer Kanäle, Eisenwege oder
gemachter Strassen vorzuziehen sei," heraus 1).

1) Die in Dresden versammelte Elbschiffahrts-Kommission stellte im
Jahre 1820 an die Oesterreichische Regierung das Gesuch, die Schiffahrt auf
der Moldau bis Budweis zu regulieren und von dort bis zur Donau einen
Kanal oder eine Eisenbahn anzulegen. Die österreichische Kommerz-Hof-

denartige Behandlung der Transportobjekte und des Post-
zwangs in den verschiedenen Ländern zum Bewusstsein,
dass die Annahme, als ob die Funktionen der heutigen
Post, sowie die verschiedenen Verkehrsanstalten ein un-
trennbares, systematisches Ganzes bilden, eine blosse Fiktion
ist, welche in der Geschichte keinen Halt hat: heute noch
ist z. B. die Personenbeförderung in Russland und Norwe-
gen, aber auch in Frankreich, wie die Paketbeförderung
in England dem Privatbetrieb überlassen.

II.

Die letzterwähnten Neuerungen im Chaussee- und
Kanalbau hatten auf den allmählichen Uebergang zum
Dampftransport vorbereitet. Man sieht allgemein die Eisen-
bahn wie etwas plötzlich Hereingeschneites, ungefähr so
an, als ob ein zweiter Prometheus etwas Gottähnliches der
Menschheit übermittelt habe. Aber die Volkswirtschaft
kennt keine Sprünge. Der Eisenbahn war in Frankreich
und England, aber auch in (Süd-)Deutschland eine Periode
des Strassen- und Kanalbaus vorangegangen; man hatte
schon an dem primitiven Wasserverkehr die lebhafte Wech-
selwirkung erkannt, in der Massenerzeugung (der Roh-
produkte der Land- und Forstwirtschaft, des Bergbaus) und
Massen-Bewegung, Massen-Konsum und Grossbetrieb mit-
einander stehen.

Schon im Jahre 1807 machte von Gerstner für den
böhmischen Verkehr den Vorschlag, die Moldau mit der
Donau durch eine Pferde-Eisenbahn zu verbinden; 1813
gab er eine Abhandlung über die Frage, »ob und in wel-
chen Fällen der Bau schiftbarer Kanäle, Eisenwege oder
gemachter Strassen vorzuziehen sei,« heraus 1).

1) Die in Dresden versammelte Elbschiffahrts-Kommission stellte im
Jahre 1820 an die Oesterreichische Regierung das Gesuch, die Schiffahrt auf
der Moldau bis Budweis zu regulieren und von dort bis zur Donau einen
Kanal oder eine Eisenbahn anzulegen. Die österreichische Kommerz-Hof-
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[124/0140] denartige Behandlung der Transportobjekte und des Post- zwangs in den verschiedenen Ländern zum Bewusstsein, dass die Annahme, als ob die Funktionen der heutigen Post, sowie die verschiedenen Verkehrsanstalten ein un- trennbares, systematisches Ganzes bilden, eine blosse Fiktion ist, welche in der Geschichte keinen Halt hat: heute noch ist z. B. die Personenbeförderung in Russland und Norwe- gen, aber auch in Frankreich, wie die Paketbeförderung in England dem Privatbetrieb überlassen. II. Die letzterwähnten Neuerungen im Chaussee- und Kanalbau hatten auf den allmählichen Uebergang zum Dampftransport vorbereitet. Man sieht allgemein die Eisen- bahn wie etwas plötzlich Hereingeschneites, ungefähr so an, als ob ein zweiter Prometheus etwas Gottähnliches der Menschheit übermittelt habe. Aber die Volkswirtschaft kennt keine Sprünge. Der Eisenbahn war in Frankreich und England, aber auch in (Süd-)Deutschland eine Periode des Strassen- und Kanalbaus vorangegangen; man hatte schon an dem primitiven Wasserverkehr die lebhafte Wech- selwirkung erkannt, in der Massenerzeugung (der Roh- produkte der Land- und Forstwirtschaft, des Bergbaus) und Massen-Bewegung, Massen-Konsum und Grossbetrieb mit- einander stehen. Schon im Jahre 1807 machte von Gerstner für den böhmischen Verkehr den Vorschlag, die Moldau mit der Donau durch eine Pferde-Eisenbahn zu verbinden; 1813 gab er eine Abhandlung über die Frage, »ob und in wel- chen Fällen der Bau schiftbarer Kanäle, Eisenwege oder gemachter Strassen vorzuziehen sei,« heraus 1). 1) Die in Dresden versammelte Elbschiffahrts-Kommission stellte im Jahre 1820 an die Oesterreichische Regierung das Gesuch, die Schiffahrt auf der Moldau bis Budweis zu regulieren und von dort bis zur Donau einen Kanal oder eine Eisenbahn anzulegen. Die österreichische Kommerz-Hof-

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Zitationshilfe: Huber, Franz C.: Die Geschichtliche Entwickelung des modernen Verkehrs. Tübingen, 1893, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_verkehr_1893/140>, abgerufen am 23.11.2024.