Horner, Heinrich [d. i. Heinrich Homberger]: Der Säugling. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 23. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 211–295. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.muß ob des Unfriedens, der zwischen meinen Mitbürgern von Valtella und meinen Mitbürgern von Urballa herrscht. Ich kann es nicht hindern, daß ich zugleich euch liebe und die Valtellaner; denn ich kenne euch beide und weiß, daß ihr, wie der Signor Priore gesagt hat, wacker und hochgesinnt seid, aber die von Valtella sind es ebenso wie ihr -- Das leugne ich, schrie Agenore, die Valtellaner sind feige Memmen. Willst du wohl schweigen, Flegel, rief es von allen Seiten. Ist das eine Art, solch eine Signora zu unterbrechen? -- Eure Signoria erweise uns die Ehre, fortzufahren! Ich danke euch. Weil ihr denn wollt, daß ich weiter rede, so erlaubt mir, euch offen zu sagen, daß diese lange Feindschaft euch nicht zur Zierde gereicht. Alles auf dieser Erde wird alt und stirbt: Mensch und Thier, Baum und Strauch. Nur euer Haß hat noch Milchzähne und ist doch älter als irgend ein Mensch oder ein Baum in diesen beiden Gemarkungen. Dünkt euch das recht? Giebt es kein Mittel, dieser häßlichen Zwietracht ein Ziel zu setzen? Doch, es giebt eines: ich bin hierher gekommen, um Namens meiner Mitbürger von Valtella zu versprechen, daß sie fortan allen Groll fahren lassen und Frieden und Freundschaft mit euch halten werden; wolltet ihr nun mir, die ich ja auch eure Mitbürgerin bin, das Unrecht anthun, daß ihr euch weigert, wenn ich euch bitte, gleichfalls eurem muß ob des Unfriedens, der zwischen meinen Mitbürgern von Valtella und meinen Mitbürgern von Urballa herrscht. Ich kann es nicht hindern, daß ich zugleich euch liebe und die Valtellaner; denn ich kenne euch beide und weiß, daß ihr, wie der Signor Priore gesagt hat, wacker und hochgesinnt seid, aber die von Valtella sind es ebenso wie ihr — Das leugne ich, schrie Agenore, die Valtellaner sind feige Memmen. Willst du wohl schweigen, Flegel, rief es von allen Seiten. Ist das eine Art, solch eine Signora zu unterbrechen? — Eure Signoria erweise uns die Ehre, fortzufahren! Ich danke euch. Weil ihr denn wollt, daß ich weiter rede, so erlaubt mir, euch offen zu sagen, daß diese lange Feindschaft euch nicht zur Zierde gereicht. Alles auf dieser Erde wird alt und stirbt: Mensch und Thier, Baum und Strauch. Nur euer Haß hat noch Milchzähne und ist doch älter als irgend ein Mensch oder ein Baum in diesen beiden Gemarkungen. Dünkt euch das recht? Giebt es kein Mittel, dieser häßlichen Zwietracht ein Ziel zu setzen? Doch, es giebt eines: ich bin hierher gekommen, um Namens meiner Mitbürger von Valtella zu versprechen, daß sie fortan allen Groll fahren lassen und Frieden und Freundschaft mit euch halten werden; wolltet ihr nun mir, die ich ja auch eure Mitbürgerin bin, das Unrecht anthun, daß ihr euch weigert, wenn ich euch bitte, gleichfalls eurem <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0083"/> muß ob des Unfriedens, der zwischen meinen Mitbürgern von Valtella und meinen Mitbürgern von Urballa herrscht. Ich kann es nicht hindern, daß ich zugleich euch liebe und die Valtellaner; denn ich kenne euch beide und weiß, daß ihr, wie der Signor Priore gesagt hat, wacker und hochgesinnt seid, aber die von Valtella sind es ebenso wie ihr —</p><lb/> <p>Das leugne ich, schrie Agenore, die Valtellaner sind feige Memmen.</p><lb/> <p>Willst du wohl schweigen, Flegel, rief es von allen Seiten. Ist das eine Art, solch eine Signora zu unterbrechen? — Eure Signoria erweise uns die Ehre, fortzufahren!</p><lb/> <p>Ich danke euch. Weil ihr denn wollt, daß ich weiter rede, so erlaubt mir, euch offen zu sagen, daß diese lange Feindschaft euch nicht zur Zierde gereicht. Alles auf dieser Erde wird alt und stirbt: Mensch und Thier, Baum und Strauch. Nur euer Haß hat noch Milchzähne und ist doch älter als irgend ein Mensch oder ein Baum in diesen beiden Gemarkungen. Dünkt euch das recht? Giebt es kein Mittel, dieser häßlichen Zwietracht ein Ziel zu setzen? Doch, es giebt eines: ich bin hierher gekommen, um Namens meiner Mitbürger von Valtella zu versprechen, daß sie fortan allen Groll fahren lassen und Frieden und Freundschaft mit euch halten werden; wolltet ihr nun mir, die ich ja auch eure Mitbürgerin bin, das Unrecht anthun, daß ihr euch weigert, wenn ich euch bitte, gleichfalls eurem<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0083]
muß ob des Unfriedens, der zwischen meinen Mitbürgern von Valtella und meinen Mitbürgern von Urballa herrscht. Ich kann es nicht hindern, daß ich zugleich euch liebe und die Valtellaner; denn ich kenne euch beide und weiß, daß ihr, wie der Signor Priore gesagt hat, wacker und hochgesinnt seid, aber die von Valtella sind es ebenso wie ihr —
Das leugne ich, schrie Agenore, die Valtellaner sind feige Memmen.
Willst du wohl schweigen, Flegel, rief es von allen Seiten. Ist das eine Art, solch eine Signora zu unterbrechen? — Eure Signoria erweise uns die Ehre, fortzufahren!
Ich danke euch. Weil ihr denn wollt, daß ich weiter rede, so erlaubt mir, euch offen zu sagen, daß diese lange Feindschaft euch nicht zur Zierde gereicht. Alles auf dieser Erde wird alt und stirbt: Mensch und Thier, Baum und Strauch. Nur euer Haß hat noch Milchzähne und ist doch älter als irgend ein Mensch oder ein Baum in diesen beiden Gemarkungen. Dünkt euch das recht? Giebt es kein Mittel, dieser häßlichen Zwietracht ein Ziel zu setzen? Doch, es giebt eines: ich bin hierher gekommen, um Namens meiner Mitbürger von Valtella zu versprechen, daß sie fortan allen Groll fahren lassen und Frieden und Freundschaft mit euch halten werden; wolltet ihr nun mir, die ich ja auch eure Mitbürgerin bin, das Unrecht anthun, daß ihr euch weigert, wenn ich euch bitte, gleichfalls eurem
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Zitationshilfe: | Horner, Heinrich [d. i. Heinrich Homberger]: Der Säugling. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 23. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 211–295. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/horner_saeugling_1910/83>, abgerufen am 16.02.2025. |