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Horner, Heinrich [d. i. Heinrich Homberger]: Der Säugling. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 23. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 211–295. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Bitte nicht ein. Er wunderte sich, weil er wußte, wie gern und gut sie sprach; er bedachte nicht, daß sie, eben weil sie gut sprach, sich nicht an so völlig unberechenbare Hörer wenden mochte, wie die Burschen von Urballa. Gleich allen großen Rednern liebte Donna Ersilia, ihres Erfolges im Voraus sicher zu sein.

Allein der Priore gab seinen Plan nicht auf, und da er nicht nur ein wilder Priester, sondern auch ein schalkhafter Toscaner war, der zur Erreichung eines guten Zweckes eine kleine List nicht verschmähte, so wußte er es schlau anzustellen, daß Donna Ersilia ihm den Willen thun mußte. Mit der harmlosesten Miene bat er sie, sie möchte am nächsten Sonntag nach der Messe ihm die Ehre ihres Besuchs in der Prioria gewähren; sein Vetter, der Caplan der italienischen Capelle in Marseille, habe ihm ein wundervolles Geschenk gesendet, das er ihr zeigen müsse: ein Tintenfaß, welches, ohne daß man je neue Tinte hineinzuschütten brauche, unerschöpflich sei wie der Oelkrug der Wittwe im siebzehnten Kapitel des ersten Buchs der Könige. Donna Ersilia konnte ein so merkwürdiges und nützliches Ding wie dieses Tintenfaß nicht unbesichtigt lassen. Sie stattete dem Priore den erbetenen Besuch ab; aber siehe da: während sie eben, um die Beschaffenheit der unerschöpflichen Tinte zu prüfen, einen Brief schrieb, ging die Thüre auf, und es traten nicht weniger als einundzwanzig Burschen von Urballa ein. Sie stellten sich vor dem Tische, an welchem die Signora schrieb,

Bitte nicht ein. Er wunderte sich, weil er wußte, wie gern und gut sie sprach; er bedachte nicht, daß sie, eben weil sie gut sprach, sich nicht an so völlig unberechenbare Hörer wenden mochte, wie die Burschen von Urballa. Gleich allen großen Rednern liebte Donna Ersilia, ihres Erfolges im Voraus sicher zu sein.

Allein der Priore gab seinen Plan nicht auf, und da er nicht nur ein wilder Priester, sondern auch ein schalkhafter Toscaner war, der zur Erreichung eines guten Zweckes eine kleine List nicht verschmähte, so wußte er es schlau anzustellen, daß Donna Ersilia ihm den Willen thun mußte. Mit der harmlosesten Miene bat er sie, sie möchte am nächsten Sonntag nach der Messe ihm die Ehre ihres Besuchs in der Prioria gewähren; sein Vetter, der Caplan der italienischen Capelle in Marseille, habe ihm ein wundervolles Geschenk gesendet, das er ihr zeigen müsse: ein Tintenfaß, welches, ohne daß man je neue Tinte hineinzuschütten brauche, unerschöpflich sei wie der Oelkrug der Wittwe im siebzehnten Kapitel des ersten Buchs der Könige. Donna Ersilia konnte ein so merkwürdiges und nützliches Ding wie dieses Tintenfaß nicht unbesichtigt lassen. Sie stattete dem Priore den erbetenen Besuch ab; aber siehe da: während sie eben, um die Beschaffenheit der unerschöpflichen Tinte zu prüfen, einen Brief schrieb, ging die Thüre auf, und es traten nicht weniger als einundzwanzig Burschen von Urballa ein. Sie stellten sich vor dem Tische, an welchem die Signora schrieb,

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[0081] Bitte nicht ein. Er wunderte sich, weil er wußte, wie gern und gut sie sprach; er bedachte nicht, daß sie, eben weil sie gut sprach, sich nicht an so völlig unberechenbare Hörer wenden mochte, wie die Burschen von Urballa. Gleich allen großen Rednern liebte Donna Ersilia, ihres Erfolges im Voraus sicher zu sein. Allein der Priore gab seinen Plan nicht auf, und da er nicht nur ein wilder Priester, sondern auch ein schalkhafter Toscaner war, der zur Erreichung eines guten Zweckes eine kleine List nicht verschmähte, so wußte er es schlau anzustellen, daß Donna Ersilia ihm den Willen thun mußte. Mit der harmlosesten Miene bat er sie, sie möchte am nächsten Sonntag nach der Messe ihm die Ehre ihres Besuchs in der Prioria gewähren; sein Vetter, der Caplan der italienischen Capelle in Marseille, habe ihm ein wundervolles Geschenk gesendet, das er ihr zeigen müsse: ein Tintenfaß, welches, ohne daß man je neue Tinte hineinzuschütten brauche, unerschöpflich sei wie der Oelkrug der Wittwe im siebzehnten Kapitel des ersten Buchs der Könige. Donna Ersilia konnte ein so merkwürdiges und nützliches Ding wie dieses Tintenfaß nicht unbesichtigt lassen. Sie stattete dem Priore den erbetenen Besuch ab; aber siehe da: während sie eben, um die Beschaffenheit der unerschöpflichen Tinte zu prüfen, einen Brief schrieb, ging die Thüre auf, und es traten nicht weniger als einundzwanzig Burschen von Urballa ein. Sie stellten sich vor dem Tische, an welchem die Signora schrieb,

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T12:13:28Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T12:13:28Z)

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Zitationshilfe: Horner, Heinrich [d. i. Heinrich Homberger]: Der Säugling. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 23. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 211–295. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/horner_saeugling_1910/81>, abgerufen am 22.11.2024.