Horner, Heinrich [d. i. Heinrich Homberger]: Der Säugling. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 23. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 211–295. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Thüre stehen, als wartete er auf etwas. Erst nach einer Viertelstunde, da es ihm klar geworden war, daß nichts komme, begab er sich mit eiligen Schritten nach La Torre, der Villa des Signor Baldo. Dieselbe trug ihren Namen von einem derben viereckigen Thurmstumpf, dem einmal ein Blitzstrahl das altersgraue Haupt hinweggerissen haben mochte, der aber auch als Invalide noch einen stolzen Wächter vorstellte neben dem langgestreckten Bau des herrschaftlichen Hauses und den anstoßenden Wohnungen des Verwalters und des Unterverwalters. Da, wo die Gemarkungen der beiden Dorfschaften Urballa und Valtella aneinander grenzten, stand der Thurm, weithin in die Gegend leuchtend, wie ein ungeheurer Grenzstein, etwa gleich entfernt von dem in einer tiefen Mulde versteckten Valtella und dem Berge Montepilli, an dessen Abhang sich die Häuser von Urballa hinzogen. In die Nähe der Villa gekommen, mäßigte der Junge mit einem Male seine Schritte, murmelte ein Selbstgespräch, nicht ohne es mit bedächtigem Nicken des Kopfes zu begleiten, und schaute fragend die mondbeschienene Wächtergestalt des alten Thurrnes an, als sollte sie ihm Auskunft ertheilen, ob der Gedanke, der ihm plötzlich hatte eine Erleuchtung durch den Sinn gefahren, wirklich Glück bringen werde. Dann ging er entschlossen durch den Vorhof auf das Thor zu und ließ den Klopfer mit solcher Wucht niederfallen, als gälte es, dem verhaßten Agenore eins auf den dreisten Mund zu versetzen. Thüre stehen, als wartete er auf etwas. Erst nach einer Viertelstunde, da es ihm klar geworden war, daß nichts komme, begab er sich mit eiligen Schritten nach La Torre, der Villa des Signor Baldo. Dieselbe trug ihren Namen von einem derben viereckigen Thurmstumpf, dem einmal ein Blitzstrahl das altersgraue Haupt hinweggerissen haben mochte, der aber auch als Invalide noch einen stolzen Wächter vorstellte neben dem langgestreckten Bau des herrschaftlichen Hauses und den anstoßenden Wohnungen des Verwalters und des Unterverwalters. Da, wo die Gemarkungen der beiden Dorfschaften Urballa und Valtella aneinander grenzten, stand der Thurm, weithin in die Gegend leuchtend, wie ein ungeheurer Grenzstein, etwa gleich entfernt von dem in einer tiefen Mulde versteckten Valtella und dem Berge Montepilli, an dessen Abhang sich die Häuser von Urballa hinzogen. In die Nähe der Villa gekommen, mäßigte der Junge mit einem Male seine Schritte, murmelte ein Selbstgespräch, nicht ohne es mit bedächtigem Nicken des Kopfes zu begleiten, und schaute fragend die mondbeschienene Wächtergestalt des alten Thurrnes an, als sollte sie ihm Auskunft ertheilen, ob der Gedanke, der ihm plötzlich hatte eine Erleuchtung durch den Sinn gefahren, wirklich Glück bringen werde. Dann ging er entschlossen durch den Vorhof auf das Thor zu und ließ den Klopfer mit solcher Wucht niederfallen, als gälte es, dem verhaßten Agenore eins auf den dreisten Mund zu versetzen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0017"/> Thüre stehen, als wartete er auf etwas. Erst nach einer Viertelstunde, da es ihm klar geworden war, daß nichts komme, begab er sich mit eiligen Schritten nach La Torre, der Villa des Signor Baldo. Dieselbe trug ihren Namen von einem derben viereckigen Thurmstumpf, dem einmal ein Blitzstrahl das altersgraue Haupt hinweggerissen haben mochte, der aber auch als Invalide noch einen stolzen Wächter vorstellte neben dem langgestreckten Bau des herrschaftlichen Hauses und den anstoßenden Wohnungen des Verwalters und des Unterverwalters. Da, wo die Gemarkungen der beiden Dorfschaften Urballa und Valtella aneinander grenzten, stand der Thurm, weithin in die Gegend leuchtend, wie ein ungeheurer Grenzstein, etwa gleich entfernt von dem in einer tiefen Mulde versteckten Valtella und dem Berge Montepilli, an dessen Abhang sich die Häuser von Urballa hinzogen.</p><lb/> <p>In die Nähe der Villa gekommen, mäßigte der Junge mit einem Male seine Schritte, murmelte ein Selbstgespräch, nicht ohne es mit bedächtigem Nicken des Kopfes zu begleiten, und schaute fragend die mondbeschienene Wächtergestalt des alten Thurrnes an, als sollte sie ihm Auskunft ertheilen, ob der Gedanke, der ihm plötzlich hatte eine Erleuchtung durch den Sinn gefahren, wirklich Glück bringen werde. Dann ging er entschlossen durch den Vorhof <choice><sic>anf</sic><corr>auf</corr></choice> das Thor zu und ließ den Klopfer mit solcher Wucht niederfallen, als gälte es, dem verhaßten Agenore eins auf den dreisten Mund zu versetzen.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [0017]
Thüre stehen, als wartete er auf etwas. Erst nach einer Viertelstunde, da es ihm klar geworden war, daß nichts komme, begab er sich mit eiligen Schritten nach La Torre, der Villa des Signor Baldo. Dieselbe trug ihren Namen von einem derben viereckigen Thurmstumpf, dem einmal ein Blitzstrahl das altersgraue Haupt hinweggerissen haben mochte, der aber auch als Invalide noch einen stolzen Wächter vorstellte neben dem langgestreckten Bau des herrschaftlichen Hauses und den anstoßenden Wohnungen des Verwalters und des Unterverwalters. Da, wo die Gemarkungen der beiden Dorfschaften Urballa und Valtella aneinander grenzten, stand der Thurm, weithin in die Gegend leuchtend, wie ein ungeheurer Grenzstein, etwa gleich entfernt von dem in einer tiefen Mulde versteckten Valtella und dem Berge Montepilli, an dessen Abhang sich die Häuser von Urballa hinzogen.
In die Nähe der Villa gekommen, mäßigte der Junge mit einem Male seine Schritte, murmelte ein Selbstgespräch, nicht ohne es mit bedächtigem Nicken des Kopfes zu begleiten, und schaute fragend die mondbeschienene Wächtergestalt des alten Thurrnes an, als sollte sie ihm Auskunft ertheilen, ob der Gedanke, der ihm plötzlich hatte eine Erleuchtung durch den Sinn gefahren, wirklich Glück bringen werde. Dann ging er entschlossen durch den Vorhof auf das Thor zu und ließ den Klopfer mit solcher Wucht niederfallen, als gälte es, dem verhaßten Agenore eins auf den dreisten Mund zu versetzen.
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Zitationshilfe: | Horner, Heinrich [d. i. Heinrich Homberger]: Der Säugling. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 23. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 211–295. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/horner_saeugling_1910/17>, abgerufen am 16.02.2025. |