Holz, Arno; Schlaf, Johannes: Die Familie Selicke. Berlin, 1890. Frau Selicke: Er hat mich die ganzen Jahre her zu schlecht behandelt! Ich kann mich nicht über- winden, freundlich mit ihm zu sein! Toni: Ach ja, ja! (Kleine Pause. Holt aus dem Tischchen links ihr Nähzeug vor, setzt sich einen Stuhl an den Sophatisch und beginnt zu nähen.) Frau Selicke: Willst Du heute noch nähen? Toni: Ja, ein bischen! Frau Selicke: Ach! Das ist nun Heiligabend! Das sind Festtage! ... So ein trauriges Weih- nachten haben wir wirklich noch nie gehabt! Toni: Na! Eine kleine Freude macht er Linchen und den Jungens doch! Und wir Andern? Liebe Zeit! ... Frau Selicke (gähnt): Ach, bin ich -- müde! ... Nächtelang hat man kein Auge zugethan und mein Fuss thut auch wieder so weh.... Toni: Ja! Leg Dich ein bischen hin, Mutterchen! Du strengst Dich überhaupt viel zu sehr an! Das solltest Du gar nicht! Frau Selicke: Ja, ja! Du hast eigentlich auch recht! Ich will mich 'n bischen schlafen legen! (Zum Bett hin.) Ach, mein Mäuschen! (Ist aufge- standen, hat ihr Strickzeug zusammengewickelt und es mit der Brille auf den Tisch gelegt.) Heute Nacht hat man ja doch wieder keine Ruhe! Das weiss ich schon! Ach ja! ... (Gähnt. Schon in der Kammerthür.) Ja, und nun geht Herr Wendt auch schon zu den Feiertagen, und eh' man dann wieder 'n Miether kriegt! .... Ach Gott ja! ... Na! ... (Verschwindet in der Kammer.) Toni (über ihre Arbeit gebückt, allein. Pause. Ab und zu seufzt sie. Fernes Glockengeläute, das eine Zeit lang während des Folgenden fortdauert. -- Es Frau Selicke: Er hat mich die ganzen Jahre her zu schlecht behandelt! Ich kann mich nicht über- winden, freundlich mit ihm zu sein! Toni: Ach ja, ja! (Kleine Pause. Holt aus dem Tischchen links ihr Nähzeug vor, setzt sich einen Stuhl an den Sophatisch und beginnt zu nähen.) Frau Selicke: Willst Du heute noch nähen? Toni: Ja, ein bischen! Frau Selicke: Ach! Das ist nun Heiligabend! Das sind Festtage! … So ein trauriges Weih- nachten haben wir wirklich noch nie gehabt! Toni: Na! Eine kleine Freude macht er Linchen und den Jungens doch! Und wir Andern? Liebe Zeit! … Frau Selicke (gähnt): Ach, bin ich — müde! … Nächtelang hat man kein Auge zugethan und mein Fuss thut auch wieder so weh.... Toni: Ja! Leg Dich ein bischen hin, Mutterchen! Du strengst Dich überhaupt viel zu sehr an! Das solltest Du gar nicht! Frau Selicke: Ja, ja! Du hast eigentlich auch recht! Ich will mich ’n bischen schlafen legen! (Zum Bett hin.) Ach, mein Mäuschen! (Ist aufge- standen, hat ihr Strickzeug zusammengewickelt und es mit der Brille auf den Tisch gelegt.) Heute Nacht hat man ja doch wieder keine Ruhe! Das weiss ich schon! Ach ja! … (Gähnt. Schon in der Kammerthür.) Ja, und nun geht Herr Wendt auch schon zu den Feiertagen, und eh’ man dann wieder ’n Miether kriegt! .... Ach Gott ja! … Na! … (Verschwindet in der Kammer.) Toni (über ihre Arbeit gebückt, allein. Pause. 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Tischchen links ihr Nähzeug vor, setzt sich einen
Stuhl an den Sophatisch und beginnt zu nähen.)
Frau Selicke: Willst Du heute noch nähen?
Toni: Ja, ein bischen!
Frau Selicke: Ach! Das ist nun Heiligabend!
Das sind Festtage! … So ein trauriges Weih-
nachten haben wir wirklich noch nie gehabt!
Toni: Na! Eine kleine Freude macht er Linchen
und den Jungens doch! Und wir Andern? Liebe
Zeit! …
Frau Selicke (gähnt): Ach, bin ich — müde! …
Nächtelang hat man kein Auge zugethan und
mein Fuss thut auch wieder so weh....
Toni: Ja! Leg Dich ein bischen hin, Mutterchen!
Du strengst Dich überhaupt viel zu sehr an! Das
solltest Du gar nicht!
Frau Selicke: Ja, ja! Du hast eigentlich auch
recht! Ich will mich ’n bischen schlafen legen!
(Zum Bett hin.) Ach, mein Mäuschen! (Ist aufge-
standen, hat ihr Strickzeug zusammengewickelt und
es mit der Brille auf den Tisch gelegt.) Heute Nacht
hat man ja doch wieder keine Ruhe! Das weiss
ich schon! Ach ja! … (Gähnt. Schon in der
Kammerthür.) Ja, und nun geht Herr Wendt auch
schon zu den Feiertagen, und eh’ man dann
wieder ’n Miether kriegt! .... Ach Gott ja! …
Na! … (Verschwindet in der Kammer.)
Toni (über ihre Arbeit gebückt, allein. Pause. Ab
und zu seufzt sie. Fernes Glockengeläute, das eine
Zeit lang während des Folgenden fortdauert. — Es
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Zitationshilfe: | Holz, Arno; Schlaf, Johannes: Die Familie Selicke. Berlin, 1890, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holz_selicke_1890/50>, abgerufen am 24.07.2024. |