Holz, Arno: Das Buch der Zeit. Lieder eines Modernen. Zürich, 1886.Donner und Doria! Das ist so heute der Herren Manier: Man setzt sich ans Schreibpult wie an ein Klavier; Vor sich drei Bogen gelbes Concept Und kommt sich vor wie ein alter Adept. Dann taucht man ins schwarze Gallelement Sein Selbstberäucherungsinstrument, Träumt sich nach Memphis, Korinth und Walhall Und gebiert einen mächtigen Phrasenschwall. Daneben spuckt man nach Recht und Pflicht Der neuen Zeit in ihr Prosagesicht; Und hat man sich dick mit Gefühlen beschwert, Wird drüber der Thränenkübel geleert. Dann druckt es der Drucker auf fein Velin, Der Buchbinder bindet's in Maroquin Und schließlich schimpft's die Kritik: "Poesie" -- Blasphemie!!! Donner und Doria! Das iſt ſo heute der Herren Manier: Man ſetzt ſich ans Schreibpult wie an ein Klavier; Vor ſich drei Bogen gelbes Concept Und kommt ſich vor wie ein alter Adept. Dann taucht man ins ſchwarze Gallelement Sein Selbſtberäucherungsinſtrument, Träumt ſich nach Memphis, Korinth und Walhall Und gebiert einen mächtigen Phraſenſchwall. Daneben ſpuckt man nach Recht und Pflicht Der neuen Zeit in ihr Proſageſicht; Und hat man ſich dick mit Gefühlen beſchwert, Wird drüber der Thränenkübel geleert. Dann druckt es der Drucker auf fein Velin, Der Buchbinder bindet's in Maroquin Und ſchließlich ſchimpft's die Kritik: „Poeſie“ — Blasphemie!!! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0333" n="311"/> </div> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Donner und Doria!</hi><lb/> </head> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l><hi rendition="#in">D</hi>as iſt ſo heute der Herren Manier:</l><lb/> <l>Man ſetzt ſich ans Schreibpult wie an ein Klavier;</l><lb/> <l>Vor ſich drei Bogen gelbes Concept</l><lb/> <l>Und kommt ſich vor wie ein alter Adept.</l><lb/> </lg> <lg n="2"> <l>Dann taucht man ins ſchwarze Gallelement</l><lb/> <l>Sein Selbſtberäucherungsinſtrument,</l><lb/> <l>Träumt ſich nach Memphis, Korinth und Walhall</l><lb/> <l>Und gebiert einen mächtigen Phraſenſchwall.</l><lb/> </lg> <lg n="3"> <l>Daneben ſpuckt man nach Recht und Pflicht</l><lb/> <l>Der neuen Zeit in ihr Proſageſicht;</l><lb/> <l>Und hat man ſich dick mit Gefühlen beſchwert,</l><lb/> <l>Wird drüber der Thränenkübel geleert.</l><lb/> </lg> <lg n="4"> <l>Dann druckt es der Drucker auf fein Velin,</l><lb/> <l>Der Buchbinder bindet's in Maroquin</l><lb/> <l>Und ſchließlich ſchimpft's die Kritik: „Poeſie“ —</l><lb/> <l rendition="#et">Blasphemie!!!</l><lb/> </lg> </lg> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [311/0333]
Donner und Doria!
Das iſt ſo heute der Herren Manier:
Man ſetzt ſich ans Schreibpult wie an ein Klavier;
Vor ſich drei Bogen gelbes Concept
Und kommt ſich vor wie ein alter Adept.
Dann taucht man ins ſchwarze Gallelement
Sein Selbſtberäucherungsinſtrument,
Träumt ſich nach Memphis, Korinth und Walhall
Und gebiert einen mächtigen Phraſenſchwall.
Daneben ſpuckt man nach Recht und Pflicht
Der neuen Zeit in ihr Proſageſicht;
Und hat man ſich dick mit Gefühlen beſchwert,
Wird drüber der Thränenkübel geleert.
Dann druckt es der Drucker auf fein Velin,
Der Buchbinder bindet's in Maroquin
Und ſchließlich ſchimpft's die Kritik: „Poeſie“ —
Blasphemie!!!
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