Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Holz, Arno: Das Buch der Zeit. Lieder eines Modernen. Zürich, 1886.

Bild:
<< vorherige Seite
Sind schon verblutet
Und aber Millionen noch
Werden verbluten
Und du?
Fliehst den Tod?
Dies elende Sein
Ist des Seins ja nicht werth!
Was lebst du noch, Thor?
Tauch dich hinab,
Tief hinab
In das selige Urnichts!"
Ich aber habe, Prometheus zum Trotz,
Gerungen wie Faust und gelitten wie Hiob,
Bis ich mich endlich, blutenden Herzens,
In das eherne Schicksal gefügt.
Doch glaube mir, Freund,
Hamlet hat Unrecht:
Der Rest ist nicht Schweigen,
Der Rest ist Verachtung!
Und so wandl' ich denn nun,
Wie mein Bruder, der ewige Jude,
Auf dieser "besten aller Welten"
Ruhlos umher, ein lebendiger Leichnam,
Und denke mit Salomo: "Alles ist eitel!"
Nur manchmal noch, manchmal,
Wenn sich die Sonne purpurn ins Meer taucht,
Sind ſchon verblutet
Und aber Millionen noch
Werden verbluten
Und du?
Fliehſt den Tod?
Dies elende Sein
Iſt des Seins ja nicht werth!
Was lebſt du noch, Thor?
Tauch dich hinab,
Tief hinab
In das ſelige Urnichts!“
Ich aber habe, Prometheus zum Trotz,
Gerungen wie Fauſt und gelitten wie Hiob,
Bis ich mich endlich, blutenden Herzens,
In das eherne Schickſal gefügt.
Doch glaube mir, Freund,
Hamlet hat Unrecht:
Der Reſt iſt nicht Schweigen,
Der Reſt iſt Verachtung!
Und ſo wandl' ich denn nun,
Wie mein Bruder, der ewige Jude,
Auf dieſer „beſten aller Welten“
Ruhlos umher, ein lebendiger Leichnam,
Und denke mit Salomo: „Alles iſt eitel!“
Nur manchmal noch, manchmal,
Wenn ſich die Sonne purpurn ins Meer taucht,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <lg type="poem">
          <pb facs="#f0316" n="294"/>
          <lg n="72">
            <l><hi rendition="#g">Sind</hi> &#x017F;chon verblutet</l><lb/>
            <l>Und aber Millionen noch</l><lb/>
            <l><hi rendition="#g">Werden</hi> verbluten</l><lb/>
            <l>Und <hi rendition="#g">du</hi>?</l><lb/>
            <l><hi rendition="#g">Flieh&#x017F;t</hi> den Tod?</l><lb/>
            <l>Dies elende Sein</l><lb/>
            <l>I&#x017F;t des Seins ja nicht werth!</l><lb/>
            <l>Was leb&#x017F;t du noch, Thor?</l><lb/>
            <l>Tauch dich hinab,</l><lb/>
            <l>Tief hinab</l><lb/>
            <l>In das &#x017F;elige Urnichts!&#x201C;</l><lb/>
            <l>Ich aber habe, Prometheus zum Trotz,</l><lb/>
            <l>Gerungen wie Fau&#x017F;t und gelitten wie Hiob,</l><lb/>
            <l>Bis ich mich endlich, blutenden Herzens,</l><lb/>
            <l>In das eherne Schick&#x017F;al gefügt.</l><lb/>
            <l>Doch glaube mir, Freund,</l><lb/>
            <l>Hamlet hat Unrecht:</l><lb/>
            <l>Der Re&#x017F;t i&#x017F;t nicht Schweigen,</l><lb/>
            <l>Der Re&#x017F;t i&#x017F;t Verachtung!</l><lb/>
          </lg>
          <lg n="73">
            <l>Und &#x017F;o wandl' ich denn nun,</l><lb/>
            <l>Wie mein Bruder, der ewige Jude,</l><lb/>
            <l>Auf die&#x017F;er &#x201E;be&#x017F;ten aller Welten&#x201C;</l><lb/>
            <l>Ruhlos umher, ein lebendiger Leichnam,</l><lb/>
            <l>Und denke mit Salomo: &#x201E;Alles i&#x017F;t eitel!&#x201C;</l><lb/>
            <l>Nur manchmal noch, manchmal,</l><lb/>
            <l>Wenn &#x017F;ich die Sonne purpurn ins Meer taucht,</l><lb/>
          </lg>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[294/0316] Sind ſchon verblutet Und aber Millionen noch Werden verbluten Und du? Fliehſt den Tod? Dies elende Sein Iſt des Seins ja nicht werth! Was lebſt du noch, Thor? Tauch dich hinab, Tief hinab In das ſelige Urnichts!“ Ich aber habe, Prometheus zum Trotz, Gerungen wie Fauſt und gelitten wie Hiob, Bis ich mich endlich, blutenden Herzens, In das eherne Schickſal gefügt. Doch glaube mir, Freund, Hamlet hat Unrecht: Der Reſt iſt nicht Schweigen, Der Reſt iſt Verachtung! Und ſo wandl' ich denn nun, Wie mein Bruder, der ewige Jude, Auf dieſer „beſten aller Welten“ Ruhlos umher, ein lebendiger Leichnam, Und denke mit Salomo: „Alles iſt eitel!“ Nur manchmal noch, manchmal, Wenn ſich die Sonne purpurn ins Meer taucht,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/holz_buch_1886
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/holz_buch_1886/316
Zitationshilfe: Holz, Arno: Das Buch der Zeit. Lieder eines Modernen. Zürich, 1886, S. 294. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holz_buch_1886/316>, abgerufen am 24.11.2024.