Holz, Arno: Das Buch der Zeit. Lieder eines Modernen. Zürich, 1886.Umflattert von den letzten, phantastischen Fetzen Seines eingestürzten, christlichen Thronhimmels, Zuckte sein Wort, roth wie ein Blitz: "Es werde Licht!" Weinend tauschte tiefunten auf Erden Beim ersten Aufblitz des ewigen Frühlichts Die versöhnte Menschheit Herz an Herz Den ersten heiligen Bruderkuß Und lächelnd entrang sich dem dunklen Chaos, Vor ihrer eigenen, wonnigen Schönheit Süß erschreckt, eine neue Welt, Die Welt der Verheißung! O, wie das Herz mir schlug! In zorndurchloderten, wilden Rhythmen,
Kraftvoll gegliedert, Standen sie da meine feurigen Strophen, Glorreich und todverachtend, Wie weiland das Häuflein der dreihundert Sparter In den Schluchten der Thermopylen. Und ich las es noch einmal, Was ich niedergeschrieben mit meinem Herzblut! Und wieder dann dacht ich, lautauf grollend, Wie noch immer Auf dieser ruhlos wandernden Erde Das Elend, unser ältestes Hausthier, 18
Umflattert von den letzten, phantaſtiſchen Fetzen Seines eingeſtürzten, chriſtlichen Thronhimmels, Zuckte ſein Wort, roth wie ein Blitz: „Es werde Licht!“ Weinend tauſchte tiefunten auf Erden Beim erſten Aufblitz des ewigen Frühlichts Die verſöhnte Menſchheit Herz an Herz Den erſten heiligen Bruderkuß Und lächelnd entrang ſich dem dunklen Chaos, Vor ihrer eigenen, wonnigen Schönheit Süß erſchreckt, eine neue Welt, Die Welt der Verheißung! O, wie das Herz mir ſchlug! In zorndurchloderten, wilden Rhythmen,
Kraftvoll gegliedert, Standen ſie da meine feurigen Strophen, Glorreich und todverachtend, Wie weiland das Häuflein der dreihundert Sparter In den Schluchten der Thermopylen. Und ich las es noch einmal, Was ich niedergeſchrieben mit meinem Herzblut! Und wieder dann dacht ich, lautauf grollend, Wie noch immer Auf dieſer ruhlos wandernden Erde Das Elend, unſer älteſtes Hausthier, 18
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Umflattert von den letzten, phantaſtiſchen Fetzen
Seines eingeſtürzten, chriſtlichen Thronhimmels,
Zuckte ſein Wort, roth wie ein Blitz:
„Es werde Licht!“
Weinend tauſchte tiefunten auf Erden
Beim erſten Aufblitz des ewigen Frühlichts
Die verſöhnte Menſchheit
Herz an Herz
Den erſten heiligen Bruderkuß
Und lächelnd entrang ſich dem dunklen Chaos,
Vor ihrer eigenen, wonnigen Schönheit
Süß erſchreckt, eine neue Welt,
Die Welt der Verheißung!
O, wie das Herz mir ſchlug!
In zorndurchloderten, wilden Rhythmen,
Kraftvoll gegliedert,
Standen ſie da meine feurigen Strophen,
Glorreich und todverachtend,
Wie weiland das Häuflein der dreihundert Sparter
In den Schluchten der Thermopylen.
Und ich las es noch einmal,
Was ich niedergeſchrieben mit meinem Herzblut!
Und wieder dann dacht ich, lautauf grollend,
Wie noch immer
Auf dieſer ruhlos wandernden Erde
Das Elend, unſer älteſtes Hausthier,
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