Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Holz, Arno: Das Buch der Zeit. Lieder eines Modernen. Zürich, 1886.

Bild:
<< vorherige Seite
Wer sich abgemüht in Tagesschwüle,
Ruht im Schooße seiner Lieben aus;
Herzerquickend duftet ihm die Kühle,
Wie ein frischgepflückter Blumenstrauß.
Rollt kein Wagen mehr, es schlägt kein Hammer,
Denn der Werkeltag ist längst verrauscht;
Lämpchen knistert schon in stiller Kammer,
Drin der Nestling Mutters Märchen lauscht.
Immer stiller wird es auf den Gassen,
Immer heimlicher die Dämmrung winkt,
Bis das Giebeldach die silberblassen,
Mondgewebten Flimmerstrahlen trinkt.
Wo in marktumpflanzten Lindenbäumen
Funkenwürmchen hin und wieder fliegt,
Wandeln Liebende in süßen Träumen,
Hand in Hand und Arm in Arm geschmiegt.
Mit den alten, halbverwaschnen Runnen
Und dem steingehaunen Reckenbild
Steht am Rathhauseck der Rolandsbrunnen,
Der aus hundert Röhren tönend quillt.
Auf bemoostem Rande sitz' ich nieder,
Und ich schaue in die Fluthenpracht,
Und ich lausche auf die Wiegenlieder,
Bis mein Herz zur guten Ruh gebracht.
Wer ſich abgemüht in Tagesſchwüle,
Ruht im Schooße ſeiner Lieben aus;
Herzerquickend duftet ihm die Kühle,
Wie ein friſchgepflückter Blumenſtrauß.
Rollt kein Wagen mehr, es ſchlägt kein Hammer,
Denn der Werkeltag iſt längſt verrauſcht;
Lämpchen kniſtert ſchon in ſtiller Kammer,
Drin der Neſtling Mutters Märchen lauſcht.
Immer ſtiller wird es auf den Gaſſen,
Immer heimlicher die Dämmrung winkt,
Bis das Giebeldach die ſilberblaſſen,
Mondgewebten Flimmerſtrahlen trinkt.
Wo in marktumpflanzten Lindenbäumen
Funkenwürmchen hin und wieder fliegt,
Wandeln Liebende in ſüßen Träumen,
Hand in Hand und Arm in Arm geſchmiegt.
Mit den alten, halbverwaſchnen Runnen
Und dem ſteingehaunen Reckenbild
Steht am Rathhauseck der Rolandsbrunnen,
Der aus hundert Röhren tönend quillt.
Auf bemooſtem Rande ſitz' ich nieder,
Und ich ſchaue in die Fluthenpracht,
Und ich lauſche auf die Wiegenlieder,
Bis mein Herz zur guten Ruh gebracht.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0253" n="231"/>
            <lg n="3">
              <l>Wer &#x017F;ich abgemüht in Tages&#x017F;chwüle,</l><lb/>
              <l>Ruht im Schooße &#x017F;einer Lieben aus;</l><lb/>
              <l>Herzerquickend duftet ihm die Kühle,</l><lb/>
              <l>Wie ein fri&#x017F;chgepflückter Blumen&#x017F;trauß.</l><lb/>
              <l>Rollt kein Wagen mehr, es &#x017F;chlägt kein Hammer,</l><lb/>
              <l>Denn der Werkeltag i&#x017F;t läng&#x017F;t verrau&#x017F;cht;</l><lb/>
              <l>Lämpchen kni&#x017F;tert &#x017F;chon in &#x017F;tiller Kammer,</l><lb/>
              <l>Drin der Ne&#x017F;tling Mutters Märchen lau&#x017F;cht.</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="4">
              <l>Immer &#x017F;tiller wird es auf den Ga&#x017F;&#x017F;en,</l><lb/>
              <l>Immer heimlicher die Dämmrung winkt,</l><lb/>
              <l>Bis das Giebeldach die &#x017F;ilberbla&#x017F;&#x017F;en,</l><lb/>
              <l>Mondgewebten Flimmer&#x017F;trahlen trinkt.</l><lb/>
              <l>Wo in marktumpflanzten Lindenbäumen</l><lb/>
              <l>Funkenwürmchen hin und wieder fliegt,</l><lb/>
              <l>Wandeln Liebende in &#x017F;üßen Träumen,</l><lb/>
              <l>Hand in Hand und Arm in Arm ge&#x017F;chmiegt.</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="5">
              <l>Mit den alten, halbverwa&#x017F;chnen Runnen</l><lb/>
              <l>Und dem &#x017F;teingehaunen Reckenbild</l><lb/>
              <l>Steht am Rathhauseck der Rolandsbrunnen,</l><lb/>
              <l>Der aus hundert Röhren tönend quillt.</l><lb/>
              <l>Auf bemoo&#x017F;tem Rande &#x017F;itz' ich nieder,</l><lb/>
              <l>Und ich &#x017F;chaue in die Fluthenpracht,</l><lb/>
              <l>Und ich lau&#x017F;che auf die Wiegenlieder,</l><lb/>
              <l>Bis mein Herz zur guten Ruh gebracht.</l><lb/>
            </lg>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[231/0253] Wer ſich abgemüht in Tagesſchwüle, Ruht im Schooße ſeiner Lieben aus; Herzerquickend duftet ihm die Kühle, Wie ein friſchgepflückter Blumenſtrauß. Rollt kein Wagen mehr, es ſchlägt kein Hammer, Denn der Werkeltag iſt längſt verrauſcht; Lämpchen kniſtert ſchon in ſtiller Kammer, Drin der Neſtling Mutters Märchen lauſcht. Immer ſtiller wird es auf den Gaſſen, Immer heimlicher die Dämmrung winkt, Bis das Giebeldach die ſilberblaſſen, Mondgewebten Flimmerſtrahlen trinkt. Wo in marktumpflanzten Lindenbäumen Funkenwürmchen hin und wieder fliegt, Wandeln Liebende in ſüßen Träumen, Hand in Hand und Arm in Arm geſchmiegt. Mit den alten, halbverwaſchnen Runnen Und dem ſteingehaunen Reckenbild Steht am Rathhauseck der Rolandsbrunnen, Der aus hundert Röhren tönend quillt. Auf bemooſtem Rande ſitz' ich nieder, Und ich ſchaue in die Fluthenpracht, Und ich lauſche auf die Wiegenlieder, Bis mein Herz zur guten Ruh gebracht.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/holz_buch_1886
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/holz_buch_1886/253
Zitationshilfe: Holz, Arno: Das Buch der Zeit. Lieder eines Modernen. Zürich, 1886, S. 231. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holz_buch_1886/253>, abgerufen am 13.05.2024.