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Holz, Arno: Das Buch der Zeit. Lieder eines Modernen. Zürich, 1886.

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Und durch die Lande muß ich schweifen
Und suchen den, der mich erlöst.
Denn wohl erstand uns jener Ritter,
Der kühn des Reiches Banner schwingt,
Doch fehlt der Sänger mit der Zither,
Der würdig seine Thaten singt!
Und eh'r nicht, eh'r nicht darf ich sterben,
Nicht eh'r bricht dieser Leib in Scherben,
Eh ich ins Aug ihm nicht gesehn;
Erst, wenn sein hohes Lied erklungen,
Dann, dann erst hab ich ausgerungen,
Dann, dann erst kann ich sterben gehn!
Drum hört mich ihr, ihr deutschen Sänger,
Ihr Sänger süßer Harmonien,
O sprecht, sprecht, soll ich denn noch länger
Ruhlos das deutsche Land durchziehn?
Jetzt, wo des deutschen Volks Geschichte
Zum welterschütternden Gedichte
Schon selbst sich aneinanderreiht,
Will Keiner, Keiner denn es wagen,
Sein goldnes Harfenspiel zu schlagen
Zum ewgen Ruhme seiner Zeit?
O denkt zurück, woher wir kamen,
Denkt an die Teutoburger Schlacht,
Und zählt die Thaten, zählt die Namen --
Sie sind gestorben, ruft: Erwacht!
Und durch die Lande muß ich ſchweifen
Und ſuchen den, der mich erlöst.
Denn wohl erſtand uns jener Ritter,
Der kühn des Reiches Banner ſchwingt,
Doch fehlt der Sänger mit der Zither,
Der würdig ſeine Thaten ſingt!
Und eh'r nicht, eh'r nicht darf ich ſterben,
Nicht eh'r bricht dieſer Leib in Scherben,
Eh ich ins Aug ihm nicht geſehn;
Erſt, wenn ſein hohes Lied erklungen,
Dann, dann erſt hab ich ausgerungen,
Dann, dann erſt kann ich ſterben gehn!
Drum hört mich ihr, ihr deutſchen Sänger,
Ihr Sänger ſüßer Harmonien,
O ſprecht, ſprecht, ſoll ich denn noch länger
Ruhlos das deutſche Land durchziehn?
Jetzt, wo des deutſchen Volks Geſchichte
Zum welterſchütternden Gedichte
Schon ſelbſt ſich aneinanderreiht,
Will Keiner, Keiner denn es wagen,
Sein goldnes Harfenſpiel zu ſchlagen
Zum ewgen Ruhme ſeiner Zeit?
O denkt zurück, woher wir kamen,
Denkt an die Teutoburger Schlacht,
Und zählt die Thaten, zählt die Namen —
Sie ſind geſtorben, ruft: Erwacht!
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[144/0166] Und durch die Lande muß ich ſchweifen Und ſuchen den, der mich erlöst. Denn wohl erſtand uns jener Ritter, Der kühn des Reiches Banner ſchwingt, Doch fehlt der Sänger mit der Zither, Der würdig ſeine Thaten ſingt! Und eh'r nicht, eh'r nicht darf ich ſterben, Nicht eh'r bricht dieſer Leib in Scherben, Eh ich ins Aug ihm nicht geſehn; Erſt, wenn ſein hohes Lied erklungen, Dann, dann erſt hab ich ausgerungen, Dann, dann erſt kann ich ſterben gehn! Drum hört mich ihr, ihr deutſchen Sänger, Ihr Sänger ſüßer Harmonien, O ſprecht, ſprecht, ſoll ich denn noch länger Ruhlos das deutſche Land durchziehn? Jetzt, wo des deutſchen Volks Geſchichte Zum welterſchütternden Gedichte Schon ſelbſt ſich aneinanderreiht, Will Keiner, Keiner denn es wagen, Sein goldnes Harfenſpiel zu ſchlagen Zum ewgen Ruhme ſeiner Zeit? O denkt zurück, woher wir kamen, Denkt an die Teutoburger Schlacht, Und zählt die Thaten, zählt die Namen — Sie ſind geſtorben, ruft: Erwacht!

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Zitationshilfe: Holz, Arno: Das Buch der Zeit. Lieder eines Modernen. Zürich, 1886, S. 144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holz_buch_1886/166>, abgerufen am 06.05.2024.