Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Holz, Arno: Das Buch der Zeit. Lieder eines Modernen. Zürich, 1886.

Bild:
<< vorherige Seite
Ach, jene weinumrankte Mauer
War oftmals meiner Sehnsucht Ziel,
Wenn Nachts ein dunkler Regenschauer
Lautplätschernd auf die Dächer fiel!
Blauschwärzlich um die blanke Rüstung
Den Reitermantel, den ich trug,
Lehnt ich mich träumend an die Brüstung
Und fühlte, wie das Herz mir schlug.
Denn über mir schwang sich ein Gaden
Phantastisch in die Wetternacht
Und golden hinterm Fensterladen
War noch ein Lichtlein angefacht.
Dort saß sie fleißig hinterm Rocken
Und spann und sang und sang und spann,
Indeß das Seidenweich der Locken
Ihr golden um die Schläfen rann.
Ich hörte, wie die Spindel surrend
Sich rythmisch um sich selber schwang
Und, felldurchwärmt, schlich leise schnurrend
Ihr Kätzlein um die Ofenbank.
O stillverschwiegne Kemmenate,
Noch heute schwellt sich mir die Brust,
Noch heute pocht's in ihr: "Renate!" --
Ob sie's gewußt? Ob sie's gewußt?
Ich weiß, ich hab dich nie vergessen,
Und oft hab ich an dich gedacht,
Wenn ich am Lagersaum gesessen
In Syriens blauer Sommernacht;
Ach, jene weinumrankte Mauer
War oftmals meiner Sehnſucht Ziel,
Wenn Nachts ein dunkler Regenſchauer
Lautplätſchernd auf die Dächer fiel!
Blauſchwärzlich um die blanke Rüſtung
Den Reitermantel, den ich trug,
Lehnt ich mich träumend an die Brüſtung
Und fühlte, wie das Herz mir ſchlug.
Denn über mir ſchwang ſich ein Gaden
Phantaſtiſch in die Wetternacht
Und golden hinterm Fenſterladen
War noch ein Lichtlein angefacht.
Dort ſaß ſie fleißig hinterm Rocken
Und ſpann und ſang und ſang und ſpann,
Indeß das Seidenweich der Locken
Ihr golden um die Schläfen rann.
Ich hörte, wie die Spindel ſurrend
Sich rythmiſch um ſich ſelber ſchwang
Und, felldurchwärmt, ſchlich leiſe ſchnurrend
Ihr Kätzlein um die Ofenbank.
O ſtillverſchwiegne Kemmenate,
Noch heute ſchwellt ſich mir die Bruſt,
Noch heute pocht's in ihr: „Renate!“ —
Ob ſie's gewußt? Ob ſie's gewußt?
Ich weiß, ich hab dich nie vergeſſen,
Und oft hab ich an dich gedacht,
Wenn ich am Lagerſaum geſeſſen
In Syriens blauer Sommernacht;
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <pb facs="#f0155" n="133"/>
          <lg n="18">
            <l>Ach, jene weinumrankte Mauer</l><lb/>
            <l>War oftmals meiner Sehn&#x017F;ucht Ziel,</l><lb/>
            <l>Wenn Nachts ein dunkler Regen&#x017F;chauer</l><lb/>
            <l>Lautplät&#x017F;chernd auf die Dächer fiel!</l><lb/>
            <l>Blau&#x017F;chwärzlich um die blanke Rü&#x017F;tung</l><lb/>
            <l>Den Reitermantel, den ich trug,</l><lb/>
            <l>Lehnt ich mich träumend an die Brü&#x017F;tung</l><lb/>
            <l>Und fühlte, wie das Herz mir &#x017F;chlug.</l><lb/>
            <l>Denn über mir &#x017F;chwang &#x017F;ich ein Gaden</l><lb/>
            <l>Phanta&#x017F;ti&#x017F;ch in die Wetternacht</l><lb/>
            <l>Und golden hinterm Fen&#x017F;terladen</l><lb/>
            <l>War noch ein Lichtlein angefacht.</l><lb/>
            <l>Dort &#x017F;&#x017F;ie fleißig hinterm Rocken</l><lb/>
            <l>Und &#x017F;pann und &#x017F;ang und &#x017F;ang und &#x017F;pann,</l><lb/>
            <l>Indeß das Seidenweich der Locken</l><lb/>
            <l>Ihr golden um die Schläfen rann.</l><lb/>
            <l>Ich hörte, wie die Spindel &#x017F;urrend</l><lb/>
            <l>Sich rythmi&#x017F;ch um &#x017F;ich &#x017F;elber &#x017F;chwang</l><lb/>
            <l>Und, felldurchwärmt, &#x017F;chlich lei&#x017F;e &#x017F;chnurrend</l><lb/>
            <l>Ihr Kätzlein um die Ofenbank.</l><lb/>
            <l>O &#x017F;tillver&#x017F;chwiegne Kemmenate,</l><lb/>
            <l>Noch heute &#x017F;chwellt &#x017F;ich mir die Bru&#x017F;t,</l><lb/>
            <l>Noch heute pocht's in ihr: &#x201E;Renate!&#x201C; &#x2014;</l><lb/>
            <l>Ob &#x017F;ie's gewußt? Ob &#x017F;ie's gewußt?</l><lb/>
            <l>Ich weiß, ich hab dich nie verge&#x017F;&#x017F;en,</l><lb/>
            <l>Und oft hab ich an dich gedacht,</l><lb/>
            <l>Wenn ich am Lager&#x017F;aum ge&#x017F;e&#x017F;&#x017F;en</l><lb/>
            <l>In Syriens blauer Sommernacht;</l><lb/>
          </lg>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[133/0155] Ach, jene weinumrankte Mauer War oftmals meiner Sehnſucht Ziel, Wenn Nachts ein dunkler Regenſchauer Lautplätſchernd auf die Dächer fiel! Blauſchwärzlich um die blanke Rüſtung Den Reitermantel, den ich trug, Lehnt ich mich träumend an die Brüſtung Und fühlte, wie das Herz mir ſchlug. Denn über mir ſchwang ſich ein Gaden Phantaſtiſch in die Wetternacht Und golden hinterm Fenſterladen War noch ein Lichtlein angefacht. Dort ſaß ſie fleißig hinterm Rocken Und ſpann und ſang und ſang und ſpann, Indeß das Seidenweich der Locken Ihr golden um die Schläfen rann. Ich hörte, wie die Spindel ſurrend Sich rythmiſch um ſich ſelber ſchwang Und, felldurchwärmt, ſchlich leiſe ſchnurrend Ihr Kätzlein um die Ofenbank. O ſtillverſchwiegne Kemmenate, Noch heute ſchwellt ſich mir die Bruſt, Noch heute pocht's in ihr: „Renate!“ — Ob ſie's gewußt? Ob ſie's gewußt? Ich weiß, ich hab dich nie vergeſſen, Und oft hab ich an dich gedacht, Wenn ich am Lagerſaum geſeſſen In Syriens blauer Sommernacht;

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/holz_buch_1886
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/holz_buch_1886/155
Zitationshilfe: Holz, Arno: Das Buch der Zeit. Lieder eines Modernen. Zürich, 1886, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holz_buch_1886/155>, abgerufen am 24.11.2024.