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Holz, Arno: Das Buch der Zeit. Lieder eines Modernen. Zürich, 1886.

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Wohl tanzt noch immer die Verblendung
Wie ehmals um das goldne Kalb,
Doch naht die Zeit schon der Vollendung
Und weichen wird von uns der Alp.
Denn nicht umsonst hast du gerungen,
Wie du gekämpft, hast du gesiegt:
Von Sphärenharmonie umklungen,
Ein Aar, der in die Sonne fliegt.
Schon steht die Kunst nicht mehr am Pranger,
Schon winkt aufs Neu ihr Bahn auf Bahn,
Und unsre Zeit sieht zukunftsschwanger
Das kommende Jahrhundert nahn.
Drin werden tausend Blüthen blinken
In neuer Glorie neuem Schein,
Und mag die Frucht auch andern winken,
Die Saat, die goldne Saat ist dein!"
O alte Zeit, o altes Lieben,
Euch schleift kein Stahl, kein Diamant!
Was so vor Jahren ich geschrieben,
Heut nahm ich's wiederum zur Hand.
Und wieder sprang mit jedem Schlage
Mein Herzblut an zu schnellerm Lauf,
Und eingedenk verschollner Tage,
Schlug ich die Juniuslieder auf.
Wohl tanzt noch immer die Verblendung
Wie ehmals um das goldne Kalb,
Doch naht die Zeit ſchon der Vollendung
Und weichen wird von uns der Alp.
Denn nicht umſonſt haſt du gerungen,
Wie du gekämpft, haſt du geſiegt:
Von Sphärenharmonie umklungen,
Ein Aar, der in die Sonne fliegt.
Schon ſteht die Kunſt nicht mehr am Pranger,
Schon winkt aufs Neu ihr Bahn auf Bahn,
Und unſre Zeit ſieht zukunftsſchwanger
Das kommende Jahrhundert nahn.
Drin werden tauſend Blüthen blinken
In neuer Glorie neuem Schein,
Und mag die Frucht auch andern winken,
Die Saat, die goldne Saat iſt dein!“
O alte Zeit, o altes Lieben,
Euch ſchleift kein Stahl, kein Diamant!
Was ſo vor Jahren ich geſchrieben,
Heut nahm ich's wiederum zur Hand.
Und wieder ſprang mit jedem Schlage
Mein Herzblut an zu ſchnellerm Lauf,
Und eingedenk verſchollner Tage,
Schlug ich die Juniuslieder auf.
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[103/0125] Wohl tanzt noch immer die Verblendung Wie ehmals um das goldne Kalb, Doch naht die Zeit ſchon der Vollendung Und weichen wird von uns der Alp. Denn nicht umſonſt haſt du gerungen, Wie du gekämpft, haſt du geſiegt: Von Sphärenharmonie umklungen, Ein Aar, der in die Sonne fliegt. Schon ſteht die Kunſt nicht mehr am Pranger, Schon winkt aufs Neu ihr Bahn auf Bahn, Und unſre Zeit ſieht zukunftsſchwanger Das kommende Jahrhundert nahn. Drin werden tauſend Blüthen blinken In neuer Glorie neuem Schein, Und mag die Frucht auch andern winken, Die Saat, die goldne Saat iſt dein!“ O alte Zeit, o altes Lieben, Euch ſchleift kein Stahl, kein Diamant! Was ſo vor Jahren ich geſchrieben, Heut nahm ich's wiederum zur Hand. Und wieder ſprang mit jedem Schlage Mein Herzblut an zu ſchnellerm Lauf, Und eingedenk verſchollner Tage, Schlug ich die Juniuslieder auf.

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Zitationshilfe: Holz, Arno: Das Buch der Zeit. Lieder eines Modernen. Zürich, 1886, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holz_buch_1886/125>, abgerufen am 30.04.2024.