oder Beruf gehabt, sich aufzulehnen. Miez wie Linz hatten zwar, bevor der Name der Braut ertönte, einige unschwesterlich-neidische Besorgnisse gehegt, doch da es nur nicht Ottilie war, sich sogleich wieder beruhiget.
Gräfin Julia, den durch seine ehrenvollen Wun- den geschmückten Brautvater sorgsam führend, machte in ihrer tiefen Trauer einen gewaltigen und erschüt- ternden Eindruck, den jedoch Hedwig's heit're bräut- liche Erscheinung sogleich in einen fröhlichen umwan- delte. Ottilie ging, als Brautjungfer, neben ihr. Stolz und ernst wie immer, strahlte doch ihr bleiches, mageres Angesicht von theilnehmendem Glücke.
"Pastor-Puschel" übertraf alle Erwartungen, die Anton auf ihn gesetzt. Er sprach einfach, natürlich und wahr. Er rief der ganzen Gemeinde das Bild des Korbmacherjungen Anton in's Gedächtniß; er erinnerte die Leute daran, daß dieser junge freundliche Mann, der jetzt als Gutsherr, als Bräutigam einer liebens- würdigen Jungfrau vor diesem Altare stehe, dereinst, wie er ein armer Junge, ein verwaiseter Fremdling hieß, der Liebling des Dorfes gewesen sei. Und warum, sagte er, sollte er dies nicht bleiben, jetzt, wo ihm Gelegen- heit ward, Eure Liebe von damals zu vergelten?
oder Beruf gehabt, ſich aufzulehnen. Miez wie Linz hatten zwar, bevor der Name der Braut ertoͤnte, einige unſchweſterlich-neidiſche Beſorgniſſe gehegt, doch da es nur nicht Ottilie war, ſich ſogleich wieder beruhiget.
Graͤfin Julia, den durch ſeine ehrenvollen Wun- den geſchmuͤckten Brautvater ſorgſam fuͤhrend, machte in ihrer tiefen Trauer einen gewaltigen und erſchuͤt- ternden Eindruck, den jedoch Hedwig’s heit’re braͤut- liche Erſcheinung ſogleich in einen froͤhlichen umwan- delte. Ottilie ging, als Brautjungfer, neben ihr. Stolz und ernſt wie immer, ſtrahlte doch ihr bleiches, mageres Angeſicht von theilnehmendem Gluͤcke.
„Paſtor-Puſchel“ uͤbertraf alle Erwartungen, die Anton auf ihn geſetzt. Er ſprach einfach, natuͤrlich und wahr. Er rief der ganzen Gemeinde das Bild des Korbmacherjungen Anton in’s Gedaͤchtniß; er erinnerte die Leute daran, daß dieſer junge freundliche Mann, der jetzt als Gutsherr, als Braͤutigam einer liebens- wuͤrdigen Jungfrau vor dieſem Altare ſtehe, dereinſt, wie er ein armer Junge, ein verwaiſeter Fremdling hieß, der Liebling des Dorfes geweſen ſei. Und warum, ſagte er, ſollte er dies nicht bleiben, jetzt, wo ihm Gelegen- heit ward, Eure Liebe von damals zu vergelten?
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oder Beruf gehabt, ſich aufzulehnen. Miez wie Linz
hatten zwar, bevor der Name der Braut ertoͤnte,
einige unſchweſterlich-neidiſche Beſorgniſſe gehegt,
doch da es nur nicht Ottilie war, ſich ſogleich wieder
beruhiget.
Graͤfin Julia, den durch ſeine ehrenvollen Wun-
den geſchmuͤckten Brautvater ſorgſam fuͤhrend, machte
in ihrer tiefen Trauer einen gewaltigen und erſchuͤt-
ternden Eindruck, den jedoch Hedwig’s heit’re braͤut-
liche Erſcheinung ſogleich in einen froͤhlichen umwan-
delte. Ottilie ging, als Brautjungfer, neben ihr.
Stolz und ernſt wie immer, ſtrahlte doch ihr bleiches,
mageres Angeſicht von theilnehmendem Gluͤcke.
„Paſtor-Puſchel“ uͤbertraf alle Erwartungen, die
Anton auf ihn geſetzt. Er ſprach einfach, natuͤrlich
und wahr. Er rief der ganzen Gemeinde das Bild des
Korbmacherjungen Anton in’s Gedaͤchtniß; er erinnerte
die Leute daran, daß dieſer junge freundliche Mann,
der jetzt als Gutsherr, als Braͤutigam einer liebens-
wuͤrdigen Jungfrau vor dieſem Altare ſtehe, dereinſt,
wie er ein armer Junge, ein verwaiſeter Fremdling hieß,
der Liebling des Dorfes geweſen ſei. Und warum, ſagte
er, ſollte er dies nicht bleiben, jetzt, wo ihm Gelegen-
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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 4. Breslau, 1852, S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden04_1852/155>, abgerufen am 26.07.2024.
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