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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852.

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Bekenntnisse würden mir Trost verleihen? Das ist
schon geschehen. Was Sie mir jetzt entdeckt: die
Abhängigkeit in welcher auch Sie wider eigenen Willen
verharren mußten; die fortdauernde Anspannung
aller Sinne und sinnlichen Erregungen, worin dies
schlaue Geschöpf auch Sie zu erhalten verstanden;
der Abscheu, den Sie vor ihr hegten, immer wieder
besiegt durch die kindische Furcht ihr zu mißfallen und
ihren Groll zu erwecken; mehr noch als dies Alles
jene Erschöpfung aller geistigen und leiblichen Kräfte,
nachdem Sie sich frei und den Zauber verbannt fühl-
ten; der Wahnsinn, der Sie zu beherrschen drohte;
die Todeskrankheit, der Sie fast unterlagen; ....
ich finde mich in diesen Zuständen wieder, mich und
mein Geschick. Nur mit dem einen Unterschiede, daß
Sie am Rande des Grabes, durch Jugend und Gene-
sung gerettet, umkehren durften, sich dem Leben wie-
der zuzuwenden; und daß ich hinabsteigen werde in
die kalte, finstere, einsame Grube; jung, mit dem
Wunsche zu leben!"

So weit ist es noch nicht, stammelte Anton.

"Freilich nicht! Leider nicht! Es kann noch ziem-
lich lange dauern, bis dies Automaten-Dasein, das
ich führe, verlischt. Und ist das nicht um so trau-

Bekenntniſſe wuͤrden mir Troſt verleihen? Das iſt
ſchon geſchehen. Was Sie mir jetzt entdeckt: die
Abhaͤngigkeit in welcher auch Sie wider eigenen Willen
verharren mußten; die fortdauernde Anſpannung
aller Sinne und ſinnlichen Erregungen, worin dies
ſchlaue Geſchoͤpf auch Sie zu erhalten verſtanden;
der Abſcheu, den Sie vor ihr hegten, immer wieder
beſiegt durch die kindiſche Furcht ihr zu mißfallen und
ihren Groll zu erwecken; mehr noch als dies Alles
jene Erſchoͤpfung aller geiſtigen und leiblichen Kraͤfte,
nachdem Sie ſich frei und den Zauber verbannt fuͤhl-
ten; der Wahnſinn, der Sie zu beherrſchen drohte;
die Todeskrankheit, der Sie faſt unterlagen; ....
ich finde mich in dieſen Zuſtaͤnden wieder, mich und
mein Geſchick. Nur mit dem einen Unterſchiede, daß
Sie am Rande des Grabes, durch Jugend und Gene-
ſung gerettet, umkehren durften, ſich dem Leben wie-
der zuzuwenden; und daß ich hinabſteigen werde in
die kalte, finſtere, einſame Grube; jung, mit dem
Wunſche zu leben!“

So weit iſt es noch nicht, ſtammelte Anton.

„Freilich nicht! Leider nicht! Es kann noch ziem-
lich lange dauern, bis dies Automaten-Daſein, das
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[43/0047] Bekenntniſſe wuͤrden mir Troſt verleihen? Das iſt ſchon geſchehen. Was Sie mir jetzt entdeckt: die Abhaͤngigkeit in welcher auch Sie wider eigenen Willen verharren mußten; die fortdauernde Anſpannung aller Sinne und ſinnlichen Erregungen, worin dies ſchlaue Geſchoͤpf auch Sie zu erhalten verſtanden; der Abſcheu, den Sie vor ihr hegten, immer wieder beſiegt durch die kindiſche Furcht ihr zu mißfallen und ihren Groll zu erwecken; mehr noch als dies Alles jene Erſchoͤpfung aller geiſtigen und leiblichen Kraͤfte, nachdem Sie ſich frei und den Zauber verbannt fuͤhl- ten; der Wahnſinn, der Sie zu beherrſchen drohte; die Todeskrankheit, der Sie faſt unterlagen; .... ich finde mich in dieſen Zuſtaͤnden wieder, mich und mein Geſchick. Nur mit dem einen Unterſchiede, daß Sie am Rande des Grabes, durch Jugend und Gene- ſung gerettet, umkehren durften, ſich dem Leben wie- der zuzuwenden; und daß ich hinabſteigen werde in die kalte, finſtere, einſame Grube; jung, mit dem Wunſche zu leben!“ So weit iſt es noch nicht, ſtammelte Anton. „Freilich nicht! Leider nicht! Es kann noch ziem- lich lange dauern, bis dies Automaten-Daſein, das ich fuͤhre, verliſcht. Und iſt das nicht um ſo trau-

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Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852/47>, abgerufen am 02.05.2024.