Bekenntnisse würden mir Trost verleihen? Das ist schon geschehen. Was Sie mir jetzt entdeckt: die Abhängigkeit in welcher auch Sie wider eigenen Willen verharren mußten; die fortdauernde Anspannung aller Sinne und sinnlichen Erregungen, worin dies schlaue Geschöpf auch Sie zu erhalten verstanden; der Abscheu, den Sie vor ihr hegten, immer wieder besiegt durch die kindische Furcht ihr zu mißfallen und ihren Groll zu erwecken; mehr noch als dies Alles jene Erschöpfung aller geistigen und leiblichen Kräfte, nachdem Sie sich frei und den Zauber verbannt fühl- ten; der Wahnsinn, der Sie zu beherrschen drohte; die Todeskrankheit, der Sie fast unterlagen; .... ich finde mich in diesen Zuständen wieder, mich und mein Geschick. Nur mit dem einen Unterschiede, daß Sie am Rande des Grabes, durch Jugend und Gene- sung gerettet, umkehren durften, sich dem Leben wie- der zuzuwenden; und daß ich hinabsteigen werde in die kalte, finstere, einsame Grube; jung, mit dem Wunsche zu leben!"
So weit ist es noch nicht, stammelte Anton.
"Freilich nicht! Leider nicht! Es kann noch ziem- lich lange dauern, bis dies Automaten-Dasein, das ich führe, verlischt. Und ist das nicht um so trau-
Bekenntniſſe wuͤrden mir Troſt verleihen? Das iſt ſchon geſchehen. Was Sie mir jetzt entdeckt: die Abhaͤngigkeit in welcher auch Sie wider eigenen Willen verharren mußten; die fortdauernde Anſpannung aller Sinne und ſinnlichen Erregungen, worin dies ſchlaue Geſchoͤpf auch Sie zu erhalten verſtanden; der Abſcheu, den Sie vor ihr hegten, immer wieder beſiegt durch die kindiſche Furcht ihr zu mißfallen und ihren Groll zu erwecken; mehr noch als dies Alles jene Erſchoͤpfung aller geiſtigen und leiblichen Kraͤfte, nachdem Sie ſich frei und den Zauber verbannt fuͤhl- ten; der Wahnſinn, der Sie zu beherrſchen drohte; die Todeskrankheit, der Sie faſt unterlagen; .... ich finde mich in dieſen Zuſtaͤnden wieder, mich und mein Geſchick. Nur mit dem einen Unterſchiede, daß Sie am Rande des Grabes, durch Jugend und Gene- ſung gerettet, umkehren durften, ſich dem Leben wie- der zuzuwenden; und daß ich hinabſteigen werde in die kalte, finſtere, einſame Grube; jung, mit dem Wunſche zu leben!“
So weit iſt es noch nicht, ſtammelte Anton.
„Freilich nicht! Leider nicht! Es kann noch ziem- lich lange dauern, bis dies Automaten-Daſein, das ich fuͤhre, verliſcht. Und iſt das nicht um ſo trau-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0047"n="43"/>
Bekenntniſſe wuͤrden mir Troſt verleihen? Das iſt<lb/>ſchon geſchehen. Was Sie mir jetzt entdeckt: die<lb/>
Abhaͤngigkeit in welcher auch Sie wider eigenen Willen<lb/>
verharren mußten; die fortdauernde Anſpannung<lb/>
aller Sinne und ſinnlichen Erregungen, worin dies<lb/>ſchlaue Geſchoͤpf auch Sie zu erhalten verſtanden;<lb/>
der Abſcheu, den Sie vor ihr hegten, immer wieder<lb/>
beſiegt durch die kindiſche Furcht ihr zu mißfallen und<lb/>
ihren Groll zu erwecken; mehr noch als dies Alles<lb/>
jene Erſchoͤpfung aller geiſtigen und leiblichen Kraͤfte,<lb/>
nachdem Sie ſich frei und den Zauber verbannt fuͤhl-<lb/>
ten; der Wahnſinn, der Sie zu beherrſchen drohte;<lb/>
die Todeskrankheit, der Sie faſt unterlagen; ....<lb/>
ich finde <hirendition="#g">mich</hi> in dieſen Zuſtaͤnden wieder, mich und<lb/>
mein Geſchick. Nur mit dem einen Unterſchiede, daß<lb/>
Sie am Rande des Grabes, durch Jugend und Gene-<lb/>ſung gerettet, umkehren durften, ſich dem Leben wie-<lb/>
der zuzuwenden; und daß ich hinabſteigen werde in<lb/>
die kalte, finſtere, einſame Grube; jung, mit dem<lb/>
Wunſche zu leben!“</p><lb/><p>So weit iſt es noch nicht, ſtammelte Anton.</p><lb/><p>„Freilich nicht! Leider nicht! Es kann noch ziem-<lb/>
lich lange dauern, bis dies Automaten-Daſein, das<lb/>
ich fuͤhre, verliſcht. Und iſt das nicht um ſo trau-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[43/0047]
Bekenntniſſe wuͤrden mir Troſt verleihen? Das iſt
ſchon geſchehen. Was Sie mir jetzt entdeckt: die
Abhaͤngigkeit in welcher auch Sie wider eigenen Willen
verharren mußten; die fortdauernde Anſpannung
aller Sinne und ſinnlichen Erregungen, worin dies
ſchlaue Geſchoͤpf auch Sie zu erhalten verſtanden;
der Abſcheu, den Sie vor ihr hegten, immer wieder
beſiegt durch die kindiſche Furcht ihr zu mißfallen und
ihren Groll zu erwecken; mehr noch als dies Alles
jene Erſchoͤpfung aller geiſtigen und leiblichen Kraͤfte,
nachdem Sie ſich frei und den Zauber verbannt fuͤhl-
ten; der Wahnſinn, der Sie zu beherrſchen drohte;
die Todeskrankheit, der Sie faſt unterlagen; ....
ich finde mich in dieſen Zuſtaͤnden wieder, mich und
mein Geſchick. Nur mit dem einen Unterſchiede, daß
Sie am Rande des Grabes, durch Jugend und Gene-
ſung gerettet, umkehren durften, ſich dem Leben wie-
der zuzuwenden; und daß ich hinabſteigen werde in
die kalte, finſtere, einſame Grube; jung, mit dem
Wunſche zu leben!“
So weit iſt es noch nicht, ſtammelte Anton.
„Freilich nicht! Leider nicht! Es kann noch ziem-
lich lange dauern, bis dies Automaten-Daſein, das
ich fuͤhre, verliſcht. Und iſt das nicht um ſo trau-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852/47>, abgerufen am 05.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.