Wenn man keine Bücher hat, muß man häufig mit Menschen vorlieb nehmen; nur tritt der Unter- schied ein, daß man bei Büchern prüfend sondern, die guten auswählen, die schlechten ungelesen lassen darf, während man, was Menschen betrifft, besonders auf Reisen, und zu Fuße wie unser Anton, nicht allzu- reichliche Auswahl findet.
Jm Allgemeinen mag, was sehr oft von Büchern gilt, auch häufig von Menschen gelten: daß die älte- ren vorzuziehen sind.
Anton hielt sich auf dieser Reise an einen Savo- yarden, der gut sein Vater sein konnte, Thomas mit Namen. Von diesem ließ er sich erzählen, wie es ihm auf seiner nicht allzubequemen Pilgerfahrt ergan- gen. Thomas war, ein winziges elternloses Knäblein ausgewandert, ohne Schutz, ohne Geld, ohne Kraft, ohne Erfahrung; Thomas hatte sich durch betteln, dienen, arbeiten, sparen bis zum Besitz einer Dreh- Orgel emporgeschwungen; Thomas hatte später mit dieser Orgel ein von ihm ersonnenes, durch eigene Finger ausgeschnittenes, lustig eingerichtetes Schat- tenspiel vereiniget; Thomas hatte im Laufe von zwanzig Jahren ein hübsches, kleines Vermögen gesammelt; Thomas hatte sein Theater sammt Orgel-
Wenn man keine Buͤcher hat, muß man haͤufig mit Menſchen vorlieb nehmen; nur tritt der Unter- ſchied ein, daß man bei Buͤchern pruͤfend ſondern, die guten auswaͤhlen, die ſchlechten ungeleſen laſſen darf, waͤhrend man, was Menſchen betrifft, beſonders auf Reiſen, und zu Fuße wie unſer Anton, nicht allzu- reichliche Auswahl findet.
Jm Allgemeinen mag, was ſehr oft von Buͤchern gilt, auch haͤufig von Menſchen gelten: daß die aͤlte- ren vorzuziehen ſind.
Anton hielt ſich auf dieſer Reiſe an einen Savo- yarden, der gut ſein Vater ſein konnte, Thomas mit Namen. Von dieſem ließ er ſich erzaͤhlen, wie es ihm auf ſeiner nicht allzubequemen Pilgerfahrt ergan- gen. Thomas war, ein winziges elternloſes Knaͤblein ausgewandert, ohne Schutz, ohne Geld, ohne Kraft, ohne Erfahrung; Thomas hatte ſich durch betteln, dienen, arbeiten, ſparen bis zum Beſitz einer Dreh- Orgel emporgeſchwungen; Thomas hatte ſpaͤter mit dieſer Orgel ein von ihm erſonnenes, durch eigene Finger ausgeſchnittenes, luſtig eingerichtetes Schat- tenſpiel vereiniget; Thomas hatte im Laufe von zwanzig Jahren ein huͤbſches, kleines Vermoͤgen geſammelt; Thomas hatte ſein Theater ſammt Orgel-
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Wenn man keine Buͤcher hat, muß man haͤufig
mit Menſchen vorlieb nehmen; nur tritt der Unter-
ſchied ein, daß man bei Buͤchern pruͤfend ſondern, die
guten auswaͤhlen, die ſchlechten ungeleſen laſſen darf,
waͤhrend man, was Menſchen betrifft, beſonders auf
Reiſen, und zu Fuße wie unſer Anton, nicht allzu-
reichliche Auswahl findet.
Jm Allgemeinen mag, was ſehr oft von Buͤchern
gilt, auch haͤufig von Menſchen gelten: daß die aͤlte-
ren vorzuziehen ſind.
Anton hielt ſich auf dieſer Reiſe an einen Savo-
yarden, der gut ſein Vater ſein konnte, Thomas mit
Namen. Von dieſem ließ er ſich erzaͤhlen, wie es
ihm auf ſeiner nicht allzubequemen Pilgerfahrt ergan-
gen. Thomas war, ein winziges elternloſes Knaͤblein
ausgewandert, ohne Schutz, ohne Geld, ohne Kraft,
ohne Erfahrung; Thomas hatte ſich durch betteln,
dienen, arbeiten, ſparen bis zum Beſitz einer Dreh-
Orgel emporgeſchwungen; Thomas hatte ſpaͤter mit
dieſer Orgel ein von ihm erſonnenes, durch eigene
Finger ausgeſchnittenes, luſtig eingerichtetes Schat-
tenſpiel vereiniget; Thomas hatte im Laufe von
zwanzig Jahren ein huͤbſches, kleines Vermoͤgen
geſammelt; Thomas hatte ſein Theater ſammt Orgel-
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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852/32>, abgerufen am 05.07.2024.
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