demuthsvoll flehend unter meines Schmerzes, unter meiner Reue Geständnissen wand; wie ich um ein Wort der Liebe bat. -- Es blieb aus, -- ich sah mich verstoßen, verflucht; und auf's Neue siegten Trotz und Leichtsinn über mein besseres Gefühl. Bis- weilen fand ich mich geneigt, ein zweites Mal zu schreiben, mein Glück ein zweites Mal zu versuchen, weil ja doch der erste Brief verloren sein könnte; denn ich hatte ihn nach N. unserm ehemaligen Auf- enthalts-Orte richten müssen, da Carino über die Bezeichnung des Dorfes Liebenau, dessen Name mehrfach vorkommt, nichts Näheres gesagt. Ja, ich begann verschiedene neue Briefe, zerriß aber immer wieder den halb beschriebenen Bogen, weil der Groll, unerhört geblieben zu sein bei der ersten Bitte, mit jeder Zeile auflebte. "Sie hat doch wohl Deinen Brief erhalten, sie will nichts von Dir wissen; dränge Dich nicht auf!" das waren meine unkind- lichen, schändlichen Gegeneinwendungen.
Du hast mir in Deinen traulichen und vertrauten Selbstbekenntnissen, mein geliebter Sohn, auch erzählt, daß mein Schreiben richtig in Deiner Groß- mutter Hände gelangt ist und welche Wirkung es gehabt. Du hast der "kranken Frau" das Ende,
demuthsvoll flehend unter meines Schmerzes, unter meiner Reue Geſtaͤndniſſen wand; wie ich um ein Wort der Liebe bat. — Es blieb aus, — ich ſah mich verſtoßen, verflucht; und auf’s Neue ſiegten Trotz und Leichtſinn uͤber mein beſſeres Gefuͤhl. Bis- weilen fand ich mich geneigt, ein zweites Mal zu ſchreiben, mein Gluͤck ein zweites Mal zu verſuchen, weil ja doch der erſte Brief verloren ſein koͤnnte; denn ich hatte ihn nach N. unſerm ehemaligen Auf- enthalts-Orte richten muͤſſen, da Carino uͤber die Bezeichnung des Dorfes Liebenau, deſſen Name mehrfach vorkommt, nichts Naͤheres geſagt. Ja, ich begann verſchiedene neue Briefe, zerriß aber immer wieder den halb beſchriebenen Bogen, weil der Groll, unerhoͤrt geblieben zu ſein bei der erſten Bitte, mit jeder Zeile auflebte. „Sie hat doch wohl Deinen Brief erhalten, ſie will nichts von Dir wiſſen; draͤnge Dich nicht auf!“ das waren meine unkind- lichen, ſchaͤndlichen Gegeneinwendungen.
Du haſt mir in Deinen traulichen und vertrauten Selbſtbekenntniſſen, mein geliebter Sohn, auch erzaͤhlt, daß mein Schreiben richtig in Deiner Groß- mutter Haͤnde gelangt iſt und welche Wirkung es gehabt. Du haſt der „kranken Frau“ das Ende,
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0269"n="265"/>
demuthsvoll flehend unter meines Schmerzes, unter<lb/>
meiner Reue Geſtaͤndniſſen wand; wie ich um ein<lb/>
Wort der Liebe bat. — Es blieb aus, — ich ſah<lb/>
mich verſtoßen, verflucht; und auf’s Neue ſiegten<lb/>
Trotz und Leichtſinn uͤber mein beſſeres Gefuͤhl. Bis-<lb/>
weilen fand ich mich geneigt, ein zweites Mal zu<lb/>ſchreiben, mein Gluͤck ein zweites Mal zu verſuchen,<lb/>
weil ja doch der erſte Brief verloren ſein koͤnnte;<lb/>
denn ich hatte ihn nach N. unſerm ehemaligen Auf-<lb/>
enthalts-Orte richten muͤſſen, da Carino uͤber die<lb/>
Bezeichnung des Dorfes Liebenau, deſſen Name<lb/>
mehrfach vorkommt, nichts Naͤheres geſagt. Ja, ich<lb/>
begann verſchiedene neue Briefe, zerriß aber immer<lb/>
wieder den halb beſchriebenen Bogen, weil der Groll,<lb/>
unerhoͤrt geblieben zu ſein bei der erſten Bitte, mit<lb/>
jeder Zeile auflebte. „Sie hat doch wohl Deinen<lb/>
Brief erhalten, ſie <hirendition="#g">will</hi> nichts von Dir wiſſen;<lb/>
draͤnge Dich nicht auf!“ das waren meine unkind-<lb/>
lichen, ſchaͤndlichen Gegeneinwendungen.</p><lb/><p>Du haſt mir in Deinen traulichen und vertrauten<lb/>
Selbſtbekenntniſſen, mein geliebter Sohn, auch<lb/>
erzaͤhlt, daß mein Schreiben richtig in Deiner Groß-<lb/>
mutter Haͤnde gelangt iſt und welche Wirkung es<lb/>
gehabt. Du haſt der „kranken Frau“ das Ende,<lb/></p></div></body></text></TEI>
[265/0269]
demuthsvoll flehend unter meines Schmerzes, unter
meiner Reue Geſtaͤndniſſen wand; wie ich um ein
Wort der Liebe bat. — Es blieb aus, — ich ſah
mich verſtoßen, verflucht; und auf’s Neue ſiegten
Trotz und Leichtſinn uͤber mein beſſeres Gefuͤhl. Bis-
weilen fand ich mich geneigt, ein zweites Mal zu
ſchreiben, mein Gluͤck ein zweites Mal zu verſuchen,
weil ja doch der erſte Brief verloren ſein koͤnnte;
denn ich hatte ihn nach N. unſerm ehemaligen Auf-
enthalts-Orte richten muͤſſen, da Carino uͤber die
Bezeichnung des Dorfes Liebenau, deſſen Name
mehrfach vorkommt, nichts Naͤheres geſagt. Ja, ich
begann verſchiedene neue Briefe, zerriß aber immer
wieder den halb beſchriebenen Bogen, weil der Groll,
unerhoͤrt geblieben zu ſein bei der erſten Bitte, mit
jeder Zeile auflebte. „Sie hat doch wohl Deinen
Brief erhalten, ſie will nichts von Dir wiſſen;
draͤnge Dich nicht auf!“ das waren meine unkind-
lichen, ſchaͤndlichen Gegeneinwendungen.
Du haſt mir in Deinen traulichen und vertrauten
Selbſtbekenntniſſen, mein geliebter Sohn, auch
erzaͤhlt, daß mein Schreiben richtig in Deiner Groß-
mutter Haͤnde gelangt iſt und welche Wirkung es
gehabt. Du haſt der „kranken Frau“ das Ende,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852, S. 265. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852/269>, abgerufen am 22.05.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.