Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

daß ich nicht wirklich anbetend vor ihr niedersank,
ihre Kniee zu umfassen. Sie wünschte mir mit hold-
seliger Güte glückliche Reise und ging am Arme der
Pastorin. Welch' ein Gang. So gehen irdische
Menschen nicht! --

Wie die Hausfrau zu mir wiederkehrte, fand sie
mich in heißen Thränen. Sie hatte zarten Sinn
genug, zu schweigen und mich weinen zu lassen.
Dann bot sie mir ein Nachtlager. Das nahm ich
an und bat um Feder und Papier, welches die Magd
mir brachte. Jch schrieb folgende Zeilen:

"Graf Guido!

Gräfin Julia hab' ich gesehen; -- Sie sind
gerechtfertiget. Jch begreife, daß mich nicht mehr
lieben kann, wer eine Luft mit ihr geathmet.

Sie haben mein Lebensglück zerstört; Gott
verzeihe Jhnen! Jch vermag es nur dann, wenn
Sie von nun an keinen andern Gedanken hegen,
als diejenige glücklich zu machen, die sich Jhnen
geben will. Darf ich dies glauben, so sterb' ich
versöhnt mit Jhnen.

Antoinette."

Dieses Blatt gab ich am nächsten Morgen der

daß ich nicht wirklich anbetend vor ihr niederſank,
ihre Kniee zu umfaſſen. Sie wuͤnſchte mir mit hold-
ſeliger Guͤte gluͤckliche Reiſe und ging am Arme der
Paſtorin. Welch’ ein Gang. So gehen irdiſche
Menſchen nicht! —

Wie die Hausfrau zu mir wiederkehrte, fand ſie
mich in heißen Thraͤnen. Sie hatte zarten Sinn
genug, zu ſchweigen und mich weinen zu laſſen.
Dann bot ſie mir ein Nachtlager. Das nahm ich
an und bat um Feder und Papier, welches die Magd
mir brachte. Jch ſchrieb folgende Zeilen:

„Graf Guido!

Graͤfin Julia hab’ ich geſehen; — Sie ſind
gerechtfertiget. Jch begreife, daß mich nicht mehr
lieben kann, wer eine Luft mit ihr geathmet.

Sie haben mein Lebensgluͤck zerſtoͤrt; Gott
verzeihe Jhnen! Jch vermag es nur dann, wenn
Sie von nun an keinen andern Gedanken hegen,
als diejenige gluͤcklich zu machen, die ſich Jhnen
geben will. Darf ich dies glauben, ſo ſterb’ ich
verſoͤhnt mit Jhnen.

Antoinette.“

Dieſes Blatt gab ich am naͤchſten Morgen der

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0250" n="246"/>
daß ich nicht wirklich anbetend vor ihr nieder&#x017F;ank,<lb/>
ihre Kniee zu umfa&#x017F;&#x017F;en. Sie wu&#x0364;n&#x017F;chte mir mit hold-<lb/>
&#x017F;eliger Gu&#x0364;te glu&#x0364;ckliche Rei&#x017F;e und ging am Arme der<lb/>
Pa&#x017F;torin. Welch&#x2019; ein Gang. So gehen irdi&#x017F;che<lb/>
Men&#x017F;chen nicht! &#x2014;</p><lb/>
        <p>Wie die Hausfrau zu mir wiederkehrte, fand &#x017F;ie<lb/>
mich in heißen Thra&#x0364;nen. Sie hatte zarten Sinn<lb/>
genug, zu &#x017F;chweigen und mich weinen zu la&#x017F;&#x017F;en.<lb/>
Dann bot &#x017F;ie mir ein Nachtlager. Das nahm ich<lb/>
an und bat um Feder und Papier, welches die Magd<lb/>
mir brachte. Jch &#x017F;chrieb folgende Zeilen:</p><lb/>
        <floatingText>
          <body>
            <div type="letter">
              <opener>
                <salute> <hi rendition="#c">&#x201E;Graf Guido!</hi> </salute>
              </opener><lb/>
              <p>Gra&#x0364;fin Julia hab&#x2019; ich ge&#x017F;ehen; &#x2014; Sie &#x017F;ind<lb/>
gerechtfertiget. Jch begreife, daß mich nicht mehr<lb/>
lieben kann, wer eine Luft mit <hi rendition="#g">ihr</hi> geathmet.</p><lb/>
              <p>Sie haben mein Lebensglu&#x0364;ck zer&#x017F;to&#x0364;rt; Gott<lb/>
verzeihe Jhnen! <hi rendition="#g">Jch</hi> vermag es nur dann, wenn<lb/>
Sie von nun an keinen andern Gedanken hegen,<lb/>
als diejenige glu&#x0364;cklich zu machen, die &#x017F;ich Jhnen<lb/>
geben will. Darf ich dies glauben, &#x017F;o &#x017F;terb&#x2019; ich<lb/>
ver&#x017F;o&#x0364;hnt mit Jhnen.</p><lb/>
              <closer>
                <salute> <hi rendition="#et">Antoinette.&#x201C;</hi> </salute>
              </closer>
            </div>
          </body>
        </floatingText><lb/>
        <p>Die&#x017F;es Blatt gab ich am na&#x0364;ch&#x017F;ten Morgen der<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[246/0250] daß ich nicht wirklich anbetend vor ihr niederſank, ihre Kniee zu umfaſſen. Sie wuͤnſchte mir mit hold- ſeliger Guͤte gluͤckliche Reiſe und ging am Arme der Paſtorin. Welch’ ein Gang. So gehen irdiſche Menſchen nicht! — Wie die Hausfrau zu mir wiederkehrte, fand ſie mich in heißen Thraͤnen. Sie hatte zarten Sinn genug, zu ſchweigen und mich weinen zu laſſen. Dann bot ſie mir ein Nachtlager. Das nahm ich an und bat um Feder und Papier, welches die Magd mir brachte. Jch ſchrieb folgende Zeilen: „Graf Guido! Graͤfin Julia hab’ ich geſehen; — Sie ſind gerechtfertiget. Jch begreife, daß mich nicht mehr lieben kann, wer eine Luft mit ihr geathmet. Sie haben mein Lebensgluͤck zerſtoͤrt; Gott verzeihe Jhnen! Jch vermag es nur dann, wenn Sie von nun an keinen andern Gedanken hegen, als diejenige gluͤcklich zu machen, die ſich Jhnen geben will. Darf ich dies glauben, ſo ſterb’ ich verſoͤhnt mit Jhnen. Antoinette.“ Dieſes Blatt gab ich am naͤchſten Morgen der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852/250
Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852, S. 246. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852/250>, abgerufen am 17.05.2024.