Mann mit gepudertem Haar trat zu dem Diener und fragte: was giebt's? Eine Bettlerin, Herr Haus- hofmeister, war die Antwort. Dieser Jrrthum regte mich auf. Nein, keine Bettlerin, sagte ich; wenn auch eine Bittende.
Gleichviel, erwiederte der Haushofmeister, kom- men Sie nur herauf!
Jch folgte dieser freundlichen Aufforderung, wurde gemeldet und ohne Aufschub in ein Vorzimmer geru- fen, wo der Haushofmeister mich warten hieß, bis die Frau Gräfin erscheinen würde. Es brannte hel- les Feuer in einem hohen Kamin, wodurch das große Gemach in so weit erleuchtet ward, daß man die Züge des Gesichtes nothdürftig unterschied; mehr nicht. Der alte Mann warf mir forschende Blicke zu, schien aber doch nicht recht klar zu sehen, denn er zeigte sich ungeduldig, bis ein Lakai mit etlichen Arm- leuchtern eintrat. Darauf wurde ich von oben bis unten betrachtet und ich merkte dem Beobachter ab, daß er für sein Leben gern mich über den Zweck meines Hier- seins ausgefragt hätte, was er aber nicht wagte, weil es ihm, wie allen andern Dienern des gräflichen Hauses streng untersagt war. (Das erfuhr ich später, beim Gärtner.) Fast schon entschlossen, seiner Neugier
Mann mit gepudertem Haar trat zu dem Diener und fragte: was giebt’s? Eine Bettlerin, Herr Haus- hofmeiſter, war die Antwort. Dieſer Jrrthum regte mich auf. Nein, keine Bettlerin, ſagte ich; wenn auch eine Bittende.
Gleichviel, erwiederte der Haushofmeiſter, kom- men Sie nur herauf!
Jch folgte dieſer freundlichen Aufforderung, wurde gemeldet und ohne Aufſchub in ein Vorzimmer geru- fen, wo der Haushofmeiſter mich warten hieß, bis die Frau Graͤfin erſcheinen wuͤrde. Es brannte hel- les Feuer in einem hohen Kamin, wodurch das große Gemach in ſo weit erleuchtet ward, daß man die Zuͤge des Geſichtes nothduͤrftig unterſchied; mehr nicht. Der alte Mann warf mir forſchende Blicke zu, ſchien aber doch nicht recht klar zu ſehen, denn er zeigte ſich ungeduldig, bis ein Lakai mit etlichen Arm- leuchtern eintrat. Darauf wurde ich von oben bis unten betrachtet und ich merkte dem Beobachter ab, daß er fuͤr ſein Leben gern mich uͤber den Zweck meines Hier- ſeins ausgefragt haͤtte, was er aber nicht wagte, weil es ihm, wie allen andern Dienern des graͤflichen Hauſes ſtreng unterſagt war. (Das erfuhr ich ſpaͤter, beim Gaͤrtner.) Faſt ſchon entſchloſſen, ſeiner Neugier
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Mann mit gepudertem Haar trat zu dem Diener und
fragte: was giebt’s? Eine Bettlerin, Herr Haus-
hofmeiſter, war die Antwort. Dieſer Jrrthum regte
mich auf. Nein, keine Bettlerin, ſagte ich; wenn
auch eine Bittende.
Gleichviel, erwiederte der Haushofmeiſter, kom-
men Sie nur herauf!
Jch folgte dieſer freundlichen Aufforderung, wurde
gemeldet und ohne Aufſchub in ein Vorzimmer geru-
fen, wo der Haushofmeiſter mich warten hieß, bis
die Frau Graͤfin erſcheinen wuͤrde. Es brannte hel-
les Feuer in einem hohen Kamin, wodurch das große
Gemach in ſo weit erleuchtet ward, daß man die
Zuͤge des Geſichtes nothduͤrftig unterſchied; mehr
nicht. Der alte Mann warf mir forſchende Blicke
zu, ſchien aber doch nicht recht klar zu ſehen, denn er
zeigte ſich ungeduldig, bis ein Lakai mit etlichen Arm-
leuchtern eintrat. Darauf wurde ich von oben bis unten
betrachtet und ich merkte dem Beobachter ab, daß er
fuͤr ſein Leben gern mich uͤber den Zweck meines Hier-
ſeins ausgefragt haͤtte, was er aber nicht wagte, weil
es ihm, wie allen andern Dienern des graͤflichen
Hauſes ſtreng unterſagt war. (Das erfuhr ich ſpaͤter,
beim Gaͤrtner.) Faſt ſchon entſchloſſen, ſeiner Neugier
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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852, S. 226. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852/230>, abgerufen am 26.07.2024.
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