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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852.

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Dennoch zitterte er, als sie, die ihm keinen Blick
zuwendete, weil sie nur für den verstümmelten Vater
Augen zu haben schien, mit diesem und diesen unter-
stützend, an ihm vorbeiging.

Madame Dreher rief von der Kasse zu ihm hin-
auf, er möge Sorge tragen, daß der Herr Hauptmann
in der ersten Reihe gute Plätze finde. Dies geschah
in französischer Sprache, die sie immer anwendeten,
wenn sie vor Fremden etwas mit einander zu sprechen
hatten. Anton erwiederte, es sei kein Platz mehr leer,
doch wolle er eiligst Stühle herbeischaffen, und bat
den Hauptmann, sich so lange zu gedulden. Als er
nun die Stühle brachte, und als der ehrwürdige Jn-
valide sich niedergelassen und ihm freundlich gedankt
hatte, knüpfte derselbe noch ein Gespräch mit ihm an,
ihn befragend, wie er doch zu der vortrefflichen fran-
zösischen Aussprache gekommen und ob er vielleicht
gar ein Franzose sei?

Das nicht, sagte Anton, aber ich bin viel mit
Franzosen umgegangen; -- habe auch einige Zeit in
Paris verlebt, setzte er seufzend hinzu.

Da sprach der Offizier: "Sie könnten einem
alten, armen Haudegen große Freude machen, junger

Dennoch zitterte er, als ſie, die ihm keinen Blick
zuwendete, weil ſie nur fuͤr den verſtuͤmmelten Vater
Augen zu haben ſchien, mit dieſem und dieſen unter-
ſtuͤtzend, an ihm vorbeiging.

Madame Dreher rief von der Kaſſe zu ihm hin-
auf, er moͤge Sorge tragen, daß der Herr Hauptmann
in der erſten Reihe gute Plaͤtze finde. Dies geſchah
in franzoͤſiſcher Sprache, die ſie immer anwendeten,
wenn ſie vor Fremden etwas mit einander zu ſprechen
hatten. Anton erwiederte, es ſei kein Platz mehr leer,
doch wolle er eiligſt Stuͤhle herbeiſchaffen, und bat
den Hauptmann, ſich ſo lange zu gedulden. Als er
nun die Stuͤhle brachte, und als der ehrwuͤrdige Jn-
valide ſich niedergelaſſen und ihm freundlich gedankt
hatte, knuͤpfte derſelbe noch ein Geſpraͤch mit ihm an,
ihn befragend, wie er doch zu der vortrefflichen fran-
zoͤſiſchen Ausſprache gekommen und ob er vielleicht
gar ein Franzoſe ſei?

Das nicht, ſagte Anton, aber ich bin viel mit
Franzoſen umgegangen; — habe auch einige Zeit in
Paris verlebt, ſetzte er ſeufzend hinzu.

Da ſprach der Offizier: „Sie koͤnnten einem
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[197/0201] Dennoch zitterte er, als ſie, die ihm keinen Blick zuwendete, weil ſie nur fuͤr den verſtuͤmmelten Vater Augen zu haben ſchien, mit dieſem und dieſen unter- ſtuͤtzend, an ihm vorbeiging. Madame Dreher rief von der Kaſſe zu ihm hin- auf, er moͤge Sorge tragen, daß der Herr Hauptmann in der erſten Reihe gute Plaͤtze finde. Dies geſchah in franzoͤſiſcher Sprache, die ſie immer anwendeten, wenn ſie vor Fremden etwas mit einander zu ſprechen hatten. Anton erwiederte, es ſei kein Platz mehr leer, doch wolle er eiligſt Stuͤhle herbeiſchaffen, und bat den Hauptmann, ſich ſo lange zu gedulden. Als er nun die Stuͤhle brachte, und als der ehrwuͤrdige Jn- valide ſich niedergelaſſen und ihm freundlich gedankt hatte, knuͤpfte derſelbe noch ein Geſpraͤch mit ihm an, ihn befragend, wie er doch zu der vortrefflichen fran- zoͤſiſchen Ausſprache gekommen und ob er vielleicht gar ein Franzoſe ſei? Das nicht, ſagte Anton, aber ich bin viel mit Franzoſen umgegangen; — habe auch einige Zeit in Paris verlebt, ſetzte er ſeufzend hinzu. Da ſprach der Offizier: „Sie koͤnnten einem alten, armen Haudegen große Freude machen, junger

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Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852, S. 197. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852/201>, abgerufen am 24.11.2024.