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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852.

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höchst wahrscheinlich aus Frankreich abstamme, weil
sämmtliche Unterthanen, wenn das Horn des Herr-
schers zur Weide rief, stets mit oui! oui! geant-
wortet."

War nun im Wiedergeben der tragischen Perso-
nen Manches mangelhaft, weil es, bei nur zwei hin-
ter den Gardinen redenden Darstellern, an Stimmen-
wechsel fehlte, so wurde doch der Kasperle mit einer
Vollkommenheit gesprochen, und der unsicht[ba]re
Sprecher wußte zugleich der sichtbaren, beweglichen,
possierlichen Puppe so entsprechende Leitung dabei
angedeihen zu lassen, daß Anton einen glücklichen
Abend zubrachte. Er vergaß Hedwig und seine
fromme Sehnsucht nach ihr. Er versenkte sich mit
Seele und Leib in die Aktion der Puppen; er glaubte
an sie. Ja selbst den falschen Pathos, den Herr
Dreher seinem zärtlichen Vater, seinem ruchlosen
Sohne angedeihen ließ, mußte der begeisterte Bewun-
derer dieser ihm neuen Kunstgattung preisen; er fand
das nothwendig für ein Marionettenspiel. Dagegen
durchrieselte ahnungsvoller Schauer sein Herz, wenn
die Weiberstimme eintrat. Die Klage der Mutter um
den verlorenen Sohn erschütterte ihn, wie nichts ihn
erschüttert, seitdem er Ludwig Devrients Schewa ver-

hoͤchſt wahrſcheinlich aus Frankreich abſtamme, weil
ſaͤmmtliche Unterthanen, wenn das Horn des Herr-
ſchers zur Weide rief, ſtets mit oui! oui! geant-
wortet.“

War nun im Wiedergeben der tragiſchen Perſo-
nen Manches mangelhaft, weil es, bei nur zwei hin-
ter den Gardinen redenden Darſtellern, an Stimmen-
wechſel fehlte, ſo wurde doch der Kasperle mit einer
Vollkommenheit geſprochen, und der unſicht[ba]re
Sprecher wußte zugleich der ſichtbaren, beweglichen,
poſſierlichen Puppe ſo entſprechende Leitung dabei
angedeihen zu laſſen, daß Anton einen gluͤcklichen
Abend zubrachte. Er vergaß Hedwig und ſeine
fromme Sehnſucht nach ihr. Er verſenkte ſich mit
Seele und Leib in die Aktion der Puppen; er glaubte
an ſie. Ja ſelbſt den falſchen Pathos, den Herr
Dreher ſeinem zaͤrtlichen Vater, ſeinem ruchloſen
Sohne angedeihen ließ, mußte der begeiſterte Bewun-
derer dieſer ihm neuen Kunſtgattung preiſen; er fand
das nothwendig fuͤr ein Marionettenſpiel. Dagegen
durchrieſelte ahnungsvoller Schauer ſein Herz, wenn
die Weiberſtimme eintrat. Die Klage der Mutter um
den verlorenen Sohn erſchuͤtterte ihn, wie nichts ihn
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[173/0177] hoͤchſt wahrſcheinlich aus Frankreich abſtamme, weil ſaͤmmtliche Unterthanen, wenn das Horn des Herr- ſchers zur Weide rief, ſtets mit oui! oui! geant- wortet.“ War nun im Wiedergeben der tragiſchen Perſo- nen Manches mangelhaft, weil es, bei nur zwei hin- ter den Gardinen redenden Darſtellern, an Stimmen- wechſel fehlte, ſo wurde doch der Kasperle mit einer Vollkommenheit geſprochen, und der unſichtbare Sprecher wußte zugleich der ſichtbaren, beweglichen, poſſierlichen Puppe ſo entſprechende Leitung dabei angedeihen zu laſſen, daß Anton einen gluͤcklichen Abend zubrachte. Er vergaß Hedwig und ſeine fromme Sehnſucht nach ihr. Er verſenkte ſich mit Seele und Leib in die Aktion der Puppen; er glaubte an ſie. Ja ſelbſt den falſchen Pathos, den Herr Dreher ſeinem zaͤrtlichen Vater, ſeinem ruchloſen Sohne angedeihen ließ, mußte der begeiſterte Bewun- derer dieſer ihm neuen Kunſtgattung preiſen; er fand das nothwendig fuͤr ein Marionettenſpiel. Dagegen durchrieſelte ahnungsvoller Schauer ſein Herz, wenn die Weiberſtimme eintrat. Die Klage der Mutter um den verlorenen Sohn erſchuͤtterte ihn, wie nichts ihn erſchuͤttert, ſeitdem er Ludwig Devrients Schewa ver-

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Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852, S. 173. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852/177>, abgerufen am 24.11.2024.