Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

ken ist, daß er als Schweinehirt in wüster Gegend
Mangel dulden muß, da verwandelt sich das Brot,
womit er seinen Hunger stillen möchte, unter den zit-
ternden Händen in harten Stein; da grinzen ihm
statt jener Aepfel, die er vom Baume zu pflücken
trachtet, kleine Todtenköpfe entgegen; da rinnt aus
dem Felsenquell, der ihn laben soll, sobald er sich
dürstend nahet, flüssiges Feuer hervor; -- alles dies,
weil der Fluch gekränkter Eltern ihm folgt. Und wie
er nun matt und kraftlos zur Erde taumelt, in einen
Schlaf, der Ohnmacht scheint, zu verfallen, da naht
ihm ein Ungethüm, welches aus dem Boden steigt,
hält ihm die Reihe seiner Vergehungen vor und
raunt ihm krächzend in's Ohr: "ich bin die Verzwei-
felung!" Dann windet sich der Elende, erwacht aus
Traumes Qualen, fleht den Himmel reuig um Gnade
an -- und alsobald verschwindet die schwarze Ver-
zweifelung, die Erde schlingt sie ein und von Rosen-
gewölk getragen schwebt ein freundlicher Engel herab,
der lispelt liebevoll: "ich bin die Hoffnung!" Und
kaum hat der verlorene Sohn diese tröstende Stimme
vernommen, fühlt er Kraft, sich zu erheben, den
Heimweg anzutreten und zu den Füßen der Eltern
Vergebung zu suchen.

ken iſt, daß er als Schweinehirt in wuͤſter Gegend
Mangel dulden muß, da verwandelt ſich das Brot,
womit er ſeinen Hunger ſtillen moͤchte, unter den zit-
ternden Haͤnden in harten Stein; da grinzen ihm
ſtatt jener Aepfel, die er vom Baume zu pfluͤcken
trachtet, kleine Todtenkoͤpfe entgegen; da rinnt aus
dem Felſenquell, der ihn laben ſoll, ſobald er ſich
duͤrſtend nahet, fluͤſſiges Feuer hervor; — alles dies,
weil der Fluch gekraͤnkter Eltern ihm folgt. Und wie
er nun matt und kraftlos zur Erde taumelt, in einen
Schlaf, der Ohnmacht ſcheint, zu verfallen, da naht
ihm ein Ungethuͤm, welches aus dem Boden ſteigt,
haͤlt ihm die Reihe ſeiner Vergehungen vor und
raunt ihm kraͤchzend in’s Ohr: „ich bin die Verzwei-
felung!“ Dann windet ſich der Elende, erwacht aus
Traumes Qualen, fleht den Himmel reuig um Gnade
an — und alſobald verſchwindet die ſchwarze Ver-
zweifelung, die Erde ſchlingt ſie ein und von Roſen-
gewoͤlk getragen ſchwebt ein freundlicher Engel herab,
der lispelt liebevoll: „ich bin die Hoffnung!“ Und
kaum hat der verlorene Sohn dieſe troͤſtende Stimme
vernommen, fuͤhlt er Kraft, ſich zu erheben, den
Heimweg anzutreten und zu den Fuͤßen der Eltern
Vergebung zu ſuchen.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0175" n="171"/>
ken i&#x017F;t, daß er als Schweinehirt in wu&#x0364;&#x017F;ter Gegend<lb/>
Mangel dulden muß, da verwandelt &#x017F;ich das Brot,<lb/>
womit er &#x017F;einen Hunger &#x017F;tillen mo&#x0364;chte, unter den zit-<lb/>
ternden Ha&#x0364;nden in harten Stein; da grinzen ihm<lb/>
&#x017F;tatt jener Aepfel, die er vom Baume zu pflu&#x0364;cken<lb/>
trachtet, kleine Todtenko&#x0364;pfe entgegen; da rinnt aus<lb/>
dem Fel&#x017F;enquell, der ihn laben &#x017F;oll, &#x017F;obald er &#x017F;ich<lb/>
du&#x0364;r&#x017F;tend nahet, flu&#x0364;&#x017F;&#x017F;iges Feuer hervor; &#x2014; alles dies,<lb/>
weil der Fluch gekra&#x0364;nkter Eltern ihm folgt. Und wie<lb/>
er nun matt und kraftlos zur Erde taumelt, in einen<lb/>
Schlaf, der Ohnmacht &#x017F;cheint, zu verfallen, da naht<lb/>
ihm ein Ungethu&#x0364;m, welches aus dem Boden &#x017F;teigt,<lb/>
ha&#x0364;lt ihm die Reihe &#x017F;einer Vergehungen vor und<lb/>
raunt ihm kra&#x0364;chzend in&#x2019;s Ohr: &#x201E;ich bin die Verzwei-<lb/>
felung!&#x201C; Dann windet &#x017F;ich der Elende, erwacht aus<lb/>
Traumes Qualen, fleht den Himmel reuig um Gnade<lb/>
an &#x2014; und al&#x017F;obald ver&#x017F;chwindet die &#x017F;chwarze Ver-<lb/>
zweifelung, die Erde &#x017F;chlingt &#x017F;ie ein und von Ro&#x017F;en-<lb/>
gewo&#x0364;lk getragen &#x017F;chwebt ein freundlicher Engel herab,<lb/>
der lispelt liebevoll: &#x201E;ich bin die Hoffnung!&#x201C; Und<lb/>
kaum hat der verlorene Sohn die&#x017F;e tro&#x0364;&#x017F;tende Stimme<lb/>
vernommen, fu&#x0364;hlt er Kraft, &#x017F;ich zu erheben, den<lb/>
Heimweg anzutreten und zu den Fu&#x0364;ßen der Eltern<lb/>
Vergebung zu &#x017F;uchen.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[171/0175] ken iſt, daß er als Schweinehirt in wuͤſter Gegend Mangel dulden muß, da verwandelt ſich das Brot, womit er ſeinen Hunger ſtillen moͤchte, unter den zit- ternden Haͤnden in harten Stein; da grinzen ihm ſtatt jener Aepfel, die er vom Baume zu pfluͤcken trachtet, kleine Todtenkoͤpfe entgegen; da rinnt aus dem Felſenquell, der ihn laben ſoll, ſobald er ſich duͤrſtend nahet, fluͤſſiges Feuer hervor; — alles dies, weil der Fluch gekraͤnkter Eltern ihm folgt. Und wie er nun matt und kraftlos zur Erde taumelt, in einen Schlaf, der Ohnmacht ſcheint, zu verfallen, da naht ihm ein Ungethuͤm, welches aus dem Boden ſteigt, haͤlt ihm die Reihe ſeiner Vergehungen vor und raunt ihm kraͤchzend in’s Ohr: „ich bin die Verzwei- felung!“ Dann windet ſich der Elende, erwacht aus Traumes Qualen, fleht den Himmel reuig um Gnade an — und alſobald verſchwindet die ſchwarze Ver- zweifelung, die Erde ſchlingt ſie ein und von Roſen- gewoͤlk getragen ſchwebt ein freundlicher Engel herab, der lispelt liebevoll: „ich bin die Hoffnung!“ Und kaum hat der verlorene Sohn dieſe troͤſtende Stimme vernommen, fuͤhlt er Kraft, ſich zu erheben, den Heimweg anzutreten und zu den Fuͤßen der Eltern Vergebung zu ſuchen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852/175
Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852/175>, abgerufen am 18.06.2024.