Dabei jedoch mußte er sich sagen, war er von ihr gefunden worden, um gerettet zu werden.
Gerettet! Wofür gerettet? fügte er ungläubig, an sich selbst verzweifelnd hinzu; für welchen End- zweck? Was soll ich dem Leben fürder nützen? Was das Leben mir? --
Sehr langsam, mit äußerster Behutsamkeit durf- ten die Stärkungsmittel angewendet werden, welche diesem durch Ausschweifungen, wildes Leben, Ver- zweiflung, und endlich Mangel und Noth an den Rand des Grabes geworfenen Körper, die vorige Jugendkraft wieder geben sollten.
Auch war solch' eiserner, unerschütterlicher Wille wie der einer Schwester Antonina nöthig, um den flehenden Bitten des Kranken zu widerstehen, wenn er über unersättlichen Hunger klagte und sich, um diesen zu stillen, mit den spärlichsten Gaben zu begnü- gen hatte. Ein ernster Blick der frommen Pflegerin reichte aber jedesmal hin, sein Murren in dankbares Gebet zu verwandeln.
Und wie eine Prophezeihung wohlthuenden Gene- sens strömte erquickendes Gefühl ihm durch die Adern, sobald er ihren Schwester-Namen von Andern aus- sprechen hörte, oder ihn selbst aussprach.
Dabei jedoch mußte er ſich ſagen, war er von ihr gefunden worden, um gerettet zu werden.
Gerettet! Wofuͤr gerettet? fuͤgte er unglaͤubig, an ſich ſelbſt verzweifelnd hinzu; fuͤr welchen End- zweck? Was ſoll ich dem Leben fuͤrder nuͤtzen? Was das Leben mir? —
Sehr langſam, mit aͤußerſter Behutſamkeit durf- ten die Staͤrkungsmittel angewendet werden, welche dieſem durch Ausſchweifungen, wildes Leben, Ver- zweiflung, und endlich Mangel und Noth an den Rand des Grabes geworfenen Koͤrper, die vorige Jugendkraft wieder geben ſollten.
Auch war ſolch’ eiſerner, unerſchuͤtterlicher Wille wie der einer Schweſter Antonina noͤthig, um den flehenden Bitten des Kranken zu widerſtehen, wenn er uͤber unerſaͤttlichen Hunger klagte und ſich, um dieſen zu ſtillen, mit den ſpaͤrlichſten Gaben zu begnuͤ- gen hatte. Ein ernſter Blick der frommen Pflegerin reichte aber jedesmal hin, ſein Murren in dankbares Gebet zu verwandeln.
Und wie eine Prophezeihung wohlthuenden Gene- ſens ſtroͤmte erquickendes Gefuͤhl ihm durch die Adern, ſobald er ihren Schweſter-Namen von Andern aus- ſprechen hoͤrte, oder ihn ſelbſt ausſprach.
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0010"n="6"/><p>Dabei jedoch mußte er ſich ſagen, war er von ihr<lb/>
gefunden worden, um gerettet zu werden.</p><lb/><p>Gerettet! Wofuͤr gerettet? fuͤgte er unglaͤubig,<lb/>
an ſich ſelbſt verzweifelnd hinzu; fuͤr welchen End-<lb/>
zweck? Was ſoll ich dem Leben fuͤrder nuͤtzen? Was<lb/>
das Leben mir? —</p><lb/><p>Sehr langſam, mit aͤußerſter Behutſamkeit durf-<lb/>
ten die Staͤrkungsmittel angewendet werden, welche<lb/>
dieſem durch Ausſchweifungen, wildes Leben, Ver-<lb/>
zweiflung, und endlich Mangel und Noth an den<lb/>
Rand des Grabes geworfenen Koͤrper, die vorige<lb/>
Jugendkraft wieder geben ſollten.</p><lb/><p>Auch war ſolch’ eiſerner, unerſchuͤtterlicher Wille<lb/>
wie der einer Schweſter Antonina noͤthig, um den<lb/>
flehenden Bitten des Kranken zu widerſtehen, wenn<lb/>
er uͤber unerſaͤttlichen Hunger klagte und ſich, um<lb/>
dieſen zu ſtillen, mit den ſpaͤrlichſten Gaben zu begnuͤ-<lb/>
gen hatte. Ein ernſter Blick der frommen Pflegerin<lb/>
reichte aber jedesmal hin, ſein Murren in dankbares<lb/>
Gebet zu verwandeln.</p><lb/><p>Und wie eine Prophezeihung wohlthuenden Gene-<lb/>ſens ſtroͤmte erquickendes Gefuͤhl ihm durch die Adern,<lb/>ſobald er ihren Schweſter-Namen von Andern aus-<lb/>ſprechen hoͤrte, oder ihn ſelbſt ausſprach.</p><lb/></div></body></text></TEI>
[6/0010]
Dabei jedoch mußte er ſich ſagen, war er von ihr
gefunden worden, um gerettet zu werden.
Gerettet! Wofuͤr gerettet? fuͤgte er unglaͤubig,
an ſich ſelbſt verzweifelnd hinzu; fuͤr welchen End-
zweck? Was ſoll ich dem Leben fuͤrder nuͤtzen? Was
das Leben mir? —
Sehr langſam, mit aͤußerſter Behutſamkeit durf-
ten die Staͤrkungsmittel angewendet werden, welche
dieſem durch Ausſchweifungen, wildes Leben, Ver-
zweiflung, und endlich Mangel und Noth an den
Rand des Grabes geworfenen Koͤrper, die vorige
Jugendkraft wieder geben ſollten.
Auch war ſolch’ eiſerner, unerſchuͤtterlicher Wille
wie der einer Schweſter Antonina noͤthig, um den
flehenden Bitten des Kranken zu widerſtehen, wenn
er uͤber unerſaͤttlichen Hunger klagte und ſich, um
dieſen zu ſtillen, mit den ſpaͤrlichſten Gaben zu begnuͤ-
gen hatte. Ein ernſter Blick der frommen Pflegerin
reichte aber jedesmal hin, ſein Murren in dankbares
Gebet zu verwandeln.
Und wie eine Prophezeihung wohlthuenden Gene-
ſens ſtroͤmte erquickendes Gefuͤhl ihm durch die Adern,
ſobald er ihren Schweſter-Namen von Andern aus-
ſprechen hoͤrte, oder ihn ſelbſt ausſprach.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852/10>, abgerufen am 05.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.