"Schachermachai?" Wie? Und ich bin ein Jude, ein Jude, von Kopf bis zum Fuß, und habe Sie wieder auf Jhre christlichen Füße gebracht, nachdem Sie auf Jhren christlichen Kopf gefallen waren. -- Na, erschrecken Sie nicht; wir bleiben gute Freunde. Und jetzt geh'n Sie in's Parterre. Sie sollen etwas sehen, was in seiner Art einzig ist; was so noch nie- mals da war; und so niemals wiederkommen wird; Jffland ist vielleicht ein größerer Künstler gewesen, ich weiß nicht, doch für Rollen dieser Art, wie der Jude Schewa, hat es noch niemals einen größeren Schauspieler gegeben, als Sie heute bewundern wer- den. Jch beneide Sie um das Glück, einen solchen Kunstgenuß zum Erstenmale zu erleben."
Anton fühlte sich noch zu verlegen durch die Ent- deckung, daß sein gütiger Arzt auch ein Jude sei; des- halb schwieg er. Sonst würd' er wohl Zweifel kund gegeben haben, an der Möglichkeit des verheißenen Entzückens. Er empfahl sich erröthend, lösete sein Billet und mischte sich unter die Menge.
Für diejenigen Leser, die mit unbefangenem Sinne und empfänglichem Gemüthe begabt, noch selbst erlebt haben, was hier der Verfasser andeutet, bedarf es kei- ner auseinandersetzenden Beschreibung dessen, was
„Schachermachai?“ Wie? Und ich bin ein Jude, ein Jude, von Kopf bis zum Fuß, und habe Sie wieder auf Jhre chriſtlichen Fuͤße gebracht, nachdem Sie auf Jhren chriſtlichen Kopf gefallen waren. — Na, erſchrecken Sie nicht; wir bleiben gute Freunde. Und jetzt geh’n Sie in’s Parterre. Sie ſollen etwas ſehen, was in ſeiner Art einzig iſt; was ſo noch nie- mals da war; und ſo niemals wiederkommen wird; Jffland iſt vielleicht ein groͤßerer Kuͤnſtler geweſen, ich weiß nicht, doch fuͤr Rollen dieſer Art, wie der Jude Schewa, hat es noch niemals einen groͤßeren Schauſpieler gegeben, als Sie heute bewundern wer- den. Jch beneide Sie um das Gluͤck, einen ſolchen Kunſtgenuß zum Erſtenmale zu erleben.“
Anton fuͤhlte ſich noch zu verlegen durch die Ent- deckung, daß ſein guͤtiger Arzt auch ein Jude ſei; des- halb ſchwieg er. Sonſt wuͤrd’ er wohl Zweifel kund gegeben haben, an der Moͤglichkeit des verheißenen Entzuͤckens. Er empfahl ſich erroͤthend, loͤſete ſein Billet und miſchte ſich unter die Menge.
Fuͤr diejenigen Leſer, die mit unbefangenem Sinne und empfaͤnglichem Gemuͤthe begabt, noch ſelbſt erlebt haben, was hier der Verfaſſer andeutet, bedarf es kei- ner auseinanderſetzenden Beſchreibung deſſen, was
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„Schachermachai?“ Wie? Und ich bin ein Jude,
ein Jude, von Kopf bis zum Fuß, und habe Sie
wieder auf Jhre chriſtlichen Fuͤße gebracht, nachdem
Sie auf Jhren chriſtlichen Kopf gefallen waren. —
Na, erſchrecken Sie nicht; wir bleiben gute Freunde.
Und jetzt geh’n Sie in’s Parterre. Sie ſollen etwas
ſehen, was in ſeiner Art einzig iſt; was ſo noch nie-
mals da war; und ſo niemals wiederkommen wird;
Jffland iſt vielleicht ein groͤßerer Kuͤnſtler geweſen,
ich weiß nicht, doch fuͤr Rollen dieſer Art, wie der
Jude Schewa, hat es noch niemals einen groͤßeren
Schauſpieler gegeben, als Sie heute bewundern wer-
den. Jch beneide Sie um das Gluͤck, einen ſolchen
Kunſtgenuß zum Erſtenmale zu erleben.“
Anton fuͤhlte ſich noch zu verlegen durch die Ent-
deckung, daß ſein guͤtiger Arzt auch ein Jude ſei; des-
halb ſchwieg er. Sonſt wuͤrd’ er wohl Zweifel kund
gegeben haben, an der Moͤglichkeit des verheißenen
Entzuͤckens. Er empfahl ſich erroͤthend, loͤſete ſein
Billet und miſchte ſich unter die Menge.
Fuͤr diejenigen Leſer, die mit unbefangenem Sinne
und empfaͤnglichem Gemuͤthe begabt, noch ſelbſt erlebt
haben, was hier der Verfaſſer andeutet, bedarf es kei-
ner auseinanderſetzenden Beſchreibung deſſen, was
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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 2. Breslau, 1852, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden02_1852/71>, abgerufen am 26.11.2024.
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