Befinden zusehend. Der Arzt gestattete ihm bald, auszugehen. Doch von der Reise nach Dr. wollte er noch nichts wissen. Die laß ich ihn nicht eher unternehmen, äußerte er gebieterisch, bevor nicht der dumpfe Druck im Kopfe, über den er bisweilen noch klagt, gänzlich vergangen ist. Denn steckt er erst wieder bei den Andern, so will er auch gleich auf die Schindmähre kriechen, das kennt man schon; da ist kein Halten. Und das könnte ihm jetzt noch schlecht bekommen. Wir müssen ihm hier einige Zerstreuungen bereiten, damit er nicht so gewissenhaft an seine ver- dammten Verpflichtungen gegen die vierbeinige Gesell- schaft denke. Er klagte ja neulich, daß er während eures hiesigen Aufenthaltes nicht in's Theater gehen konnte, weil er täglich in eurer Bude beschäftiget war? Schicken Sie ihn dahin; das wird ihm wohl thun. Besonders wenn man Lustspiele giebt. Er soll lachen. Er ist zu ernsthaft für seine Jahre. Er ist wohl verliebt, und ohne Hoffnung? He? Das müssen Sie wissen?
Die Antwort der Jartour auf diese Frage des behag- lichen Arztes bestand in sanftem Erröthen und ernstem Schweigen. Der alte Herr sah ihr ein Weilchen in's Gesicht, schüttelte sodann seinen grauen Kopf und brummte vor sich hin: Jn den Augen ist nichts zu
Befinden zuſehend. Der Arzt geſtattete ihm bald, auszugehen. Doch von der Reiſe nach Dr. wollte er noch nichts wiſſen. Die laß ich ihn nicht eher unternehmen, aͤußerte er gebieteriſch, bevor nicht der dumpfe Druck im Kopfe, uͤber den er bisweilen noch klagt, gaͤnzlich vergangen iſt. Denn ſteckt er erſt wieder bei den Andern, ſo will er auch gleich auf die Schindmaͤhre kriechen, das kennt man ſchon; da iſt kein Halten. Und das koͤnnte ihm jetzt noch ſchlecht bekommen. Wir muͤſſen ihm hier einige Zerſtreuungen bereiten, damit er nicht ſo gewiſſenhaft an ſeine ver- dammten Verpflichtungen gegen die vierbeinige Geſell- ſchaft denke. Er klagte ja neulich, daß er waͤhrend eures hieſigen Aufenthaltes nicht in’s Theater gehen konnte, weil er taͤglich in eurer Bude beſchaͤftiget war? Schicken Sie ihn dahin; das wird ihm wohl thun. Beſonders wenn man Luſtſpiele giebt. Er ſoll lachen. Er iſt zu ernſthaft fuͤr ſeine Jahre. Er iſt wohl verliebt, und ohne Hoffnung? He? Das muͤſſen Sie wiſſen?
Die Antwort der Jartour auf dieſe Frage des behag- lichen Arztes beſtand in ſanftem Erroͤthen und ernſtem Schweigen. Der alte Herr ſah ihr ein Weilchen in’s Geſicht, ſchuͤttelte ſodann ſeinen grauen Kopf und brummte vor ſich hin: Jn den Augen iſt nichts zu
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Befinden zuſehend. Der Arzt geſtattete ihm bald,
auszugehen. Doch von der Reiſe nach Dr. wollte
er noch nichts wiſſen. Die laß ich ihn nicht eher
unternehmen, aͤußerte er gebieteriſch, bevor nicht der
dumpfe Druck im Kopfe, uͤber den er bisweilen noch
klagt, gaͤnzlich vergangen iſt. Denn ſteckt er erſt
wieder bei den Andern, ſo will er auch gleich auf die
Schindmaͤhre kriechen, das kennt man ſchon; da iſt
kein Halten. Und das koͤnnte ihm jetzt noch ſchlecht
bekommen. Wir muͤſſen ihm hier einige Zerſtreuungen
bereiten, damit er nicht ſo gewiſſenhaft an ſeine ver-
dammten Verpflichtungen gegen die vierbeinige Geſell-
ſchaft denke. Er klagte ja neulich, daß er waͤhrend
eures hieſigen Aufenthaltes nicht in’s Theater gehen
konnte, weil er taͤglich in eurer Bude beſchaͤftiget
war? Schicken Sie ihn dahin; das wird ihm wohl
thun. Beſonders wenn man Luſtſpiele giebt. Er
ſoll lachen. Er iſt zu ernſthaft fuͤr ſeine Jahre. Er
iſt wohl verliebt, und ohne Hoffnung? He? Das
muͤſſen Sie wiſſen?
Die Antwort der Jartour auf dieſe Frage des behag-
lichen Arztes beſtand in ſanftem Erroͤthen und ernſtem
Schweigen. Der alte Herr ſah ihr ein Weilchen in’s
Geſicht, ſchuͤttelte ſodann ſeinen grauen Kopf und
brummte vor ſich hin: Jn den Augen iſt nichts zu
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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 2. Breslau, 1852, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden02_1852/66>, abgerufen am 26.11.2024.
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