Leben mit Laura so bunt und hervortretend wie möglich aus.
Die Hörerin folgte ihm mit fieberhafter Leben- digkeit; sie hing an seinen Lippen, lauschte auf jedes Wort und wie sie vernahm, daß er jetzt verlassen, hülflos, einsam in der großen Stadt stehe, sprang sie jauchzend von ihrem Sessel empor und rief aus vol- ler Brust: welch' ein Glück!
Wie meinen Sie das? wollte Anton, welcher ganz entgegengesetzter Ansicht sein zu dürfen ver- meinte, sie mit Staunen fragen .... Doch schon hatte sie den prachtvollen Sammthut vom Haupte geschleudert; der weite Pelzmantel glitt von ihren Schultern; -- und vor ihm stand, im weißen, kurzen Kleidchen die braune Bärbel!
Sieh'st Du, Toni, sprach sie, ich bin die ich war. Diesen Abend liegt keine Schminke auf meinen Wan- gen, auf meiner Stirn; es ist die wilde Zigeunerin, der Du zitternd in die Arme liefest, da sie Dich zurück- stoßen mußte, weil sie vom sterbenden Wolfgang kam, als Todesbotin. Er ist vermodert. Wir leben noch. Eines Andern Buhlerin ward ich, nachdem Du mich von Dir gewiesen. Aber Dein bin ich dennoch geblie- ben, mit Seel' und Leib. Und häßlich wurd' ich
Leben mit Laura ſo bunt und hervortretend wie moͤglich aus.
Die Hoͤrerin folgte ihm mit fieberhafter Leben- digkeit; ſie hing an ſeinen Lippen, lauſchte auf jedes Wort und wie ſie vernahm, daß er jetzt verlaſſen, huͤlflos, einſam in der großen Stadt ſtehe, ſprang ſie jauchzend von ihrem Seſſel empor und rief aus vol- ler Bruſt: welch’ ein Gluͤck!
Wie meinen Sie das? wollte Anton, welcher ganz entgegengeſetzter Anſicht ſein zu duͤrfen ver- meinte, ſie mit Staunen fragen .... Doch ſchon hatte ſie den prachtvollen Sammthut vom Haupte geſchleudert; der weite Pelzmantel glitt von ihren Schultern; — und vor ihm ſtand, im weißen, kurzen Kleidchen die braune Baͤrbel!
Sieh’ſt Du, Toni, ſprach ſie, ich bin die ich war. Dieſen Abend liegt keine Schminke auf meinen Wan- gen, auf meiner Stirn; es iſt die wilde Zigeunerin, der Du zitternd in die Arme liefeſt, da ſie Dich zuruͤck- ſtoßen mußte, weil ſie vom ſterbenden Wolfgang kam, als Todesbotin. Er iſt vermodert. Wir leben noch. Eines Andern Buhlerin ward ich, nachdem Du mich von Dir gewieſen. Aber Dein bin ich dennoch geblie- ben, mit Seel’ und Leib. Und haͤßlich wurd’ ich
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Leben mit Laura ſo bunt und hervortretend wie
moͤglich aus.
Die Hoͤrerin folgte ihm mit fieberhafter Leben-
digkeit; ſie hing an ſeinen Lippen, lauſchte auf jedes
Wort und wie ſie vernahm, daß er jetzt verlaſſen,
huͤlflos, einſam in der großen Stadt ſtehe, ſprang ſie
jauchzend von ihrem Seſſel empor und rief aus vol-
ler Bruſt: welch’ ein Gluͤck!
Wie meinen Sie das? wollte Anton, welcher
ganz entgegengeſetzter Anſicht ſein zu duͤrfen ver-
meinte, ſie mit Staunen fragen .... Doch ſchon
hatte ſie den prachtvollen Sammthut vom Haupte
geſchleudert; der weite Pelzmantel glitt von ihren
Schultern; — und vor ihm ſtand, im weißen, kurzen
Kleidchen die braune Baͤrbel!
Sieh’ſt Du, Toni, ſprach ſie, ich bin die ich war.
Dieſen Abend liegt keine Schminke auf meinen Wan-
gen, auf meiner Stirn; es iſt die wilde Zigeunerin,
der Du zitternd in die Arme liefeſt, da ſie Dich zuruͤck-
ſtoßen mußte, weil ſie vom ſterbenden Wolfgang kam,
als Todesbotin. Er iſt vermodert. Wir leben noch.
Eines Andern Buhlerin ward ich, nachdem Du mich
von Dir gewieſen. Aber Dein bin ich dennoch geblie-
ben, mit Seel’ und Leib. Und haͤßlich wurd’ ich
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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 2. Breslau, 1852, S. 283. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden02_1852/285>, abgerufen am 24.11.2024.
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