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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 2. Breslau, 1852.

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Weil ich jetzt einmal Liebenau erwähnt, will ich
meinen Bericht über mich unterbrechen und Jhnen
geschwind sagen, wie es jetzt dort steht. Jch empfinde
in meiner Brust, wie heftig Jhre Sehnsucht sein muß,
zu erfahren, was aus den Genossen Jhrer Kindheit
wurde. Also in zwei Worten: des Pastors ältester
Sohn, Julius, der seit kurzer Zeit von der Universi-
tät heimgekehrt ist, wird seinem alten, ganz hinfälli-
gen Vater zur Seite gesetzt, und auf Wunsch der
Gemeinde, welche mit seiner Probepredigt zufrieden
war, dereinst Pastor werden. Er steht im Begriff,
die älteste Tochter des vormaligen Besitzers, Karo-
line, zu heirathen. Der zweite Sohn, Robert, ist im
Examen durchgefallen. Theodor hat ihm versprochen,
ihm die Stelle eines zweiten Verwalters zu geben,
weil der alte Vater sich dafür verbürgt, daß der
dumme Junge immer mehr Neigung zu Pferden und
Ochsen, als zu den Büchern gezeigt habe. Er ist
verlobt mit Emilie. Jch habe meinen ganzen Ein-
fluß aufgeboten, diese höchst bescheidenen Wünsche
zur Erfüllung zu bringen. Warum? -- Ja nun,
weil ich meinte, es würde einem gewissen bei Nacht
und Nebel davon gelaufenen Korbmacher-Jungen
vielleicht Freude machen, in weiter Ferne von der

Weil ich jetzt einmal Liebenau erwaͤhnt, will ich
meinen Bericht uͤber mich unterbrechen und Jhnen
geſchwind ſagen, wie es jetzt dort ſteht. Jch empfinde
in meiner Bruſt, wie heftig Jhre Sehnſucht ſein muß,
zu erfahren, was aus den Genoſſen Jhrer Kindheit
wurde. Alſo in zwei Worten: des Paſtors aͤlteſter
Sohn, Julius, der ſeit kurzer Zeit von der Univerſi-
taͤt heimgekehrt iſt, wird ſeinem alten, ganz hinfaͤlli-
gen Vater zur Seite geſetzt, und auf Wunſch der
Gemeinde, welche mit ſeiner Probepredigt zufrieden
war, dereinſt Paſtor werden. Er ſteht im Begriff,
die aͤlteſte Tochter des vormaligen Beſitzers, Karo-
line, zu heirathen. Der zweite Sohn, Robert, iſt im
Examen durchgefallen. Theodor hat ihm verſprochen,
ihm die Stelle eines zweiten Verwalters zu geben,
weil der alte Vater ſich dafuͤr verbuͤrgt, daß der
dumme Junge immer mehr Neigung zu Pferden und
Ochſen, als zu den Buͤchern gezeigt habe. Er iſt
verlobt mit Emilie. Jch habe meinen ganzen Ein-
fluß aufgeboten, dieſe hoͤchſt beſcheidenen Wuͤnſche
zur Erfuͤllung zu bringen. Warum? — Ja nun,
weil ich meinte, es wuͤrde einem gewiſſen bei Nacht
und Nebel davon gelaufenen Korbmacher-Jungen
vielleicht Freude machen, in weiter Ferne von der

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[278/0280] Weil ich jetzt einmal Liebenau erwaͤhnt, will ich meinen Bericht uͤber mich unterbrechen und Jhnen geſchwind ſagen, wie es jetzt dort ſteht. Jch empfinde in meiner Bruſt, wie heftig Jhre Sehnſucht ſein muß, zu erfahren, was aus den Genoſſen Jhrer Kindheit wurde. Alſo in zwei Worten: des Paſtors aͤlteſter Sohn, Julius, der ſeit kurzer Zeit von der Univerſi- taͤt heimgekehrt iſt, wird ſeinem alten, ganz hinfaͤlli- gen Vater zur Seite geſetzt, und auf Wunſch der Gemeinde, welche mit ſeiner Probepredigt zufrieden war, dereinſt Paſtor werden. Er ſteht im Begriff, die aͤlteſte Tochter des vormaligen Beſitzers, Karo- line, zu heirathen. Der zweite Sohn, Robert, iſt im Examen durchgefallen. Theodor hat ihm verſprochen, ihm die Stelle eines zweiten Verwalters zu geben, weil der alte Vater ſich dafuͤr verbuͤrgt, daß der dumme Junge immer mehr Neigung zu Pferden und Ochſen, als zu den Buͤchern gezeigt habe. Er iſt verlobt mit Emilie. Jch habe meinen ganzen Ein- fluß aufgeboten, dieſe hoͤchſt beſcheidenen Wuͤnſche zur Erfuͤllung zu bringen. Warum? — Ja nun, weil ich meinte, es wuͤrde einem gewiſſen bei Nacht und Nebel davon gelaufenen Korbmacher-Jungen vielleicht Freude machen, in weiter Ferne von der

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Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 2. Breslau, 1852, S. 278. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden02_1852/280>, abgerufen am 24.11.2024.