sich an Franconi's, mit der bittenden Frage, ihm Nachricht zu geben, ob Adele Jartour bei ihnen enga- girt, oder ob sie wüßten, wo dieselbe sonst sei?
Umgehend lief die Erwiederung des Sekretairs ein: seine Direktion kenne und achte das allgemein anerkannte Talent der Demoiselle Jartour noch von ihrem früheren Engagement in Paris und müsse sehr bedauern, über ihren gegenwärtigen Aufenthalt nichts zu wissen, weil man bereit sei, ihr die vortheilhafte- sten Anträge zu stellen.
Nun war die letzte Hoffnung dahin. Adele war ihm verloren; sie wollte es ihm sein. Das begriff er endlich. Sie war geflohen, vor ihrer eigenen Liebe zu ihm, ehe noch seine dankbare Freundschaft für sie, sich in Liebe verwandeln können! Je tiefer über dieses Weib er nachsann, desto höher wuchs seine Achtung, desto wärmer aber auch wurde seine Sehnsucht. -- Wie wir uns denn leider nach dem Unerreichbaren am Meisten sehnen, wir armen Menschen. Wie wir auch im Glück, im Genusse der Gegenwart immer noch etwas vermissen, was uns eben auch nicht befrie- digen würde, wenn es da wäre! Viele Dichter haben diese Sehnsucht, die auf Erden kein Ziel findet, besun- gen; am einfachsten aber und darum nach unserer
ſich an Franconi’s, mit der bittenden Frage, ihm Nachricht zu geben, ob Adele Jartour bei ihnen enga- girt, oder ob ſie wuͤßten, wo dieſelbe ſonſt ſei?
Umgehend lief die Erwiederung des Sekretairs ein: ſeine Direktion kenne und achte das allgemein anerkannte Talent der Demoiſelle Jartour noch von ihrem fruͤheren Engagement in Paris und muͤſſe ſehr bedauern, uͤber ihren gegenwaͤrtigen Aufenthalt nichts zu wiſſen, weil man bereit ſei, ihr die vortheilhafte- ſten Antraͤge zu ſtellen.
Nun war die letzte Hoffnung dahin. Adele war ihm verloren; ſie wollte es ihm ſein. Das begriff er endlich. Sie war geflohen, vor ihrer eigenen Liebe zu ihm, ehe noch ſeine dankbare Freundſchaft fuͤr ſie, ſich in Liebe verwandeln koͤnnen! Je tiefer uͤber dieſes Weib er nachſann, deſto hoͤher wuchs ſeine Achtung, deſto waͤrmer aber auch wurde ſeine Sehnſucht. — Wie wir uns denn leider nach dem Unerreichbaren am Meiſten ſehnen, wir armen Menſchen. Wie wir auch im Gluͤck, im Genuſſe der Gegenwart immer noch etwas vermiſſen, was uns eben auch nicht befrie- digen wuͤrde, wenn es da waͤre! Viele Dichter haben dieſe Sehnſucht, die auf Erden kein Ziel findet, beſun- gen; am einfachſten aber und darum nach unſerer
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ſich an Franconi’s, mit der bittenden Frage, ihm
Nachricht zu geben, ob Adele Jartour bei ihnen enga-
girt, oder ob ſie wuͤßten, wo dieſelbe ſonſt ſei?
Umgehend lief die Erwiederung des Sekretairs
ein: ſeine Direktion kenne und achte das allgemein
anerkannte Talent der Demoiſelle Jartour noch von
ihrem fruͤheren Engagement in Paris und muͤſſe ſehr
bedauern, uͤber ihren gegenwaͤrtigen Aufenthalt nichts
zu wiſſen, weil man bereit ſei, ihr die vortheilhafte-
ſten Antraͤge zu ſtellen.
Nun war die letzte Hoffnung dahin. Adele war
ihm verloren; ſie wollte es ihm ſein. Das begriff
er endlich. Sie war geflohen, vor ihrer eigenen Liebe
zu ihm, ehe noch ſeine dankbare Freundſchaft fuͤr ſie,
ſich in Liebe verwandeln koͤnnen! Je tiefer uͤber dieſes
Weib er nachſann, deſto hoͤher wuchs ſeine Achtung,
deſto waͤrmer aber auch wurde ſeine Sehnſucht. —
Wie wir uns denn leider nach dem Unerreichbaren
am Meiſten ſehnen, wir armen Menſchen. Wie wir
auch im Gluͤck, im Genuſſe der Gegenwart immer
noch etwas vermiſſen, was uns eben auch nicht befrie-
digen wuͤrde, wenn es da waͤre! Viele Dichter haben
dieſe Sehnſucht, die auf Erden kein Ziel findet, beſun-
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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 2. Breslau, 1852, S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden02_1852/172>, abgerufen am 21.11.2024.
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