Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 2. Breslau, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

Das geräuschvolle Toben aus dem Cirkus kontrastirte
so wunderlich mit der leeren Ankleidekammer, die
selten und nur ausnahmsweise für Einen allein offen
stand. Er betrachtete sein Kostum, wie das eines
Fremden: Bin ich es denn, der also aufgeputzt vor
Tausenden jetzt eben sein Probestück ablegte? -- Mein
Gott, wenn sie das zu Hause wüßten! -- Oder wenn
die Großmutter das erlebt hätte? -- Und was würde
Ottilie.....

Die Garderobenthür knarrte. Anton vermuthete
Laura eintreten zu sehen. Er sah Madame Adelaide.

Erst jetzt, aus seiner träumerischen Zerstreuung
aufgeweckt, bemerkte er, daß er, ohne es zu wissen,
seine bürgerliche Kleidung noch nicht angelegt.

Bravo, Antoine, rief die Eintretende, die nicht
im Mindesten über den befremdenden Anblick erstaunt
und noch weniger durch denselben erschreckt schien.
Bravo, mein Junge, Du versprichst!

"Und was er verspricht, pflegt er zu halten; des-
halb ziemt es sich, mit Versprechungen sparsam zu
sein. Nicht wahr, mein Freund?" Mit diesen Wor-
ten hatte sich Laura zwischen die Direktrize und ihn
gepflanzt, ohne daß die Letztere den Eintritt der
Gegnerin geahnet.

Das geraͤuſchvolle Toben aus dem Cirkus kontraſtirte
ſo wunderlich mit der leeren Ankleidekammer, die
ſelten und nur ausnahmsweiſe fuͤr Einen allein offen
ſtand. Er betrachtete ſein Koſtum, wie das eines
Fremden: Bin ich es denn, der alſo aufgeputzt vor
Tauſenden jetzt eben ſein Probeſtuͤck ablegte? — Mein
Gott, wenn ſie das zu Hauſe wuͤßten! — Oder wenn
die Großmutter das erlebt haͤtte? — Und was wuͤrde
Ottilie.....

Die Garderobenthuͤr knarrte. Anton vermuthete
Laura eintreten zu ſehen. Er ſah Madame Adelaide.

Erſt jetzt, aus ſeiner traͤumeriſchen Zerſtreuung
aufgeweckt, bemerkte er, daß er, ohne es zu wiſſen,
ſeine buͤrgerliche Kleidung noch nicht angelegt.

Bravo, Antoine, rief die Eintretende, die nicht
im Mindeſten uͤber den befremdenden Anblick erſtaunt
und noch weniger durch denſelben erſchreckt ſchien.
Bravo, mein Junge, Du verſprichſt!

„Und was er verſpricht, pflegt er zu halten; des-
halb ziemt es ſich, mit Verſprechungen ſparſam zu
ſein. Nicht wahr, mein Freund?“ Mit dieſen Wor-
ten hatte ſich Laura zwiſchen die Direktrize und ihn
gepflanzt, ohne daß die Letztere den Eintritt der
Gegnerin geahnet.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0015" n="13"/>
Das gera&#x0364;u&#x017F;chvolle Toben aus dem Cirkus kontra&#x017F;tirte<lb/>
&#x017F;o wunderlich mit der leeren Ankleidekammer, die<lb/>
&#x017F;elten und nur ausnahmswei&#x017F;e fu&#x0364;r Einen allein offen<lb/>
&#x017F;tand. Er betrachtete &#x017F;ein Ko&#x017F;tum, wie das eines<lb/>
Fremden: <hi rendition="#g">Bin</hi> ich es denn, der al&#x017F;o aufgeputzt vor<lb/>
Tau&#x017F;enden jetzt eben &#x017F;ein Probe&#x017F;tu&#x0364;ck ablegte? &#x2014; Mein<lb/>
Gott, wenn &#x017F;ie das zu Hau&#x017F;e wu&#x0364;ßten! &#x2014; Oder wenn<lb/>
die Großmutter das erlebt ha&#x0364;tte? &#x2014; Und was wu&#x0364;rde<lb/>
Ottilie.....</p><lb/>
        <p>Die Garderobenthu&#x0364;r knarrte. Anton vermuthete<lb/>
Laura eintreten zu &#x017F;ehen. Er &#x017F;ah Madame Adelaide.</p><lb/>
        <p>Er&#x017F;t jetzt, aus &#x017F;einer tra&#x0364;umeri&#x017F;chen Zer&#x017F;treuung<lb/>
aufgeweckt, bemerkte er, daß er, ohne es zu wi&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
&#x017F;eine bu&#x0364;rgerliche Kleidung noch nicht angelegt.</p><lb/>
        <p>Bravo, Antoine, rief die Eintretende, die nicht<lb/>
im Minde&#x017F;ten u&#x0364;ber den befremdenden Anblick er&#x017F;taunt<lb/>
und noch weniger durch den&#x017F;elben er&#x017F;chreckt &#x017F;chien.<lb/>
Bravo, mein Junge, Du ver&#x017F;prich&#x017F;t!</p><lb/>
        <p>&#x201E;Und was er ver&#x017F;pricht, pflegt er zu halten; des-<lb/>
halb ziemt es &#x017F;ich, mit Ver&#x017F;prechungen &#x017F;par&#x017F;am zu<lb/>
&#x017F;ein. Nicht wahr, mein Freund?&#x201C; Mit die&#x017F;en Wor-<lb/>
ten hatte &#x017F;ich Laura zwi&#x017F;chen die Direktrize und ihn<lb/>
gepflanzt, ohne daß die Letztere den Eintritt der<lb/>
Gegnerin geahnet.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[13/0015] Das geraͤuſchvolle Toben aus dem Cirkus kontraſtirte ſo wunderlich mit der leeren Ankleidekammer, die ſelten und nur ausnahmsweiſe fuͤr Einen allein offen ſtand. Er betrachtete ſein Koſtum, wie das eines Fremden: Bin ich es denn, der alſo aufgeputzt vor Tauſenden jetzt eben ſein Probeſtuͤck ablegte? — Mein Gott, wenn ſie das zu Hauſe wuͤßten! — Oder wenn die Großmutter das erlebt haͤtte? — Und was wuͤrde Ottilie..... Die Garderobenthuͤr knarrte. Anton vermuthete Laura eintreten zu ſehen. Er ſah Madame Adelaide. Erſt jetzt, aus ſeiner traͤumeriſchen Zerſtreuung aufgeweckt, bemerkte er, daß er, ohne es zu wiſſen, ſeine buͤrgerliche Kleidung noch nicht angelegt. Bravo, Antoine, rief die Eintretende, die nicht im Mindeſten uͤber den befremdenden Anblick erſtaunt und noch weniger durch denſelben erſchreckt ſchien. Bravo, mein Junge, Du verſprichſt! „Und was er verſpricht, pflegt er zu halten; des- halb ziemt es ſich, mit Verſprechungen ſparſam zu ſein. Nicht wahr, mein Freund?“ Mit dieſen Wor- ten hatte ſich Laura zwiſchen die Direktrize und ihn gepflanzt, ohne daß die Letztere den Eintritt der Gegnerin geahnet.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden02_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden02_1852/15
Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 2. Breslau, 1852, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden02_1852/15>, abgerufen am 03.12.2024.