breit, und er fiel! Da vernahm er durch Trompeten- und Posaunen-Geschmetter ein lautes: courage, mon ami! -- und er hielt sich. Nicht vergebens hatte Laura's Kennerblick seine Haltung geregelt; hatte sie ihm eine Reihe edler Stellungen einstudirt, wie sie solche als junges Mädchen bei Franconi's und Astley's besten Mitgliedern gesehen. Jn dem Ver- folge dieser Stellungen lag Berechnung und Zusam- menhang. Während Anton mit der Rechten den Bogen, mit der Linken die Violine hielt, nahm er abwechselnd bald mit einem, bald mit dem anderen Fuße die Spitze des Sattels, wobei der Oberkörper sich in den zierlichsten Wendungen nach dieser oder jener Seite neigte, ohne doch jemals die männliche Kraft aufzugeben. Jede neu-veränderte Stellung wollte immer nur für einen Versuch gelten, den rich- tigeren und bequemeren Platz zu erringen, der für das Geigenspiel passend sei. Man könnte nichts Anmu- thigeres sehen, als dieses Spiel mit dem Spiele; dieses Ringen nach einem Nichts. Von Verzagtheit des Schülers blieb keine Spur.
Die Kunstreiter, Groß und Klein, zusammenge- drängt bei der Thür, welche zu den Pferdeställen führt, konnten nicht umhin, seinen Muth zu loben
breit, und er fiel! Da vernahm er durch Trompeten- und Poſaunen-Geſchmetter ein lautes: courage, mon ami! — und er hielt ſich. Nicht vergebens hatte Laura’s Kennerblick ſeine Haltung geregelt; hatte ſie ihm eine Reihe edler Stellungen einſtudirt, wie ſie ſolche als junges Maͤdchen bei Franconi’s und Aſtley’s beſten Mitgliedern geſehen. Jn dem Ver- folge dieſer Stellungen lag Berechnung und Zuſam- menhang. Waͤhrend Anton mit der Rechten den Bogen, mit der Linken die Violine hielt, nahm er abwechſelnd bald mit einem, bald mit dem anderen Fuße die Spitze des Sattels, wobei der Oberkoͤrper ſich in den zierlichſten Wendungen nach dieſer oder jener Seite neigte, ohne doch jemals die maͤnnliche Kraft aufzugeben. Jede neu-veraͤnderte Stellung wollte immer nur fuͤr einen Verſuch gelten, den rich- tigeren und bequemeren Platz zu erringen, der fuͤr das Geigenſpiel paſſend ſei. Man koͤnnte nichts Anmu- thigeres ſehen, als dieſes Spiel mit dem Spiele; dieſes Ringen nach einem Nichts. Von Verzagtheit des Schuͤlers blieb keine Spur.
Die Kunſtreiter, Groß und Klein, zuſammenge- draͤngt bei der Thuͤr, welche zu den Pferdeſtaͤllen fuͤhrt, konnten nicht umhin, ſeinen Muth zu loben
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0012"n="10"/>
breit, und er fiel! Da vernahm er durch Trompeten-<lb/>
und Poſaunen-Geſchmetter ein lautes: <hirendition="#aq">courage,<lb/>
mon ami!</hi>— und er hielt ſich. Nicht vergebens<lb/>
hatte Laura’s Kennerblick ſeine Haltung geregelt;<lb/>
hatte ſie ihm eine Reihe edler Stellungen einſtudirt,<lb/>
wie ſie ſolche als junges Maͤdchen bei Franconi’s und<lb/>
Aſtley’s beſten Mitgliedern geſehen. Jn dem Ver-<lb/>
folge dieſer Stellungen lag Berechnung und Zuſam-<lb/>
menhang. Waͤhrend Anton mit der Rechten den<lb/>
Bogen, mit der Linken die Violine hielt, nahm er<lb/>
abwechſelnd bald mit einem, bald mit dem anderen<lb/>
Fuße die Spitze des Sattels, wobei der Oberkoͤrper<lb/>ſich in den zierlichſten Wendungen nach dieſer oder<lb/>
jener Seite neigte, ohne doch jemals die maͤnnliche<lb/>
Kraft aufzugeben. Jede neu-veraͤnderte Stellung<lb/>
wollte immer nur fuͤr einen Verſuch gelten, den rich-<lb/>
tigeren und bequemeren Platz zu erringen, der fuͤr das<lb/>
Geigenſpiel paſſend ſei. Man koͤnnte nichts Anmu-<lb/>
thigeres ſehen, als dieſes Spiel mit dem Spiele;<lb/>
dieſes Ringen nach einem Nichts. Von Verzagtheit<lb/>
des Schuͤlers blieb keine Spur.</p><lb/><p>Die Kunſtreiter, Groß und Klein, zuſammenge-<lb/>
draͤngt bei der Thuͤr, welche zu den Pferdeſtaͤllen<lb/>
fuͤhrt, konnten nicht umhin, ſeinen Muth zu loben<lb/></p></div></body></text></TEI>
[10/0012]
breit, und er fiel! Da vernahm er durch Trompeten-
und Poſaunen-Geſchmetter ein lautes: courage,
mon ami! — und er hielt ſich. Nicht vergebens
hatte Laura’s Kennerblick ſeine Haltung geregelt;
hatte ſie ihm eine Reihe edler Stellungen einſtudirt,
wie ſie ſolche als junges Maͤdchen bei Franconi’s und
Aſtley’s beſten Mitgliedern geſehen. Jn dem Ver-
folge dieſer Stellungen lag Berechnung und Zuſam-
menhang. Waͤhrend Anton mit der Rechten den
Bogen, mit der Linken die Violine hielt, nahm er
abwechſelnd bald mit einem, bald mit dem anderen
Fuße die Spitze des Sattels, wobei der Oberkoͤrper
ſich in den zierlichſten Wendungen nach dieſer oder
jener Seite neigte, ohne doch jemals die maͤnnliche
Kraft aufzugeben. Jede neu-veraͤnderte Stellung
wollte immer nur fuͤr einen Verſuch gelten, den rich-
tigeren und bequemeren Platz zu erringen, der fuͤr das
Geigenſpiel paſſend ſei. Man koͤnnte nichts Anmu-
thigeres ſehen, als dieſes Spiel mit dem Spiele;
dieſes Ringen nach einem Nichts. Von Verzagtheit
des Schuͤlers blieb keine Spur.
Die Kunſtreiter, Groß und Klein, zuſammenge-
draͤngt bei der Thuͤr, welche zu den Pferdeſtaͤllen
fuͤhrt, konnten nicht umhin, ſeinen Muth zu loben
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 2. Breslau, 1852, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden02_1852/12>, abgerufen am 18.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.