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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852.

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Mich rufen? Wenn Du im Sterben lägest? Wie
wolltest Du das anfangen?

"Das lass' meine Sorge sein. Jch bin ein halber
Zigeuner; kann ein Bissel hexen. Du wirst gerufen
werden -- und damit gut. Jetzt leb' wohl. Jch geh'
allein aus dem Walde, damit Dich niemand mit mir
reden sieht. Will Dir die Schande nicht anthun.
Auf dem Schlosse möchten sie Dir den Umgang mit
mir übel anrechnen. Leb' wohl, -- bis zum Tode!"

Ehe noch Anton ein Wort der Entgegnung gefun-
den, auf diesen gewaltsamen Abschied, war Wolfgang
schon im dichten Gebüsch verschwunden. Unser jun-
ger Freund blieb sich und seinem Nachdenken über-
lassen. Er verglich sein Schicksal mit dem des unse-
ligen Landstreichers und mußte zugeben, daß es, gegen
jenes gehalten, ein beneidenswerthes sei. Doch dann
verglich er ihre Väter: Wolfgangs Vater war ein
roher, rauher Kerl, das ist richtig; sagte er zu sich
selbst. Doch wird er es auch wohl von Kindheit auf
nicht anders gesehen haben und gelernt, so wenig als
sein armer Sohn. Folglich darf man von ihm nichts
Besonderes verlangen. Mein Vater jedoch ist vor-
nehmer Leute Kind, und reich, und ein gebildeter
junger Herr gewesen, und hat meine Mutter dennoch

Mich rufen? Wenn Du im Sterben laͤgeſt? Wie
wollteſt Du das anfangen?

„Das laſſ’ meine Sorge ſein. Jch bin ein halber
Zigeuner; kann ein Biſſel hexen. Du wirſt gerufen
werden — und damit gut. Jetzt leb’ wohl. Jch geh’
allein aus dem Walde, damit Dich niemand mit mir
reden ſieht. Will Dir die Schande nicht anthun.
Auf dem Schloſſe moͤchten ſie Dir den Umgang mit
mir uͤbel anrechnen. Leb’ wohl, — bis zum Tode!“

Ehe noch Anton ein Wort der Entgegnung gefun-
den, auf dieſen gewaltſamen Abſchied, war Wolfgang
ſchon im dichten Gebuͤſch verſchwunden. Unſer jun-
ger Freund blieb ſich und ſeinem Nachdenken uͤber-
laſſen. Er verglich ſein Schickſal mit dem des unſe-
ligen Landſtreichers und mußte zugeben, daß es, gegen
jenes gehalten, ein beneidenswerthes ſei. Doch dann
verglich er ihre Vaͤter: Wolfgangs Vater war ein
roher, rauher Kerl, das iſt richtig; ſagte er zu ſich
ſelbſt. Doch wird er es auch wohl von Kindheit auf
nicht anders geſehen haben und gelernt, ſo wenig als
ſein armer Sohn. Folglich darf man von ihm nichts
Beſonderes verlangen. Mein Vater jedoch iſt vor-
nehmer Leute Kind, und reich, und ein gebildeter
junger Herr geweſen, und hat meine Mutter dennoch

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[40/0056] Mich rufen? Wenn Du im Sterben laͤgeſt? Wie wollteſt Du das anfangen? „Das laſſ’ meine Sorge ſein. Jch bin ein halber Zigeuner; kann ein Biſſel hexen. Du wirſt gerufen werden — und damit gut. Jetzt leb’ wohl. Jch geh’ allein aus dem Walde, damit Dich niemand mit mir reden ſieht. Will Dir die Schande nicht anthun. Auf dem Schloſſe moͤchten ſie Dir den Umgang mit mir uͤbel anrechnen. Leb’ wohl, — bis zum Tode!“ Ehe noch Anton ein Wort der Entgegnung gefun- den, auf dieſen gewaltſamen Abſchied, war Wolfgang ſchon im dichten Gebuͤſch verſchwunden. Unſer jun- ger Freund blieb ſich und ſeinem Nachdenken uͤber- laſſen. Er verglich ſein Schickſal mit dem des unſe- ligen Landſtreichers und mußte zugeben, daß es, gegen jenes gehalten, ein beneidenswerthes ſei. Doch dann verglich er ihre Vaͤter: Wolfgangs Vater war ein roher, rauher Kerl, das iſt richtig; ſagte er zu ſich ſelbſt. Doch wird er es auch wohl von Kindheit auf nicht anders geſehen haben und gelernt, ſo wenig als ſein armer Sohn. Folglich darf man von ihm nichts Beſonderes verlangen. Mein Vater jedoch iſt vor- nehmer Leute Kind, und reich, und ein gebildeter junger Herr geweſen, und hat meine Mutter dennoch

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Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/56>, abgerufen am 22.11.2024.