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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852.

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Anton's Zustand war fürchterlich. Er hörte das
Jammergebrüll der eingekerkerten Thiere, ohne sich
ihnen hülfreich nähern zu können. Nur der Gedanke
daran wäre Wahnsinn gewesen. Ueber den dicht im
Hofraum zusammengedrängten Lastwagen schlug die
funkensprühende Lohe von drei Seiten empor, daß sie
ein glühendes Dach darüber bildete. Wahrscheinlich
hatte, während Wirthsleute und Reisende schliefen,
während Anton mit Laura von Frühling und grünen
Wiesen träumte, der Brand sich durch die Wagenburg
selbst nach der anderen Seite des Hofes gewunden;
und das war ihm leicht geworden, weil nicht nur alle
Käfige dicht voll Stroh gestopft, sondern auch mit
diesem überall umhergeworfen, so daß der ganze Erd-
boden davon bedeckt war.

Mitten in das Grausen, welches Anton erfüllte,
bei den Martern so schöner Thiere, bei dem Unglück
ihres Verlustes, trat ihm gleich einer Rache-Göttin
das Bild der Frau vor die Seele, die durch seine
Schuld ihr Eigenthum, ihr Vermögen einbüßen und
vielleicht, -- während er und die Tochter das Leben
gerettet, -- verbrennen mußte!? Diese gräßliche Be-
fürchtung schreckte ihn auf aus dem starren Stumpf-
sinn, womit er anfänglich dem Brande zugesehen.

21 *

Anton’s Zuſtand war fuͤrchterlich. Er hoͤrte das
Jammergebruͤll der eingekerkerten Thiere, ohne ſich
ihnen huͤlfreich naͤhern zu koͤnnen. Nur der Gedanke
daran waͤre Wahnſinn geweſen. Ueber den dicht im
Hofraum zuſammengedraͤngten Laſtwagen ſchlug die
funkenſpruͤhende Lohe von drei Seiten empor, daß ſie
ein gluͤhendes Dach daruͤber bildete. Wahrſcheinlich
hatte, waͤhrend Wirthsleute und Reiſende ſchliefen,
waͤhrend Anton mit Laura von Fruͤhling und gruͤnen
Wieſen traͤumte, der Brand ſich durch die Wagenburg
ſelbſt nach der anderen Seite des Hofes gewunden;
und das war ihm leicht geworden, weil nicht nur alle
Kaͤfige dicht voll Stroh geſtopft, ſondern auch mit
dieſem uͤberall umhergeworfen, ſo daß der ganze Erd-
boden davon bedeckt war.

Mitten in das Grauſen, welches Anton erfuͤllte,
bei den Martern ſo ſchoͤner Thiere, bei dem Ungluͤck
ihres Verluſtes, trat ihm gleich einer Rache-Goͤttin
das Bild der Frau vor die Seele, die durch ſeine
Schuld ihr Eigenthum, ihr Vermoͤgen einbuͤßen und
vielleicht, — waͤhrend er und die Tochter das Leben
gerettet, — verbrennen mußte!? Dieſe graͤßliche Be-
fuͤrchtung ſchreckte ihn auf aus dem ſtarren Stumpf-
ſinn, womit er anfaͤnglich dem Brande zugeſehen.

21 *
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[323/0339] Anton’s Zuſtand war fuͤrchterlich. Er hoͤrte das Jammergebruͤll der eingekerkerten Thiere, ohne ſich ihnen huͤlfreich naͤhern zu koͤnnen. Nur der Gedanke daran waͤre Wahnſinn geweſen. Ueber den dicht im Hofraum zuſammengedraͤngten Laſtwagen ſchlug die funkenſpruͤhende Lohe von drei Seiten empor, daß ſie ein gluͤhendes Dach daruͤber bildete. Wahrſcheinlich hatte, waͤhrend Wirthsleute und Reiſende ſchliefen, waͤhrend Anton mit Laura von Fruͤhling und gruͤnen Wieſen traͤumte, der Brand ſich durch die Wagenburg ſelbſt nach der anderen Seite des Hofes gewunden; und das war ihm leicht geworden, weil nicht nur alle Kaͤfige dicht voll Stroh geſtopft, ſondern auch mit dieſem uͤberall umhergeworfen, ſo daß der ganze Erd- boden davon bedeckt war. Mitten in das Grauſen, welches Anton erfuͤllte, bei den Martern ſo ſchoͤner Thiere, bei dem Ungluͤck ihres Verluſtes, trat ihm gleich einer Rache-Goͤttin das Bild der Frau vor die Seele, die durch ſeine Schuld ihr Eigenthum, ihr Vermoͤgen einbuͤßen und vielleicht, — waͤhrend er und die Tochter das Leben gerettet, — verbrennen mußte!? Dieſe graͤßliche Be- fuͤrchtung ſchreckte ihn auf aus dem ſtarren Stumpf- ſinn, womit er anfaͤnglich dem Brande zugeſehen. 21 *

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Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852, S. 323. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/339>, abgerufen am 24.11.2024.