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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852.

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Sie erholte sich bald. Als er ihr Dank stammeln
wollte, gebot sie ihm Schweigen, reichte ihm ihre
Rechte, forderte jedoch seine Linke, betrachtete dieselbe
forschend und nachdem sie sich überzeugt, daß keine
Verletzung stattgefunden, sagte sie: wär' es doch gar
zu Schade gewesen, um Finger, welche den Saiten
so zitternde Töne zu entlocken verstehen! Künftig sein
Sie vorsichtig: mit reißenden Thieren und koketten
Weibern kann ein junger Mann gar nicht vorsichtig
genug sein. Und dann, fuhr sie fort, seine Hand noch
immer fest haltend, geben Sie mir ein Versprechen:
Das ist, mit niemand zu reden von dem, was jetzt
hier geschehen ist; keine Silbe! Hören Sie wohl?
Auch mit meiner Mutter nicht.

Als Anton schweigend und sich neigend bejahte,
spürte er einen kurzen, doch kräftigen Druck jener
Hand, welche die seinige hielt. Bevor er ihn erwie-
dern können, waren beide Hände getrennt und Laura
schied, -- ohne sich im Fortgehen nach ihm umzu-
blicken.

"Mit niemand soll ich davon reden? Gut! Aber
warum nicht? Damit meine Unvorsichtigkeit nicht
kund werde? Was thut mir das? Die Andern wissen
längst, daß ich und der Tiger auf gespanntem Fuß

Sie erholte ſich bald. Als er ihr Dank ſtammeln
wollte, gebot ſie ihm Schweigen, reichte ihm ihre
Rechte, forderte jedoch ſeine Linke, betrachtete dieſelbe
forſchend und nachdem ſie ſich uͤberzeugt, daß keine
Verletzung ſtattgefunden, ſagte ſie: waͤr’ es doch gar
zu Schade geweſen, um Finger, welche den Saiten
ſo zitternde Toͤne zu entlocken verſtehen! Kuͤnftig ſein
Sie vorſichtig: mit reißenden Thieren und koketten
Weibern kann ein junger Mann gar nicht vorſichtig
genug ſein. Und dann, fuhr ſie fort, ſeine Hand noch
immer feſt haltend, geben Sie mir ein Verſprechen:
Das iſt, mit niemand zu reden von dem, was jetzt
hier geſchehen iſt; keine Silbe! Hoͤren Sie wohl?
Auch mit meiner Mutter nicht.

Als Anton ſchweigend und ſich neigend bejahte,
ſpuͤrte er einen kurzen, doch kraͤftigen Druck jener
Hand, welche die ſeinige hielt. Bevor er ihn erwie-
dern koͤnnen, waren beide Haͤnde getrennt und Laura
ſchied, — ohne ſich im Fortgehen nach ihm umzu-
blicken.

„Mit niemand ſoll ich davon reden? Gut! Aber
warum nicht? Damit meine Unvorſichtigkeit nicht
kund werde? Was thut mir das? Die Andern wiſſen
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[274/0290] Sie erholte ſich bald. Als er ihr Dank ſtammeln wollte, gebot ſie ihm Schweigen, reichte ihm ihre Rechte, forderte jedoch ſeine Linke, betrachtete dieſelbe forſchend und nachdem ſie ſich uͤberzeugt, daß keine Verletzung ſtattgefunden, ſagte ſie: waͤr’ es doch gar zu Schade geweſen, um Finger, welche den Saiten ſo zitternde Toͤne zu entlocken verſtehen! Kuͤnftig ſein Sie vorſichtig: mit reißenden Thieren und koketten Weibern kann ein junger Mann gar nicht vorſichtig genug ſein. Und dann, fuhr ſie fort, ſeine Hand noch immer feſt haltend, geben Sie mir ein Verſprechen: Das iſt, mit niemand zu reden von dem, was jetzt hier geſchehen iſt; keine Silbe! Hoͤren Sie wohl? Auch mit meiner Mutter nicht. Als Anton ſchweigend und ſich neigend bejahte, ſpuͤrte er einen kurzen, doch kraͤftigen Druck jener Hand, welche die ſeinige hielt. Bevor er ihn erwie- dern koͤnnen, waren beide Haͤnde getrennt und Laura ſchied, — ohne ſich im Fortgehen nach ihm umzu- blicken. „Mit niemand ſoll ich davon reden? Gut! Aber warum nicht? Damit meine Unvorſichtigkeit nicht kund werde? Was thut mir das? Die Andern wiſſen laͤngſt, daß ich und der Tiger auf geſpanntem Fuß

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Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852, S. 274. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/290>, abgerufen am 17.05.2024.