Muth und Hoffnung zurück. Jch glaube damals ist es gewesen, wo er seine ersten philosophischen Betrach- tungen über die Gebrechlichkeit des irdischen Wesens und über die Abhängigkeit der armen Seele vom menschlichen Leibe anstellte.
Koko, den er grausam vergessen, gab so deutlich zu verstehen, ihm auch sei Erquickung von Nöthen, und sprach seine Bedürfnisse pantomimisch so ver- ständlich aus, daß sein Retter, -- obwohl hoch erstaunt über die fast menschenähnliche Ausbildung des gefie- derten Schützling's, -- ihn Theil nehmen ließ am schwelgerischen Male. Semmel in süßen Milch-Kaffee getaucht, war dem Vogel offenbar bekannte Kost; sie schien ihm geläufig und versetzte ihn in heiterste Laune, die er auch ohne Aufschub durch laute Ergießungen des herzlichsten Gelächters, durch einige gellende Pfiffe und durch unendliche Anrufungen für Lora kund machte.
Die Stammgäste, welche bisher den auf dem grauen Reisebündel grau in grau verschwimmenden grauen Ausländer gar nicht bemerkt, wendeten jetzt ihre Ohren seinen Exklamationen zu, worauf sich unter ihnen ein vertrauliches Gespräch entspann; doch
Muth und Hoffnung zuruͤck. Jch glaube damals iſt es geweſen, wo er ſeine erſten philoſophiſchen Betrach- tungen uͤber die Gebrechlichkeit des irdiſchen Weſens und uͤber die Abhaͤngigkeit der armen Seele vom menſchlichen Leibe anſtellte.
Koko, den er grauſam vergeſſen, gab ſo deutlich zu verſtehen, ihm auch ſei Erquickung von Noͤthen, und ſprach ſeine Beduͤrfniſſe pantomimiſch ſo ver- ſtaͤndlich aus, daß ſein Retter, — obwohl hoch erſtaunt uͤber die faſt menſchenaͤhnliche Ausbildung des gefie- derten Schuͤtzling’s, — ihn Theil nehmen ließ am ſchwelgeriſchen Male. Semmel in ſuͤßen Milch-Kaffee getaucht, war dem Vogel offenbar bekannte Koſt; ſie ſchien ihm gelaͤufig und verſetzte ihn in heiterſte Laune, die er auch ohne Aufſchub durch laute Ergießungen des herzlichſten Gelaͤchters, durch einige gellende Pfiffe und durch unendliche Anrufungen fuͤr Lora kund machte.
Die Stammgaͤſte, welche bisher den auf dem grauen Reiſebuͤndel grau in grau verſchwimmenden grauen Auslaͤnder gar nicht bemerkt, wendeten jetzt ihre Ohren ſeinen Exklamationen zu, worauf ſich unter ihnen ein vertrauliches Geſpraͤch entſpann; doch
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Muth und Hoffnung zuruͤck. Jch glaube damals iſt
es geweſen, wo er ſeine erſten philoſophiſchen Betrach-
tungen uͤber die Gebrechlichkeit des irdiſchen Weſens
und uͤber die Abhaͤngigkeit der armen Seele vom
menſchlichen Leibe anſtellte.
Koko, den er grauſam vergeſſen, gab ſo deutlich
zu verſtehen, ihm auch ſei Erquickung von Noͤthen,
und ſprach ſeine Beduͤrfniſſe pantomimiſch ſo ver-
ſtaͤndlich aus, daß ſein Retter, — obwohl hoch erſtaunt
uͤber die faſt menſchenaͤhnliche Ausbildung des gefie-
derten Schuͤtzling’s, — ihn Theil nehmen ließ am
ſchwelgeriſchen Male. Semmel in ſuͤßen Milch-Kaffee
getaucht, war dem Vogel offenbar bekannte Koſt; ſie
ſchien ihm gelaͤufig und verſetzte ihn in heiterſte Laune,
die er auch ohne Aufſchub durch laute Ergießungen
des herzlichſten Gelaͤchters, durch einige gellende
Pfiffe und durch unendliche Anrufungen fuͤr Lora
kund machte.
Die Stammgaͤſte, welche bisher den auf dem
grauen Reiſebuͤndel grau in grau verſchwimmenden
grauen Auslaͤnder gar nicht bemerkt, wendeten jetzt
ihre Ohren ſeinen Exklamationen zu, worauf ſich
unter ihnen ein vertrauliches Geſpraͤch entſpann; doch
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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852, S. 235. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/251>, abgerufen am 22.11.2024.
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