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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852.

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"Jn's Polen hinein!" war die mürrisch gegebene
Antwort.

Anton schwieg erstaunt. Koko äußerte sein Befrem-
den dadurch, daß er wiederholentlich von Lora sprach
und sodann dem Pech- oder Theer-Kaufmanne ein
Bitteres: "ha, ha" nachsendete.

"Jn's Polen hinein?" Sieh, sieh, liegt Polen
so nah' bei Liebenau? Das hätt' ich wirklich nicht
gedacht. Nun, wer weiß, in Polen kann es sehr schön
sein für junge Anfänger? Die seelige Großmutter
meinte zwar immer, in Polen wäre nicht viel zu holen;
-- aber sie hatte, wie alle Frauen, vorgefaßte Ansich-
ten und Meinungen von der großen Welt. Wie gesagt,
Polen kann sehr schön sein, wenn nur diese Straße
ein kleines Bissel besser wär'!

So schwatzte Anton mit sich selbst, bis Müdigkeit,
Hunger und Regen ihn endlich ermahnten, in einem
Straßen-Wirthshause einzusprechen. Dieser arme,
durchgefrorene Vogel, sagt' er mitleidig, wird auch
was warmes zu sich nehmen wollen. Hier darf ich's
schon wagen: hier kennt mich niemand mehr.

Jst hier -- Gott grüß' euch alle beisamnren! --
ist hier schon Polenland? Mit diesem Gruße trat er
ein, während sich ein junges Schwein eilig zwischen

„Jn’s Polen hinein!“ war die muͤrriſch gegebene
Antwort.

Anton ſchwieg erſtaunt. Koko aͤußerte ſein Befrem-
den dadurch, daß er wiederholentlich von Lora ſprach
und ſodann dem Pech- oder Theer-Kaufmanne ein
Bitteres: „ha, ha“ nachſendete.

„Jn’s Polen hinein?“ Sieh, ſieh, liegt Polen
ſo nah’ bei Liebenau? Das haͤtt’ ich wirklich nicht
gedacht. Nun, wer weiß, in Polen kann es ſehr ſchoͤn
ſein fuͤr junge Anfaͤnger? Die ſeelige Großmutter
meinte zwar immer, in Polen waͤre nicht viel zu holen;
— aber ſie hatte, wie alle Frauen, vorgefaßte Anſich-
ten und Meinungen von der großen Welt. Wie geſagt,
Polen kann ſehr ſchoͤn ſein, wenn nur dieſe Straße
ein kleines Biſſel beſſer waͤr’!

So ſchwatzte Anton mit ſich ſelbſt, bis Muͤdigkeit,
Hunger und Regen ihn endlich ermahnten, in einem
Straßen-Wirthshauſe einzuſprechen. Dieſer arme,
durchgefrorene Vogel, ſagt’ er mitleidig, wird auch
was warmes zu ſich nehmen wollen. Hier darf ich’s
ſchon wagen: hier kennt mich niemand mehr.

Jſt hier — Gott gruͤß’ euch alle beiſamnren! —
iſt hier ſchon Polenland? Mit dieſem Gruße trat er
ein, waͤhrend ſich ein junges Schwein eilig zwiſchen

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[233/0249] „Jn’s Polen hinein!“ war die muͤrriſch gegebene Antwort. Anton ſchwieg erſtaunt. Koko aͤußerte ſein Befrem- den dadurch, daß er wiederholentlich von Lora ſprach und ſodann dem Pech- oder Theer-Kaufmanne ein Bitteres: „ha, ha“ nachſendete. „Jn’s Polen hinein?“ Sieh, ſieh, liegt Polen ſo nah’ bei Liebenau? Das haͤtt’ ich wirklich nicht gedacht. Nun, wer weiß, in Polen kann es ſehr ſchoͤn ſein fuͤr junge Anfaͤnger? Die ſeelige Großmutter meinte zwar immer, in Polen waͤre nicht viel zu holen; — aber ſie hatte, wie alle Frauen, vorgefaßte Anſich- ten und Meinungen von der großen Welt. Wie geſagt, Polen kann ſehr ſchoͤn ſein, wenn nur dieſe Straße ein kleines Biſſel beſſer waͤr’! So ſchwatzte Anton mit ſich ſelbſt, bis Muͤdigkeit, Hunger und Regen ihn endlich ermahnten, in einem Straßen-Wirthshauſe einzuſprechen. Dieſer arme, durchgefrorene Vogel, ſagt’ er mitleidig, wird auch was warmes zu ſich nehmen wollen. Hier darf ich’s ſchon wagen: hier kennt mich niemand mehr. Jſt hier — Gott gruͤß’ euch alle beiſamnren! — iſt hier ſchon Polenland? Mit dieſem Gruße trat er ein, waͤhrend ſich ein junges Schwein eilig zwiſchen

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Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852, S. 233. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/249>, abgerufen am 06.05.2024.