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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852.

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Mitternacht keine Spur mehr vorhanden. Dagegen
machten sich vielfältige Besorgnisse rege: wohin soll
ich mich zunächst wenden? Wird man mir nicht von
Liebenau wie einem Ausreißer nachsetzen? Wovon
werd' ich essen und trinken, wenn mein Geld aus-
gegeben ist? Wie kann ich gute Bekanntschaften
machen, die meinem Fortkommen förderlich sind?
Wird man mich nicht vielleicht für einen Spitzbuben
halten? Und wenn sie mich nun einsperren? Oder sie
schicken mich gar nach Liebenau zurück und der Ku-
rator schlägt mich zur Masse?

Mit derlei fröhlichen Aussichten schmückte Antons
lebhafte Phantasie ihm die ersten Schritte in's neue
Leben aus. Die häßliche Novembernacht that das
ihrige. Auch war seine Last viel zu schwer. Kenner
hätten ihr auf den ersten Blick angesehen, daß ein im
Reisen ungeübter Anfänger diesen Vorrath von
Wäsche und Kleidungsstücken zusammengerollt. Es
drückte ihm den Buckel zusammen, wie seine Be-
sorgnisse ihm die Brust einschnürten. Und all' seiner
kindischen unnützen Angst, daß er verfolgt und ein-
geholt werden könne, zum Trotz, legte er sich im
dicksten Nebel auf den Erdboden, um auszurasten.
Erst nachdem er seinen Nacken von der schweren Last

Mitternacht keine Spur mehr vorhanden. Dagegen
machten ſich vielfaͤltige Beſorgniſſe rege: wohin ſoll
ich mich zunaͤchſt wenden? Wird man mir nicht von
Liebenau wie einem Ausreißer nachſetzen? Wovon
werd’ ich eſſen und trinken, wenn mein Geld aus-
gegeben iſt? Wie kann ich gute Bekanntſchaften
machen, die meinem Fortkommen foͤrderlich ſind?
Wird man mich nicht vielleicht fuͤr einen Spitzbuben
halten? Und wenn ſie mich nun einſperren? Oder ſie
ſchicken mich gar nach Liebenau zuruͤck und der Ku-
rator ſchlaͤgt mich zur Maſſe?

Mit derlei froͤhlichen Ausſichten ſchmuͤckte Antons
lebhafte Phantaſie ihm die erſten Schritte in’s neue
Leben aus. Die haͤßliche Novembernacht that das
ihrige. Auch war ſeine Laſt viel zu ſchwer. Kenner
haͤtten ihr auf den erſten Blick angeſehen, daß ein im
Reiſen ungeuͤbter Anfaͤnger dieſen Vorrath von
Waͤſche und Kleidungsſtuͤcken zuſammengerollt. Es
druͤckte ihm den Buckel zuſammen, wie ſeine Be-
ſorgniſſe ihm die Bruſt einſchnuͤrten. Und all’ ſeiner
kindiſchen unnuͤtzen Angſt, daß er verfolgt und ein-
geholt werden koͤnne, zum Trotz, legte er ſich im
dickſten Nebel auf den Erdboden, um auszuraſten.
Erſt nachdem er ſeinen Nacken von der ſchweren Laſt

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[224/0240] Mitternacht keine Spur mehr vorhanden. Dagegen machten ſich vielfaͤltige Beſorgniſſe rege: wohin ſoll ich mich zunaͤchſt wenden? Wird man mir nicht von Liebenau wie einem Ausreißer nachſetzen? Wovon werd’ ich eſſen und trinken, wenn mein Geld aus- gegeben iſt? Wie kann ich gute Bekanntſchaften machen, die meinem Fortkommen foͤrderlich ſind? Wird man mich nicht vielleicht fuͤr einen Spitzbuben halten? Und wenn ſie mich nun einſperren? Oder ſie ſchicken mich gar nach Liebenau zuruͤck und der Ku- rator ſchlaͤgt mich zur Maſſe? Mit derlei froͤhlichen Ausſichten ſchmuͤckte Antons lebhafte Phantaſie ihm die erſten Schritte in’s neue Leben aus. Die haͤßliche Novembernacht that das ihrige. Auch war ſeine Laſt viel zu ſchwer. Kenner haͤtten ihr auf den erſten Blick angeſehen, daß ein im Reiſen ungeuͤbter Anfaͤnger dieſen Vorrath von Waͤſche und Kleidungsſtuͤcken zuſammengerollt. Es druͤckte ihm den Buckel zuſammen, wie ſeine Be- ſorgniſſe ihm die Bruſt einſchnuͤrten. Und all’ ſeiner kindiſchen unnuͤtzen Angſt, daß er verfolgt und ein- geholt werden koͤnne, zum Trotz, legte er ſich im dickſten Nebel auf den Erdboden, um auszuraſten. Erſt nachdem er ſeinen Nacken von der ſchweren Laſt

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Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852, S. 224. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/240>, abgerufen am 24.11.2024.