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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852.

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Porto, und vier Groschen an Botenlohn, dann mögt
Jhr ihn nehmen, und ich will wünschen, daß viel
Gutes darin stehe. Weit genug ist er her und kommt
aus fremder Herren Landen."

Die Großmutter stand auf, begab sich in ihr
Stübchen, aus welchem sie alsbald mit dem begehrten
Gelde zurückkehrte, den Brief in Empfang nahm und
augenblicklich wieder in's Haus zurück ging.

Der Postbote empfahl sich.

Anton blieb unbeweglich sitzen, wie wenn er ver-
steinert wäre. Die heitere Stimmung, die ihn so
eben erst noch erfüllt, war verschwunden, um einer
bangen, dumpfen Ahnung Platz zu machen. Wie er
vorher kaum zu sagen gewußt, warum er sich glücklich
fühle, hätte er jetzt noch weniger schildern können,
was ihn unglücklich mache. Aber daß er es sei, em-
pfand er. Er empfand den schweren Druck einer
gewitterschwülen Stunde. Und doch lächelte der
Abendhimmel so herbstlich-rein und blau!

An seine Großmutter, ein Brief! -- Aus weiter
Ferne noch dazu, hatte der Bote bemerkt? -- Und
seine Großmutter hieß Hahn, nicht Goksch? Zwar
das kam freilich auf Eines heraus: die Dorfleute

Porto, und vier Groſchen an Botenlohn, dann moͤgt
Jhr ihn nehmen, und ich will wuͤnſchen, daß viel
Gutes darin ſtehe. Weit genug iſt er her und kommt
aus fremder Herren Landen.“

Die Großmutter ſtand auf, begab ſich in ihr
Stuͤbchen, aus welchem ſie alsbald mit dem begehrten
Gelde zuruͤckkehrte, den Brief in Empfang nahm und
augenblicklich wieder in’s Haus zuruͤck ging.

Der Poſtbote empfahl ſich.

Anton blieb unbeweglich ſitzen, wie wenn er ver-
ſteinert waͤre. Die heitere Stimmung, die ihn ſo
eben erſt noch erfuͤllt, war verſchwunden, um einer
bangen, dumpfen Ahnung Platz zu machen. Wie er
vorher kaum zu ſagen gewußt, warum er ſich gluͤcklich
fuͤhle, haͤtte er jetzt noch weniger ſchildern koͤnnen,
was ihn ungluͤcklich mache. Aber daß er es ſei, em-
pfand er. Er empfand den ſchweren Druck einer
gewitterſchwuͤlen Stunde. Und doch laͤchelte der
Abendhimmel ſo herbſtlich-rein und blau!

An ſeine Großmutter, ein Brief! — Aus weiter
Ferne noch dazu, hatte der Bote bemerkt? — Und
ſeine Großmutter hieß Hahn, nicht Gokſch? Zwar
das kam freilich auf Eines heraus: die Dorfleute

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[182/0198] Porto, und vier Groſchen an Botenlohn, dann moͤgt Jhr ihn nehmen, und ich will wuͤnſchen, daß viel Gutes darin ſtehe. Weit genug iſt er her und kommt aus fremder Herren Landen.“ Die Großmutter ſtand auf, begab ſich in ihr Stuͤbchen, aus welchem ſie alsbald mit dem begehrten Gelde zuruͤckkehrte, den Brief in Empfang nahm und augenblicklich wieder in’s Haus zuruͤck ging. Der Poſtbote empfahl ſich. Anton blieb unbeweglich ſitzen, wie wenn er ver- ſteinert waͤre. Die heitere Stimmung, die ihn ſo eben erſt noch erfuͤllt, war verſchwunden, um einer bangen, dumpfen Ahnung Platz zu machen. Wie er vorher kaum zu ſagen gewußt, warum er ſich gluͤcklich fuͤhle, haͤtte er jetzt noch weniger ſchildern koͤnnen, was ihn ungluͤcklich mache. Aber daß er es ſei, em- pfand er. Er empfand den ſchweren Druck einer gewitterſchwuͤlen Stunde. Und doch laͤchelte der Abendhimmel ſo herbſtlich-rein und blau! An ſeine Großmutter, ein Brief! — Aus weiter Ferne noch dazu, hatte der Bote bemerkt? — Und ſeine Großmutter hieß Hahn, nicht Gokſch? Zwar das kam freilich auf Eines heraus: die Dorfleute

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Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852, S. 182. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/198>, abgerufen am 25.11.2024.