Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

"Wo ist mein Kind, Herr van der Helfft? Wo
ist Ottilie?" So schnaubte, sich zornig stellend, der
im Jnnersten überglückliche Vater den hochmüthigen
Jüngling an.

Dieser erwiederte mit der Grazie beleidigter Un-
schuld: Wie ich hoffe, zu dieser Stunde in ihrem
jungfräulichen Bett, Herr Baron. Es sollte mir leid
thun um Sie, wie um Jhr Fräulein, wenn sie ohne
des Vaters Vorwissen sich wo anders befände?

"Sehen Sie dies selbst ein, unwiderstehlicher
Verführer? Dann geben Sie uns Genugthuung:
Erklären Sie meine Tochter Ottilie in Gegenwart
dieser drei Zeugen -- (zwischen den Thürpfosten
regte es sich und die Angerufenen stießen Töne aus)
-- für Jhre verlobte Braut! Sonst bekommt mein
treues Schwert zu thun."

Jch verstehe Jhre Meinung, mein Herr, sagte
Theodor, und ich muß Jhnen, als Vater, vollkommen
Recht geben. Befände sich Jhre Tochter jetzt, nach
Ablauf der Geisterstunde, bei mir in diesen mir ein-
geräumten Gemächern, dann bliebe Jhrem alten,
unbefleckten Adel nichts übrig, als mein Herz zu
durchbohren, oder mich als Sohn an Jhr Herz zu
drücken. Gewiß ziehen Sie das Letztere vor, und aus

„Wo iſt mein Kind, Herr van der Helfft? Wo
iſt Ottilie?“ So ſchnaubte, ſich zornig ſtellend, der
im Jnnerſten uͤbergluͤckliche Vater den hochmuͤthigen
Juͤngling an.

Dieſer erwiederte mit der Grazie beleidigter Un-
ſchuld: Wie ich hoffe, zu dieſer Stunde in ihrem
jungfraͤulichen Bett, Herr Baron. Es ſollte mir leid
thun um Sie, wie um Jhr Fraͤulein, wenn ſie ohne
des Vaters Vorwiſſen ſich wo anders befaͤnde?

„Sehen Sie dies ſelbſt ein, unwiderſtehlicher
Verfuͤhrer? Dann geben Sie uns Genugthuung:
Erklaͤren Sie meine Tochter Ottilie in Gegenwart
dieſer drei Zeugen — (zwiſchen den Thuͤrpfoſten
regte es ſich und die Angerufenen ſtießen Toͤne aus)
— fuͤr Jhre verlobte Braut! Sonſt bekommt mein
treues Schwert zu thun.“

Jch verſtehe Jhre Meinung, mein Herr, ſagte
Theodor, und ich muß Jhnen, als Vater, vollkommen
Recht geben. Befaͤnde ſich Jhre Tochter jetzt, nach
Ablauf der Geiſterſtunde, bei mir in dieſen mir ein-
geraͤumten Gemaͤchern, dann bliebe Jhrem alten,
unbefleckten Adel nichts uͤbrig, als mein Herz zu
durchbohren, oder mich als Sohn an Jhr Herz zu
druͤcken. Gewiß ziehen Sie das Letztere vor, und aus

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0189" n="173"/>
        <p>&#x201E;Wo i&#x017F;t mein Kind, Herr van der Helfft? Wo<lb/>
i&#x017F;t Ottilie?&#x201C; So &#x017F;chnaubte, &#x017F;ich zornig &#x017F;tellend, der<lb/>
im Jnner&#x017F;ten u&#x0364;berglu&#x0364;ckliche Vater den hochmu&#x0364;thigen<lb/>
Ju&#x0364;ngling an.</p><lb/>
        <p>Die&#x017F;er erwiederte mit der Grazie beleidigter Un-<lb/>
&#x017F;chuld: Wie ich hoffe, zu die&#x017F;er Stunde in ihrem<lb/>
jungfra&#x0364;ulichen Bett, Herr Baron. Es &#x017F;ollte mir leid<lb/>
thun um Sie, wie um Jhr Fra&#x0364;ulein, wenn &#x017F;ie ohne<lb/>
des Vaters Vorwi&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich wo anders befa&#x0364;nde?</p><lb/>
        <p>&#x201E;Sehen Sie dies &#x017F;elb&#x017F;t ein, unwider&#x017F;tehlicher<lb/>
Verfu&#x0364;hrer? Dann geben Sie uns Genugthuung:<lb/>
Erkla&#x0364;ren Sie meine Tochter Ottilie in Gegenwart<lb/>
die&#x017F;er drei Zeugen &#x2014; (zwi&#x017F;chen den Thu&#x0364;rpfo&#x017F;ten<lb/>
regte es &#x017F;ich und die Angerufenen &#x017F;tießen To&#x0364;ne aus)<lb/>
&#x2014; fu&#x0364;r Jhre verlobte Braut! Son&#x017F;t bekommt mein<lb/>
treues Schwert zu thun.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Jch ver&#x017F;tehe Jhre Meinung, mein Herr, &#x017F;agte<lb/>
Theodor, und ich muß Jhnen, als Vater, vollkommen<lb/>
Recht geben. Befa&#x0364;nde &#x017F;ich Jhre Tochter jetzt, nach<lb/>
Ablauf der Gei&#x017F;ter&#x017F;tunde, bei mir in die&#x017F;en mir ein-<lb/>
gera&#x0364;umten Gema&#x0364;chern, dann bliebe Jhrem alten,<lb/>
unbefleckten Adel nichts u&#x0364;brig, als <hi rendition="#g">mein</hi> Herz zu<lb/>
durchbohren, oder mich als Sohn an <hi rendition="#g">Jhr</hi> Herz zu<lb/>
dru&#x0364;cken. Gewiß ziehen Sie das Letztere vor, und aus<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[173/0189] „Wo iſt mein Kind, Herr van der Helfft? Wo iſt Ottilie?“ So ſchnaubte, ſich zornig ſtellend, der im Jnnerſten uͤbergluͤckliche Vater den hochmuͤthigen Juͤngling an. Dieſer erwiederte mit der Grazie beleidigter Un- ſchuld: Wie ich hoffe, zu dieſer Stunde in ihrem jungfraͤulichen Bett, Herr Baron. Es ſollte mir leid thun um Sie, wie um Jhr Fraͤulein, wenn ſie ohne des Vaters Vorwiſſen ſich wo anders befaͤnde? „Sehen Sie dies ſelbſt ein, unwiderſtehlicher Verfuͤhrer? Dann geben Sie uns Genugthuung: Erklaͤren Sie meine Tochter Ottilie in Gegenwart dieſer drei Zeugen — (zwiſchen den Thuͤrpfoſten regte es ſich und die Angerufenen ſtießen Toͤne aus) — fuͤr Jhre verlobte Braut! Sonſt bekommt mein treues Schwert zu thun.“ Jch verſtehe Jhre Meinung, mein Herr, ſagte Theodor, und ich muß Jhnen, als Vater, vollkommen Recht geben. Befaͤnde ſich Jhre Tochter jetzt, nach Ablauf der Geiſterſtunde, bei mir in dieſen mir ein- geraͤumten Gemaͤchern, dann bliebe Jhrem alten, unbefleckten Adel nichts uͤbrig, als mein Herz zu durchbohren, oder mich als Sohn an Jhr Herz zu druͤcken. Gewiß ziehen Sie das Letztere vor, und aus

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/189
Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852, S. 173. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/189>, abgerufen am 25.11.2024.