Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

Linz und Miez rümpften ihre Nasen, als welche
sich der nunmehr Vollendete dereinst zum Ziele seiner
Steinwürfe ausersehen und meinten, nicht ohne Grund:
es gäbe Arme genug in Liebenau; für fremde Umher-
treiber reiche ihr Taschengeld nicht aus. Ottilie sagte
halblaut: Hast Du Freundschaft mit dem gehalten?
das macht Dir viel Ehre!

Rubs und Puschel sammt ihren acht Genossen
stellten sich an, wie wenn sie pantomimisch zu ver-
stehen geben wollten, es würde, wende man sie Einen
nach dem Andern um und um, nicht so viel Geld aus
ihren Taschen fallen, daß eine Ratte nur einigermaßen
anständig beerdigt werden könne.

Theodor, welcher eben erst vom schönsten Gast-
Bett aufgestanden, -- (die Uebrigen waren auf gemein-
schaftlicher Streu im Bivouak gewesen!) -- verschla-
fen und gähnend unter sie trat, und die letzten Worte,
die man wechselte, noch vernahm, zog seine Börse
und reichte Anton einige Goldstücke hin. Dieser
winkte ihn bei Seite, flüsterte ihm etwas in's Ohr,
gab das Gold zurück, verbeugte sich und ging.

Jeder der Anwesenden legte diesen stummen Auf-
tritt auf seine Weise aus, keiner jedoch errieth das
Richtige. Am wenigsten Ottilie, welche Anton's

Linz und Miez ruͤmpften ihre Naſen, als welche
ſich der nunmehr Vollendete dereinſt zum Ziele ſeiner
Steinwuͤrfe auserſehen und meinten, nicht ohne Grund:
es gaͤbe Arme genug in Liebenau; fuͤr fremde Umher-
treiber reiche ihr Taſchengeld nicht aus. Ottilie ſagte
halblaut: Haſt Du Freundſchaft mit dem gehalten?
das macht Dir viel Ehre!

Rubs und Puſchel ſammt ihren acht Genoſſen
ſtellten ſich an, wie wenn ſie pantomimiſch zu ver-
ſtehen geben wollten, es wuͤrde, wende man ſie Einen
nach dem Andern um und um, nicht ſo viel Geld aus
ihren Taſchen fallen, daß eine Ratte nur einigermaßen
anſtaͤndig beerdigt werden koͤnne.

Theodor, welcher eben erſt vom ſchoͤnſten Gaſt-
Bett aufgeſtanden, — (die Uebrigen waren auf gemein-
ſchaftlicher Streu im Bivouak geweſen!) — verſchla-
fen und gaͤhnend unter ſie trat, und die letzten Worte,
die man wechſelte, noch vernahm, zog ſeine Boͤrſe
und reichte Anton einige Goldſtuͤcke hin. Dieſer
winkte ihn bei Seite, fluͤſterte ihm etwas in’s Ohr,
gab das Gold zuruͤck, verbeugte ſich und ging.

Jeder der Anweſenden legte dieſen ſtummen Auf-
tritt auf ſeine Weiſe aus, keiner jedoch errieth das
Richtige. Am wenigſten Ottilie, welche Anton’s

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0165" n="149"/>
        <p>Linz und Miez ru&#x0364;mpften ihre Na&#x017F;en, als welche<lb/>
&#x017F;ich der nunmehr Vollendete derein&#x017F;t zum Ziele &#x017F;einer<lb/>
Steinwu&#x0364;rfe auser&#x017F;ehen und meinten, nicht ohne Grund:<lb/>
es ga&#x0364;be Arme genug in Liebenau; fu&#x0364;r fremde Umher-<lb/>
treiber reiche ihr Ta&#x017F;chengeld nicht aus. Ottilie &#x017F;agte<lb/>
halblaut: Ha&#x017F;t Du Freund&#x017F;chaft mit <hi rendition="#g">dem</hi> gehalten?<lb/>
das macht Dir viel Ehre!</p><lb/>
        <p>Rubs und Pu&#x017F;chel &#x017F;ammt ihren acht Geno&#x017F;&#x017F;en<lb/>
&#x017F;tellten &#x017F;ich an, wie wenn &#x017F;ie pantomimi&#x017F;ch zu ver-<lb/>
&#x017F;tehen geben wollten, es wu&#x0364;rde, wende man &#x017F;ie Einen<lb/>
nach dem Andern um und um, nicht &#x017F;o viel Geld aus<lb/>
ihren Ta&#x017F;chen fallen, daß eine Ratte nur einigermaßen<lb/>
an&#x017F;ta&#x0364;ndig beerdigt werden ko&#x0364;nne.</p><lb/>
        <p>Theodor, welcher eben er&#x017F;t vom &#x017F;cho&#x0364;n&#x017F;ten Ga&#x017F;t-<lb/>
Bett aufge&#x017F;tanden, &#x2014; (die Uebrigen waren auf gemein-<lb/>
&#x017F;chaftlicher Streu im Bivouak gewe&#x017F;en!) &#x2014; ver&#x017F;chla-<lb/>
fen und ga&#x0364;hnend unter &#x017F;ie trat, und die letzten Worte,<lb/>
die man wech&#x017F;elte, noch vernahm, zog &#x017F;eine Bo&#x0364;r&#x017F;e<lb/>
und reichte Anton einige Gold&#x017F;tu&#x0364;cke hin. Die&#x017F;er<lb/>
winkte ihn bei Seite, flu&#x0364;&#x017F;terte ihm etwas in&#x2019;s Ohr,<lb/>
gab das Gold zuru&#x0364;ck, verbeugte &#x017F;ich und ging.</p><lb/>
        <p>Jeder der Anwe&#x017F;enden legte die&#x017F;en &#x017F;tummen Auf-<lb/>
tritt auf &#x017F;eine Wei&#x017F;e aus, keiner jedoch errieth das<lb/>
Richtige. Am wenig&#x017F;ten Ottilie, welche Anton&#x2019;s<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[149/0165] Linz und Miez ruͤmpften ihre Naſen, als welche ſich der nunmehr Vollendete dereinſt zum Ziele ſeiner Steinwuͤrfe auserſehen und meinten, nicht ohne Grund: es gaͤbe Arme genug in Liebenau; fuͤr fremde Umher- treiber reiche ihr Taſchengeld nicht aus. Ottilie ſagte halblaut: Haſt Du Freundſchaft mit dem gehalten? das macht Dir viel Ehre! Rubs und Puſchel ſammt ihren acht Genoſſen ſtellten ſich an, wie wenn ſie pantomimiſch zu ver- ſtehen geben wollten, es wuͤrde, wende man ſie Einen nach dem Andern um und um, nicht ſo viel Geld aus ihren Taſchen fallen, daß eine Ratte nur einigermaßen anſtaͤndig beerdigt werden koͤnne. Theodor, welcher eben erſt vom ſchoͤnſten Gaſt- Bett aufgeſtanden, — (die Uebrigen waren auf gemein- ſchaftlicher Streu im Bivouak geweſen!) — verſchla- fen und gaͤhnend unter ſie trat, und die letzten Worte, die man wechſelte, noch vernahm, zog ſeine Boͤrſe und reichte Anton einige Goldſtuͤcke hin. Dieſer winkte ihn bei Seite, fluͤſterte ihm etwas in’s Ohr, gab das Gold zuruͤck, verbeugte ſich und ging. Jeder der Anweſenden legte dieſen ſtummen Auf- tritt auf ſeine Weiſe aus, keiner jedoch errieth das Richtige. Am wenigſten Ottilie, welche Anton’s

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/165
Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/165>, abgerufen am 24.11.2024.