leidlich ausnahm? Und was bedeutete überhaupt das Leben und Treiben dieser Menschen? Jm Umherziehen von Dorf zu Dorf? Jhr ganzes Gewerbe? Was wollten, was sollten sie in der Welt? Welchen Nutzen schafften sie? Gab es viele solche Leute? Gab es ihrer auch in Städten; in Städten, von denen er so vieler- lei gelesen und gehört, deren keine er gesehen? Ei ja wohl, denn Puschel und Rubs erwähnten bisweilen des "Theaters", hatten es, wie Anton sich zu erin- nern meinte, sogar einmal besucht. Also das war das Theater? Aber in der Stadt mußte es anders sein! Größer! Schöner! Und gebildete Spieler dar- auf! Dort würde Wolfgang nicht bestehen, sammt all' seiner Keckheit! Wolfgang, derselbe schwarze Wolfgang, der sich in Brantewein zu Tode sau -- -
Gerade so weit war Anton mit seinen rasch auf- einanderfolgenden, sich gleichsam überstürzenden Ge- danken gediehen, als der nämliche Wolfgang, dem letztere gegolten, hinter einem mit verblichnem Baum- schlag beklecksten Leinwandflügel hervortrat, noch in die bettelhafte Pracht des Dorfkomödianten gehüllt, worin er sich allzusehr gefiel, um sie für's Erste abzu- legen.
Anton wurde durch dies unerwartete Erscheinen
leidlich ausnahm? Und was bedeutete uͤberhaupt das Leben und Treiben dieſer Menſchen? Jm Umherziehen von Dorf zu Dorf? Jhr ganzes Gewerbe? Was wollten, was ſollten ſie in der Welt? Welchen Nutzen ſchafften ſie? Gab es viele ſolche Leute? Gab es ihrer auch in Staͤdten; in Staͤdten, von denen er ſo vieler- lei geleſen und gehoͤrt, deren keine er geſehen? Ei ja wohl, denn Puſchel und Rubs erwaͤhnten bisweilen des „Theaters“, hatten es, wie Anton ſich zu erin- nern meinte, ſogar einmal beſucht. Alſo das war das Theater? Aber in der Stadt mußte es anders ſein! Groͤßer! Schoͤner! Und gebildete Spieler dar- auf! Dort wuͤrde Wolfgang nicht beſtehen, ſammt all’ ſeiner Keckheit! Wolfgang, derſelbe ſchwarze Wolfgang, der ſich in Brantewein zu Tode ſau — ‒
Gerade ſo weit war Anton mit ſeinen raſch auf- einanderfolgenden, ſich gleichſam uͤberſtuͤrzenden Ge- danken gediehen, als der naͤmliche Wolfgang, dem letztere gegolten, hinter einem mit verblichnem Baum- ſchlag bekleckſten Leinwandfluͤgel hervortrat, noch in die bettelhafte Pracht des Dorfkomoͤdianten gehuͤllt, worin er ſich allzuſehr gefiel, um ſie fuͤr’s Erſte abzu- legen.
Anton wurde durch dies unerwartete Erſcheinen
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leidlich ausnahm? Und was bedeutete uͤberhaupt das
Leben und Treiben dieſer Menſchen? Jm Umherziehen
von Dorf zu Dorf? Jhr ganzes Gewerbe? Was
wollten, was ſollten ſie in der Welt? Welchen Nutzen
ſchafften ſie? Gab es viele ſolche Leute? Gab es ihrer
auch in Staͤdten; in Staͤdten, von denen er ſo vieler-
lei geleſen und gehoͤrt, deren keine er geſehen? Ei ja
wohl, denn Puſchel und Rubs erwaͤhnten bisweilen
des „Theaters“, hatten es, wie Anton ſich zu erin-
nern meinte, ſogar einmal beſucht. Alſo das war
das Theater? Aber in der Stadt mußte es anders
ſein! Groͤßer! Schoͤner! Und gebildete Spieler dar-
auf! Dort wuͤrde Wolfgang nicht beſtehen, ſammt
all’ ſeiner Keckheit! Wolfgang, derſelbe ſchwarze
Wolfgang, der ſich in Brantewein zu Tode ſau — ‒
Gerade ſo weit war Anton mit ſeinen raſch auf-
einanderfolgenden, ſich gleichſam uͤberſtuͤrzenden Ge-
danken gediehen, als der naͤmliche Wolfgang, dem
letztere gegolten, hinter einem mit verblichnem Baum-
ſchlag bekleckſten Leinwandfluͤgel hervortrat, noch in
die bettelhafte Pracht des Dorfkomoͤdianten gehuͤllt,
worin er ſich allzuſehr gefiel, um ſie fuͤr’s Erſte abzu-
legen.
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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/125>, abgerufen am 22.11.2024.
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