rere Burschen von verschiedenem Alter, und ein schlankes, seltsam schönes, wenn auch völlig braunes Mädchen, in jugendlicher Kraft und Fülle. Barfuß, nur mit einem dünnen Unterrock und einem bis an den Hals schließenden Hemdchen, beide blendend weiß, bekleidet, trägt sie sich voll natürlicher Anmuth, zeigt bei jedem ihrer Schritte die herrlichste Gestalt und läßt ihr schwarzes Haar sorglos flattern, den brennenden Blick umherwerfend, als ob Dorf und nebenbei auch noch das ganze Land ihr gehörten. Es ist Bärbel, des großen Samuel Schwester. Das Weib mit den Zwillingen ist Samuels Genossin. Die jungen Burschen sind eben da, kaum selbst wissend, ob sie in näherer Beziehung, als jene welche Samuels Peitsche um sie schlingt, zur Familie stehen.
"Zigeuner sind gekommen!" rufen die Nachbarn des Wirthshauses Einer dem Andern zu; denn häufig nennt man in Dörfern alle reisenden Gaukler Zigeu- ner, auch wenn sie aufrichtig-weiße, nur ungewaschene Sprößlinge heimathlichen Bodens wären. Das letz- tere konnte vielleicht von Samuels Weibe und den sie begleitenden Jungen gelten; er selbst aber und noch mehr Bärbel gehörten unzweifelhaft zum Stamme
rere Burſchen von verſchiedenem Alter, und ein ſchlankes, ſeltſam ſchoͤnes, wenn auch voͤllig braunes Maͤdchen, in jugendlicher Kraft und Fuͤlle. Barfuß, nur mit einem duͤnnen Unterrock und einem bis an den Hals ſchließenden Hemdchen, beide blendend weiß, bekleidet, traͤgt ſie ſich voll natuͤrlicher Anmuth, zeigt bei jedem ihrer Schritte die herrlichſte Geſtalt und laͤßt ihr ſchwarzes Haar ſorglos flattern, den brennenden Blick umherwerfend, als ob Dorf und nebenbei auch noch das ganze Land ihr gehoͤrten. Es iſt Baͤrbel, des großen Samuel Schweſter. Das Weib mit den Zwillingen iſt Samuels Genoſſin. Die jungen Burſchen ſind eben da, kaum ſelbſt wiſſend, ob ſie in naͤherer Beziehung, als jene welche Samuels Peitſche um ſie ſchlingt, zur Familie ſtehen.
„Zigeuner ſind gekommen!“ rufen die Nachbarn des Wirthshauſes Einer dem Andern zu; denn haͤufig nennt man in Doͤrfern alle reiſenden Gaukler Zigeu- ner, auch wenn ſie aufrichtig-weiße, nur ungewaſchene Sproͤßlinge heimathlichen Bodens waͤren. Das letz- tere konnte vielleicht von Samuels Weibe und den ſie begleitenden Jungen gelten; er ſelbſt aber und noch mehr Baͤrbel gehoͤrten unzweifelhaft zum Stamme
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rere Burſchen von verſchiedenem Alter, und ein
ſchlankes, ſeltſam ſchoͤnes, wenn auch voͤllig braunes
Maͤdchen, in jugendlicher Kraft und Fuͤlle. Barfuß,
nur mit einem duͤnnen Unterrock und einem bis an
den Hals ſchließenden Hemdchen, beide blendend
weiß, bekleidet, traͤgt ſie ſich voll natuͤrlicher Anmuth,
zeigt bei jedem ihrer Schritte die herrlichſte Geſtalt
und laͤßt ihr ſchwarzes Haar ſorglos flattern, den
brennenden Blick umherwerfend, als ob Dorf und
nebenbei auch noch das ganze Land ihr gehoͤrten. Es
iſt Baͤrbel, des großen Samuel Schweſter. Das
Weib mit den Zwillingen iſt Samuels Genoſſin. Die
jungen Burſchen ſind eben da, kaum ſelbſt wiſſend,
ob ſie in naͤherer Beziehung, als jene welche Samuels
Peitſche um ſie ſchlingt, zur Familie ſtehen.
„Zigeuner ſind gekommen!“ rufen die Nachbarn
des Wirthshauſes Einer dem Andern zu; denn haͤufig
nennt man in Doͤrfern alle reiſenden Gaukler Zigeu-
ner, auch wenn ſie aufrichtig-weiße, nur ungewaſchene
Sproͤßlinge heimathlichen Bodens waͤren. Das letz-
tere konnte vielleicht von Samuels Weibe und den ſie
begleitenden Jungen gelten; er ſelbſt aber und noch
mehr Baͤrbel gehoͤrten unzweifelhaft zum Stamme
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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/110>, abgerufen am 25.11.2024.
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