Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

derholte, meinte die Alte, er fürchte einen Besuch des
Barons, der etwa hinter seine Liebe zu Ottilien ge-
kommen wäre und nun eintreten könne, um ihn höchst
eigenhändig durchzuwalken, wozu die von ihm unzer-
trennliche Karbatsche ein trefflich geeignetes Jnstru-
ment abgab. Auf ihre strengen Fragen über diesen
Punkt entgegnete dann wohl Anton mit lautem Lachen:
Alte, Du bist ein Narr; wo denkst Du hin?

Hernach jedoch verfiel er stets wieder in trüben
Ernst und sang nur wehmüthige Lieder. Seine
Stimme war weich und voll, wie gar selten in so
jungen Jahren.

Nicht umsonst ist er "Eva's" Kind, sagte Mutter
Goksch, -- wider Wissen und Willen zweideutig, --
indem sie der "heidnischen Musik" gedachte.

Von allen wehmüthigen Liedern, die er vortrug,
sang er eines am häufigsten: die drei Reiter waren
es, welche er so oft zum Thore hinaus ziehen und
Abschied nehmen ließ, daß Mutter Goksch behauptete,
die armen Teufel müßten's nun doch bald satt kriegen,
"Ade" zu sagen und zu reiten? Auch fragte sie mehr-
mals angelegentlich, ob er nicht die zerrissenen Saiten
an der Geige herstellen und sie zur Feierabendstunde
darauf begleiten wolle, wenn sie ein christliches Kir-

derholte, meinte die Alte, er fuͤrchte einen Beſuch des
Barons, der etwa hinter ſeine Liebe zu Ottilien ge-
kommen waͤre und nun eintreten koͤnne, um ihn hoͤchſt
eigenhaͤndig durchzuwalken, wozu die von ihm unzer-
trennliche Karbatſche ein trefflich geeignetes Jnſtru-
ment abgab. Auf ihre ſtrengen Fragen uͤber dieſen
Punkt entgegnete dann wohl Anton mit lautem Lachen:
Alte, Du biſt ein Narr; wo denkſt Du hin?

Hernach jedoch verfiel er ſtets wieder in truͤben
Ernſt und ſang nur wehmuͤthige Lieder. Seine
Stimme war weich und voll, wie gar ſelten in ſo
jungen Jahren.

Nicht umſonſt iſt er „Eva’s“ Kind, ſagte Mutter
Gokſch, — wider Wiſſen und Willen zweideutig, —
indem ſie der „heidniſchen Muſik“ gedachte.

Von allen wehmuͤthigen Liedern, die er vortrug,
ſang er eines am haͤufigſten: die drei Reiter waren
es, welche er ſo oft zum Thore hinaus ziehen und
Abſchied nehmen ließ, daß Mutter Gokſch behauptete,
die armen Teufel muͤßten’s nun doch bald ſatt kriegen,
„Ade“ zu ſagen und zu reiten? Auch fragte ſie mehr-
mals angelegentlich, ob er nicht die zerriſſenen Saiten
an der Geige herſtellen und ſie zur Feierabendſtunde
darauf begleiten wolle, wenn ſie ein chriſtliches Kir-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0104" n="88"/>
derholte, meinte die Alte, er fu&#x0364;rchte einen Be&#x017F;uch des<lb/>
Barons, der etwa hinter &#x017F;eine Liebe zu Ottilien ge-<lb/>
kommen wa&#x0364;re und nun eintreten ko&#x0364;nne, um ihn ho&#x0364;ch&#x017F;t<lb/>
eigenha&#x0364;ndig durchzuwalken, wozu die von ihm unzer-<lb/>
trennliche Karbat&#x017F;che ein trefflich geeignetes Jn&#x017F;tru-<lb/>
ment abgab. Auf ihre &#x017F;trengen Fragen u&#x0364;ber die&#x017F;en<lb/>
Punkt entgegnete dann wohl Anton mit lautem Lachen:<lb/>
Alte, Du bi&#x017F;t ein Narr; wo denk&#x017F;t Du hin?</p><lb/>
        <p>Hernach jedoch verfiel er &#x017F;tets wieder in tru&#x0364;ben<lb/>
Ern&#x017F;t und &#x017F;ang nur wehmu&#x0364;thige Lieder. Seine<lb/>
Stimme war weich und voll, wie gar &#x017F;elten in &#x017F;o<lb/>
jungen Jahren.</p><lb/>
        <p>Nicht um&#x017F;on&#x017F;t i&#x017F;t er &#x201E;Eva&#x2019;s&#x201C; Kind, &#x017F;agte Mutter<lb/>
Gok&#x017F;ch, &#x2014; wider Wi&#x017F;&#x017F;en und Willen zweideutig, &#x2014;<lb/>
indem &#x017F;ie der &#x201E;heidni&#x017F;chen Mu&#x017F;ik&#x201C; gedachte.</p><lb/>
        <p>Von allen wehmu&#x0364;thigen Liedern, die er vortrug,<lb/>
&#x017F;ang er <hi rendition="#g">eines</hi> am ha&#x0364;ufig&#x017F;ten: die drei Reiter waren<lb/>
es, welche er &#x017F;o oft zum Thore hinaus ziehen und<lb/>
Ab&#x017F;chied nehmen ließ, daß Mutter Gok&#x017F;ch behauptete,<lb/>
die armen Teufel mu&#x0364;ßten&#x2019;s nun doch bald &#x017F;att kriegen,<lb/>
&#x201E;Ade&#x201C; zu &#x017F;agen und zu reiten? Auch fragte &#x017F;ie mehr-<lb/>
mals angelegentlich, ob er nicht die zerri&#x017F;&#x017F;enen Saiten<lb/>
an der Geige her&#x017F;tellen und &#x017F;ie zur Feierabend&#x017F;tunde<lb/>
darauf begleiten wolle, wenn &#x017F;ie ein chri&#x017F;tliches Kir-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[88/0104] derholte, meinte die Alte, er fuͤrchte einen Beſuch des Barons, der etwa hinter ſeine Liebe zu Ottilien ge- kommen waͤre und nun eintreten koͤnne, um ihn hoͤchſt eigenhaͤndig durchzuwalken, wozu die von ihm unzer- trennliche Karbatſche ein trefflich geeignetes Jnſtru- ment abgab. Auf ihre ſtrengen Fragen uͤber dieſen Punkt entgegnete dann wohl Anton mit lautem Lachen: Alte, Du biſt ein Narr; wo denkſt Du hin? Hernach jedoch verfiel er ſtets wieder in truͤben Ernſt und ſang nur wehmuͤthige Lieder. Seine Stimme war weich und voll, wie gar ſelten in ſo jungen Jahren. Nicht umſonſt iſt er „Eva’s“ Kind, ſagte Mutter Gokſch, — wider Wiſſen und Willen zweideutig, — indem ſie der „heidniſchen Muſik“ gedachte. Von allen wehmuͤthigen Liedern, die er vortrug, ſang er eines am haͤufigſten: die drei Reiter waren es, welche er ſo oft zum Thore hinaus ziehen und Abſchied nehmen ließ, daß Mutter Gokſch behauptete, die armen Teufel muͤßten’s nun doch bald ſatt kriegen, „Ade“ zu ſagen und zu reiten? Auch fragte ſie mehr- mals angelegentlich, ob er nicht die zerriſſenen Saiten an der Geige herſtellen und ſie zur Feierabendſtunde darauf begleiten wolle, wenn ſie ein chriſtliches Kir-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/104
Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/104>, abgerufen am 24.11.2024.