Holtei, Karl von: 's Muhme-Leutnant-Saloppel. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 12. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 195–231. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.marbas sich dadurch aufzulehnen gedachte, minder gelehrig und nachgiebig, als Wawerle, hatte es nicht respectirt, sondern ihm den Hals sammt dazu gehörigem Kropfe zugedrückt. Und da war's gar! Wawerle weinte pflichtmäßig hinter dem langen Sarge her. Sie war so gänzlich in die Lage trauernder Wittwen vertieft, daß sie kaum wahrnahm, was um sie her vorging, und gedankenlos in die Flammen starrte, ohne zu überlegen, daß mit jenen Häusern auch die Besitzung eingeäschert werde, auf welche der größere Theil ihres Vermögens hypothekarisch eingeschrieben oder intabuliret stand, ein juristisches Wort, welches sie bei aller Bemühung nie richtig, sondern immer "infabuliret" aussprach. Sie äußerte sich nur insofern über die bedrohlichen Zeitumstände, als sie des anrückenden Feindes Kanonenschüsse für Ehrensalven gelten ließ, die dem Begräbnisse gewidmet wären. Durch Leichenbitter und Todtengräber eines Besseren will sagen eines Schlimmeren belehrt, rief sie nur: Ach, wenn mein Seliger nicht hier in diesem Sarge läge, der wollte euch wohl jagen, ihr Franzosen, daß ihr die Schuhe verlöret! -- Woran jedoch die Leute, die den Sarg eben in die Gruft gleiten ließen, stark zweifelten. So lange Hanepich gelebt, hatte Muhme Wawerle nach ihrer "Freundschaft," wie bei uns zu Lande sämmtliche Verwandte mit einem Sammelnamen benannt werden, wenig gefragt. Und die liebe Freund- marbas sich dadurch aufzulehnen gedachte, minder gelehrig und nachgiebig, als Wawerle, hatte es nicht respectirt, sondern ihm den Hals sammt dazu gehörigem Kropfe zugedrückt. Und da war's gar! Wawerle weinte pflichtmäßig hinter dem langen Sarge her. Sie war so gänzlich in die Lage trauernder Wittwen vertieft, daß sie kaum wahrnahm, was um sie her vorging, und gedankenlos in die Flammen starrte, ohne zu überlegen, daß mit jenen Häusern auch die Besitzung eingeäschert werde, auf welche der größere Theil ihres Vermögens hypothekarisch eingeschrieben oder intabuliret stand, ein juristisches Wort, welches sie bei aller Bemühung nie richtig, sondern immer „infabuliret“ aussprach. Sie äußerte sich nur insofern über die bedrohlichen Zeitumstände, als sie des anrückenden Feindes Kanonenschüsse für Ehrensalven gelten ließ, die dem Begräbnisse gewidmet wären. Durch Leichenbitter und Todtengräber eines Besseren will sagen eines Schlimmeren belehrt, rief sie nur: Ach, wenn mein Seliger nicht hier in diesem Sarge läge, der wollte euch wohl jagen, ihr Franzosen, daß ihr die Schuhe verlöret! — Woran jedoch die Leute, die den Sarg eben in die Gruft gleiten ließen, stark zweifelten. So lange Hanepich gelebt, hatte Muhme Wawerle nach ihrer „Freundschaft,“ wie bei uns zu Lande sämmtliche Verwandte mit einem Sammelnamen benannt werden, wenig gefragt. Und die liebe Freund- <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="1"> <p><pb facs="#f0009"/> marbas sich dadurch aufzulehnen gedachte, minder gelehrig und nachgiebig, als Wawerle, hatte es nicht respectirt, sondern ihm den Hals sammt dazu gehörigem Kropfe zugedrückt. Und da war's gar!</p><lb/> <p>Wawerle weinte pflichtmäßig hinter dem langen Sarge her. Sie war so gänzlich in die Lage trauernder Wittwen vertieft, daß sie kaum wahrnahm, was um sie her vorging, und gedankenlos in die Flammen starrte, ohne zu überlegen, daß mit jenen Häusern auch die Besitzung eingeäschert werde, auf welche der größere Theil ihres Vermögens hypothekarisch eingeschrieben oder intabuliret stand, ein juristisches Wort, welches sie bei aller Bemühung nie richtig, sondern immer „infabuliret“ aussprach. Sie äußerte sich nur insofern über die bedrohlichen Zeitumstände, als sie des anrückenden Feindes Kanonenschüsse für Ehrensalven gelten ließ, die dem Begräbnisse gewidmet wären. Durch Leichenbitter und Todtengräber eines Besseren will sagen eines Schlimmeren belehrt, rief sie nur: Ach, wenn mein Seliger nicht hier in diesem Sarge läge, der wollte euch wohl jagen, ihr Franzosen, daß ihr die Schuhe verlöret! — Woran jedoch die Leute, die den Sarg eben in die Gruft gleiten ließen, stark zweifelten.</p><lb/> <p>So lange Hanepich gelebt, hatte Muhme Wawerle nach ihrer „Freundschaft,“ wie bei uns zu Lande sämmtliche Verwandte mit einem Sammelnamen benannt werden, wenig gefragt. Und die liebe Freund-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0009]
marbas sich dadurch aufzulehnen gedachte, minder gelehrig und nachgiebig, als Wawerle, hatte es nicht respectirt, sondern ihm den Hals sammt dazu gehörigem Kropfe zugedrückt. Und da war's gar!
Wawerle weinte pflichtmäßig hinter dem langen Sarge her. Sie war so gänzlich in die Lage trauernder Wittwen vertieft, daß sie kaum wahrnahm, was um sie her vorging, und gedankenlos in die Flammen starrte, ohne zu überlegen, daß mit jenen Häusern auch die Besitzung eingeäschert werde, auf welche der größere Theil ihres Vermögens hypothekarisch eingeschrieben oder intabuliret stand, ein juristisches Wort, welches sie bei aller Bemühung nie richtig, sondern immer „infabuliret“ aussprach. Sie äußerte sich nur insofern über die bedrohlichen Zeitumstände, als sie des anrückenden Feindes Kanonenschüsse für Ehrensalven gelten ließ, die dem Begräbnisse gewidmet wären. Durch Leichenbitter und Todtengräber eines Besseren will sagen eines Schlimmeren belehrt, rief sie nur: Ach, wenn mein Seliger nicht hier in diesem Sarge läge, der wollte euch wohl jagen, ihr Franzosen, daß ihr die Schuhe verlöret! — Woran jedoch die Leute, die den Sarg eben in die Gruft gleiten ließen, stark zweifelten.
So lange Hanepich gelebt, hatte Muhme Wawerle nach ihrer „Freundschaft,“ wie bei uns zu Lande sämmtliche Verwandte mit einem Sammelnamen benannt werden, wenig gefragt. Und die liebe Freund-
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Zitationshilfe: | Holtei, Karl von: 's Muhme-Leutnant-Saloppel. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 12. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 195–231. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_saloppel_1910/9>, abgerufen am 05.07.2024. |