Holtei, Karl von: 's Muhme-Leutnant-Saloppel. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 12. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 195–231. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Lieutnant-Saloppel zu und brachten sie nach Hause, wo denn der Wundarzt die Standhaftigkeit und heitere Laune der Leidenden nicht genug rühmen konnte. Sie hatte nicht allein ihre eigenen Schmerzen zu ertragen, es lag ihr auch noch die größere Muhe ob, Gustav zu beruhigen und ihn zu überzeugen, daß ihn die Schuld des Unfalls nicht treffe. Anfänglich wollte er verzweifeln und durchaus keine Vernunft annehmen. Erst nach und nach, als die Heilung ungehindert fortschritt, gelang es ihm, sich einigermaßen mit seinem Gewissen abzufinden und einzusehen, daß er in bester Absicht seinem lieben Wawerle Schmerzen und Unkosten gemacht habe. Nie war er so viel bei ihr gewesen, als während dieser Cur; theils aus Pflichtgefühl, theils weil er es daheim gar nicht mehr aushielt. Er brachte die Schulbücher zur Muhme-Lieutnanten und führte seine Aufgaben neben ihrer Lagerstätte aus. Bei Tiesels hatte das häusliche Zerwürfniß den höchsten Grad erreicht. Schulden über Schulden drängten den rathlosen Familienvater, dessen erhöhter Gehalt von dem Aufwande nichtsnutziger Töchter verschlungen ward, der täglich in größere Verlegenheiten gerieth. Mit Wawerle schien der letzte Segen von der Familie gewichen zu sein. Gustel's Vater verlor die Fassung so völlig, daß er sich Unordnungen in Bezug auf die ihm anvertraute Kasse erlaubte. Eine unverhoffte Entdeckung mußte ihn ins Verderben bringen. Lieutnant-Saloppel zu und brachten sie nach Hause, wo denn der Wundarzt die Standhaftigkeit und heitere Laune der Leidenden nicht genug rühmen konnte. Sie hatte nicht allein ihre eigenen Schmerzen zu ertragen, es lag ihr auch noch die größere Muhe ob, Gustav zu beruhigen und ihn zu überzeugen, daß ihn die Schuld des Unfalls nicht treffe. Anfänglich wollte er verzweifeln und durchaus keine Vernunft annehmen. Erst nach und nach, als die Heilung ungehindert fortschritt, gelang es ihm, sich einigermaßen mit seinem Gewissen abzufinden und einzusehen, daß er in bester Absicht seinem lieben Wawerle Schmerzen und Unkosten gemacht habe. Nie war er so viel bei ihr gewesen, als während dieser Cur; theils aus Pflichtgefühl, theils weil er es daheim gar nicht mehr aushielt. Er brachte die Schulbücher zur Muhme-Lieutnanten und führte seine Aufgaben neben ihrer Lagerstätte aus. Bei Tiesels hatte das häusliche Zerwürfniß den höchsten Grad erreicht. Schulden über Schulden drängten den rathlosen Familienvater, dessen erhöhter Gehalt von dem Aufwande nichtsnutziger Töchter verschlungen ward, der täglich in größere Verlegenheiten gerieth. Mit Wawerle schien der letzte Segen von der Familie gewichen zu sein. Gustel's Vater verlor die Fassung so völlig, daß er sich Unordnungen in Bezug auf die ihm anvertraute Kasse erlaubte. Eine unverhoffte Entdeckung mußte ihn ins Verderben bringen. <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="4"> <p><pb facs="#f0032"/> Lieutnant-Saloppel zu und brachten sie nach Hause, wo denn der Wundarzt die Standhaftigkeit und heitere Laune der Leidenden nicht genug rühmen konnte. Sie hatte nicht allein ihre eigenen Schmerzen zu ertragen, es lag ihr auch noch die größere Muhe ob, Gustav zu beruhigen und ihn zu überzeugen, daß ihn die Schuld des Unfalls nicht treffe. Anfänglich wollte er verzweifeln und durchaus keine Vernunft annehmen. Erst nach und nach, als die Heilung ungehindert fortschritt, gelang es ihm, sich einigermaßen mit seinem Gewissen abzufinden und einzusehen, daß er in bester Absicht seinem lieben Wawerle Schmerzen und Unkosten gemacht habe.</p><lb/> <p>Nie war er so viel bei ihr gewesen, als während dieser Cur; theils aus Pflichtgefühl, theils weil er es daheim gar nicht mehr aushielt. Er brachte die Schulbücher zur Muhme-Lieutnanten und führte seine Aufgaben neben ihrer Lagerstätte aus.</p><lb/> <p>Bei Tiesels hatte das häusliche Zerwürfniß den höchsten Grad erreicht. Schulden über Schulden drängten den rathlosen Familienvater, dessen erhöhter Gehalt von dem Aufwande nichtsnutziger Töchter verschlungen ward, der täglich in größere Verlegenheiten gerieth. Mit Wawerle schien der letzte Segen von der Familie gewichen zu sein. Gustel's Vater verlor die Fassung so völlig, daß er sich Unordnungen in Bezug auf die ihm anvertraute Kasse erlaubte. Eine unverhoffte Entdeckung mußte ihn ins Verderben bringen.<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0032]
Lieutnant-Saloppel zu und brachten sie nach Hause, wo denn der Wundarzt die Standhaftigkeit und heitere Laune der Leidenden nicht genug rühmen konnte. Sie hatte nicht allein ihre eigenen Schmerzen zu ertragen, es lag ihr auch noch die größere Muhe ob, Gustav zu beruhigen und ihn zu überzeugen, daß ihn die Schuld des Unfalls nicht treffe. Anfänglich wollte er verzweifeln und durchaus keine Vernunft annehmen. Erst nach und nach, als die Heilung ungehindert fortschritt, gelang es ihm, sich einigermaßen mit seinem Gewissen abzufinden und einzusehen, daß er in bester Absicht seinem lieben Wawerle Schmerzen und Unkosten gemacht habe.
Nie war er so viel bei ihr gewesen, als während dieser Cur; theils aus Pflichtgefühl, theils weil er es daheim gar nicht mehr aushielt. Er brachte die Schulbücher zur Muhme-Lieutnanten und führte seine Aufgaben neben ihrer Lagerstätte aus.
Bei Tiesels hatte das häusliche Zerwürfniß den höchsten Grad erreicht. Schulden über Schulden drängten den rathlosen Familienvater, dessen erhöhter Gehalt von dem Aufwande nichtsnutziger Töchter verschlungen ward, der täglich in größere Verlegenheiten gerieth. Mit Wawerle schien der letzte Segen von der Familie gewichen zu sein. Gustel's Vater verlor die Fassung so völlig, daß er sich Unordnungen in Bezug auf die ihm anvertraute Kasse erlaubte. Eine unverhoffte Entdeckung mußte ihn ins Verderben bringen.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription.
(2017-03-15T11:49:22Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2017-03-15T11:49:22Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |