Holtei, Karl von: 's Muhme-Leutnant-Saloppel. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 12. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 195–231. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.daß die Muhme Lieutnanten bei ihrer unscheinbaren Figur und schier ärmlichen Tracht recht feine Manieren an sich hatte. Von ihren Eltern redete sie nie. Auch hörte man den Freischulzen, wenn er in die Stadt kam, halbjährige Zinsen abzutragen, und dann seinen Bruder Hutmacher ins Bitterbierhaus begleitete, mit diesem häufig vergangene Dinge besprechen, die Tiesel's Meinung bestätigten. Die Brüder geriethen auch bisweilen in einen gewissen Wettstreit über ihre Stellung im Hause jener fabelhaften Baronin. Ich habe, rief eines Abends der Hutmacher und schlug dabei heftig auf den Tisch, ich habe mit ihr Theatrum gespielt! Und ich, entgegnete der Freischulze, indem er seine Faust nicht minder kräftig fallen ließ und eben so erpicht war auf eine lateinische Endung: und ich bin mit ihr Kalessum gefahren! Im Uebrigen legten beide Brüder, nächst gewissenhaftester Einhaltung der Termine, auch eine unverkennbare Devotion gegen Wawerle an den Tag, was ebenfalls für Tiesel's Ansicht redete. Wie die Muhme-Lieutnanten es angefangen, von zweihundert fünfundfünfzig Thalern das Kostgeld und Die Miethe bei Tiesel's (was allein schon hundertzwanzig betrug) zu bestreiten und dabei noch unaufhörlich Geschenke zu machen -- nun, das ist sehr einfach: sie versagte sich Alles, um Andern geben zu können. Ja, sie fror in ihrem kurzen, wollenen Muhme-Lieutnant-Saloppel, wenn Lene und Fritzel nicht warm daß die Muhme Lieutnanten bei ihrer unscheinbaren Figur und schier ärmlichen Tracht recht feine Manieren an sich hatte. Von ihren Eltern redete sie nie. Auch hörte man den Freischulzen, wenn er in die Stadt kam, halbjährige Zinsen abzutragen, und dann seinen Bruder Hutmacher ins Bitterbierhaus begleitete, mit diesem häufig vergangene Dinge besprechen, die Tiesel's Meinung bestätigten. Die Brüder geriethen auch bisweilen in einen gewissen Wettstreit über ihre Stellung im Hause jener fabelhaften Baronin. Ich habe, rief eines Abends der Hutmacher und schlug dabei heftig auf den Tisch, ich habe mit ihr Theatrum gespielt! Und ich, entgegnete der Freischulze, indem er seine Faust nicht minder kräftig fallen ließ und eben so erpicht war auf eine lateinische Endung: und ich bin mit ihr Kalessum gefahren! Im Uebrigen legten beide Brüder, nächst gewissenhaftester Einhaltung der Termine, auch eine unverkennbare Devotion gegen Wawerle an den Tag, was ebenfalls für Tiesel's Ansicht redete. Wie die Muhme-Lieutnanten es angefangen, von zweihundert fünfundfünfzig Thalern das Kostgeld und Die Miethe bei Tiesel's (was allein schon hundertzwanzig betrug) zu bestreiten und dabei noch unaufhörlich Geschenke zu machen — nun, das ist sehr einfach: sie versagte sich Alles, um Andern geben zu können. Ja, sie fror in ihrem kurzen, wollenen Muhme-Lieutnant-Saloppel, wenn Lene und Fritzel nicht warm <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="3"> <p><pb facs="#f0024"/> daß die Muhme Lieutnanten bei ihrer unscheinbaren Figur und schier ärmlichen Tracht recht feine Manieren an sich hatte. Von ihren Eltern redete sie nie. Auch hörte man den Freischulzen, wenn er in die Stadt kam, halbjährige Zinsen abzutragen, und dann seinen Bruder Hutmacher ins Bitterbierhaus begleitete, mit diesem häufig vergangene Dinge besprechen, die Tiesel's Meinung bestätigten. Die Brüder geriethen auch bisweilen in einen gewissen Wettstreit über ihre Stellung im Hause jener fabelhaften Baronin. Ich habe, rief eines Abends der Hutmacher und schlug dabei heftig auf den Tisch, ich habe mit ihr Theatrum gespielt! Und ich, entgegnete der Freischulze, indem er seine Faust nicht minder kräftig fallen ließ und eben so erpicht war auf eine lateinische Endung: und ich bin mit ihr Kalessum gefahren!</p><lb/> <p>Im Uebrigen legten beide Brüder, nächst gewissenhaftester Einhaltung der Termine, auch eine unverkennbare Devotion gegen Wawerle an den Tag, was ebenfalls für Tiesel's Ansicht redete.</p><lb/> <p>Wie die Muhme-Lieutnanten es angefangen, von zweihundert fünfundfünfzig Thalern das Kostgeld und Die Miethe bei Tiesel's (was allein schon hundertzwanzig betrug) zu bestreiten und dabei noch unaufhörlich Geschenke zu machen — nun, das ist sehr einfach: sie versagte sich Alles, um Andern geben zu können. Ja, sie fror in ihrem kurzen, wollenen Muhme-Lieutnant-Saloppel, wenn Lene und Fritzel nicht warm<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0024]
daß die Muhme Lieutnanten bei ihrer unscheinbaren Figur und schier ärmlichen Tracht recht feine Manieren an sich hatte. Von ihren Eltern redete sie nie. Auch hörte man den Freischulzen, wenn er in die Stadt kam, halbjährige Zinsen abzutragen, und dann seinen Bruder Hutmacher ins Bitterbierhaus begleitete, mit diesem häufig vergangene Dinge besprechen, die Tiesel's Meinung bestätigten. Die Brüder geriethen auch bisweilen in einen gewissen Wettstreit über ihre Stellung im Hause jener fabelhaften Baronin. Ich habe, rief eines Abends der Hutmacher und schlug dabei heftig auf den Tisch, ich habe mit ihr Theatrum gespielt! Und ich, entgegnete der Freischulze, indem er seine Faust nicht minder kräftig fallen ließ und eben so erpicht war auf eine lateinische Endung: und ich bin mit ihr Kalessum gefahren!
Im Uebrigen legten beide Brüder, nächst gewissenhaftester Einhaltung der Termine, auch eine unverkennbare Devotion gegen Wawerle an den Tag, was ebenfalls für Tiesel's Ansicht redete.
Wie die Muhme-Lieutnanten es angefangen, von zweihundert fünfundfünfzig Thalern das Kostgeld und Die Miethe bei Tiesel's (was allein schon hundertzwanzig betrug) zu bestreiten und dabei noch unaufhörlich Geschenke zu machen — nun, das ist sehr einfach: sie versagte sich Alles, um Andern geben zu können. Ja, sie fror in ihrem kurzen, wollenen Muhme-Lieutnant-Saloppel, wenn Lene und Fritzel nicht warm
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Zitationshilfe: | Holtei, Karl von: 's Muhme-Leutnant-Saloppel. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 12. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 195–231. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_saloppel_1910/24>, abgerufen am 05.07.2024. |