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Holtei, Karl von: 's Muhme-Leutnant-Saloppel. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 12. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 195–231. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Lieutenanten abtreten ließ. Da diese darauf bestehen Blieb, ihre Sache rechtschaffen zu bezahlen, so wohnten Tiesels halb umsonst. Jedermann verwunderte sich über den niedrigen Preis. Sogar der bayerische Fourier, den sie einige Zeit bequartierten. Muhme Wawerle behauptete, die Wohnung wäre halb geschenkt.

's war halt noch Winter und zwei Uebelstände machten sich des Frostes wegen noch nicht bemerkbar. Später im Sommer stießen die Miether mit der Nase darauf, und für des Hausbesitzers mäßige Forderung fanden sich zweierlei Ursachen. Erstens die Nähe der kleinen Fleischbänke, deren Zauberdüfte während der warmen Jahreszeit berauschend emporstiegen; zweitens die unzählige Menge urheimischer Einwohner, die Tisch und Bett mit den neuen Bewohnern theilten oder vielmehr ihnen streitig machten. Unsere Vorfahren nannten diese Hausgenossen Wandläuse. Wir haben die Benennung abgekürzt und sagen: Wanzen. Wer einmal die Schaaren dieser hübschen Thierchen Wand auf Wand ab pilgern gesehen, und wer einmal, bei Tiesels aus dem Fenster guckend, einen herzhaften Athemzug gethan, staunte nicht mehr, daß sie so wohlfeil logirten. Aber eben so wenig staunte man, daß sie es aushielten: der Alt-Breslauer konnte in diesen Dingen Mancherlei ertragen. Ach, und was erträgt nicht der Mensch! Woran gewöhnt er sich nicht! Mußte sich doch unsere kleine Wawerle an den Gedanken gewöhnen, daß mehr als die Hälfte von ihrem bissel

Lieutenanten abtreten ließ. Da diese darauf bestehen Blieb, ihre Sache rechtschaffen zu bezahlen, so wohnten Tiesels halb umsonst. Jedermann verwunderte sich über den niedrigen Preis. Sogar der bayerische Fourier, den sie einige Zeit bequartierten. Muhme Wawerle behauptete, die Wohnung wäre halb geschenkt.

's war halt noch Winter und zwei Uebelstände machten sich des Frostes wegen noch nicht bemerkbar. Später im Sommer stießen die Miether mit der Nase darauf, und für des Hausbesitzers mäßige Forderung fanden sich zweierlei Ursachen. Erstens die Nähe der kleinen Fleischbänke, deren Zauberdüfte während der warmen Jahreszeit berauschend emporstiegen; zweitens die unzählige Menge urheimischer Einwohner, die Tisch und Bett mit den neuen Bewohnern theilten oder vielmehr ihnen streitig machten. Unsere Vorfahren nannten diese Hausgenossen Wandläuse. Wir haben die Benennung abgekürzt und sagen: Wanzen. Wer einmal die Schaaren dieser hübschen Thierchen Wand auf Wand ab pilgern gesehen, und wer einmal, bei Tiesels aus dem Fenster guckend, einen herzhaften Athemzug gethan, staunte nicht mehr, daß sie so wohlfeil logirten. Aber eben so wenig staunte man, daß sie es aushielten: der Alt-Breslauer konnte in diesen Dingen Mancherlei ertragen. Ach, und was erträgt nicht der Mensch! Woran gewöhnt er sich nicht! Mußte sich doch unsere kleine Wawerle an den Gedanken gewöhnen, daß mehr als die Hälfte von ihrem bissel

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[0016] Lieutenanten abtreten ließ. Da diese darauf bestehen Blieb, ihre Sache rechtschaffen zu bezahlen, so wohnten Tiesels halb umsonst. Jedermann verwunderte sich über den niedrigen Preis. Sogar der bayerische Fourier, den sie einige Zeit bequartierten. Muhme Wawerle behauptete, die Wohnung wäre halb geschenkt. 's war halt noch Winter und zwei Uebelstände machten sich des Frostes wegen noch nicht bemerkbar. Später im Sommer stießen die Miether mit der Nase darauf, und für des Hausbesitzers mäßige Forderung fanden sich zweierlei Ursachen. Erstens die Nähe der kleinen Fleischbänke, deren Zauberdüfte während der warmen Jahreszeit berauschend emporstiegen; zweitens die unzählige Menge urheimischer Einwohner, die Tisch und Bett mit den neuen Bewohnern theilten oder vielmehr ihnen streitig machten. Unsere Vorfahren nannten diese Hausgenossen Wandläuse. Wir haben die Benennung abgekürzt und sagen: Wanzen. Wer einmal die Schaaren dieser hübschen Thierchen Wand auf Wand ab pilgern gesehen, und wer einmal, bei Tiesels aus dem Fenster guckend, einen herzhaften Athemzug gethan, staunte nicht mehr, daß sie so wohlfeil logirten. Aber eben so wenig staunte man, daß sie es aushielten: der Alt-Breslauer konnte in diesen Dingen Mancherlei ertragen. Ach, und was erträgt nicht der Mensch! Woran gewöhnt er sich nicht! Mußte sich doch unsere kleine Wawerle an den Gedanken gewöhnen, daß mehr als die Hälfte von ihrem bissel

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Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T11:49:22Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Zitationshilfe: Holtei, Karl von: 's Muhme-Leutnant-Saloppel. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 12. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 195–231. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_saloppel_1910/16>, abgerufen am 27.11.2024.