Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hohberg, Wolf Helmhard von: Georgica Curiosa. Bd. 2. Nürnberg, 1682.

Bild:
<< vorherige Seite

Des Adelichen Land- und Feld-Lebens
[Spaltenumbruch] an die Stämme der Waldbäume anschlagen/ sie nach
und nach abledigen/ rogel machen/ und endlich gar ab-
werffen/ wie D. Joh. Andr. Graba in seiner elaphographia
bezeuget.

Theophrastus meldet/ daß einem Hirschen aus sei-
nem Geweyhe Epheu gewachsen sey. Wiewol nun et-
liche nicht vermeynen/ oder sich einbilden können/ wie
einiger Epheu-Saamen dahin müsse gekommen seyn/
sey auch nicht glaublich/ daß der Hirsch sich etwa mit
dem Geweyhe an einem Epheu-Stock solle geriben/
und etwas von der Wurtzel behalten haben/ die etwan
von ohngefehrde einen so weichen und faulen Ort im Ge-
weyhe angetroffen hätte/ und also darinnen stecken ge-
blieben und ausgewachsen wäre. Mich aber dunckt es
gantz wahrscheinlich/ weil bekannt/ daß sich die Schlan-
gen und Nattern überaus gerne in den Schatten des
Epheues aufhalten/ darum er auch deßwegen aus vielen
Gärten bannisirt wird/ könte also wol seyn/ wann die
so beschryene Antipathia der Hirschen mit den Schlan-
gen wahr ist/ daß etwan derselbige Hirsch eine Schlan-
ge unter dem Epheu angetroffen/ und mit dem Gewey-
he hat heraus arbeiten und heben wollen/ und etwan al-
so ein zeitiges Epheu-Beerlein auf dem Geweyhe zer-
druckt hätte/ welches darauf ein kleines Oertlein mit Er-
den gefüllt (wie sie dann gern in der Erde umwühlen)
erreicht; und wie der Epheu nicht tieffen Grund bedarff/
also er auch an diesem Geweyhe eingewurtzelt und Zwei-
ge getrieben hätte.

Wann das Geweyhe wieder anfängt zu wachsen/
welches die Jäger Kolben heissen/ und sie etwan einer
Handbreit lang werden/ sind sie weich/ und mit einer
rauhen Haut überzogen/ das wird/ wann ein solcher
Hirsch gefällt wird/ in kleine dünne Scheiblein geschnit-
ten oder klein gehackt/ mit Gewürtz und Butter gekocht/
und für ein fürtreffliches gesundes Herren-Essen billich
gehalten. Wann sie sich in die Flucht begeben/ suchen
sie dieselbe meistens nach dem Winde/ daß der Geruch
von ihnen nicht gegen den Hunden sich ausbreiten möge.
Sie sind von einem scharffen überaus subtilen Gehör/
sonderlich wann sie die Ohren spitzen.

Jn denen gar grossen alten Haubthirschen/ soll in
beeden Augen-Ecken ein gewisses Gewächse (Hirschthre-
nen genannt) gefunden werden/ anfangs wie ein Wachs
oder Gummi/ wann es erhartet/ ist der Geruch davon
erstlich widerwärtig/ hernach wolriechender/ wird aber
mit der Zeit so hart wie ein Horn oder Stein; wo er aus
den Augenwinckeln herfür ragt/ scheinet er rund/ glatt
und gläntzig/ gelblicht/ und mit schwartzen Aederlein/
wie Scaliger meldet/ der durch den Schweiß und Thre-
nen (so aus Fressung der gifftigen Schlangen verursacht
wird) sich in die Ecke der Augen anlegt/ und endlich
durch die Lufft erhartet; weil nun diß den Hirschen am
Sehen verhindert/ reibt er sich an die Bäume und streifft
es ab/ da es bißweilen die Jäger finden und hoch halten.
6 Gran davon/ mit Mithridat genommen/ widerstehet
dem Gifft. Wiewol etliche die Antipathiam von der
Schlangen für eine Fabel halten. A quibusdam affir-
matur, pellem cervinam eo tempore cervo detractam,
quo insano amore exaestuat, & super Lectum, in quo
conjuges cubant, stratam, eos ad venerem vehemen-
tissime stimulare, ut Idem D. Graba ex Untzero as-
serit
. Darum auch in der Brunstzeit ihr Fleisch zu
böcklen pfleget.

[Spaltenumbruch]

Er soll (wie gedacht) ein sonderbarer abgesagter
Feind der Schlangen seyn/ und wo er sie sonst ober der
Erden nicht findet/ ziehet er sie mit dem starcken Pfnaus
seines Athems aus der Höhle/ zertritt und frisst sie/ und
das thut er/ wann er kranck und matt wird/ dardurch rei-
nigt er sich/ laufft so lang/ biß er anfängt zu schwitzen/ und
ein Wasser findet/ darein legt er sich alsobald/ und dar-
auf fängt er an den Magen und gantzen Leib zu purgi-
ren/ dardurch er wieder zu seinen vorigen Kräfften ge-
langet.

Wiewol Sieur de Salnove, in seiner Venerie
Royale,
dieses für eine Fabel hält/ und vermeynt/ sie
purgiren sich jährlich im Frühling mit dem jungen Gras/
wie man aus ihrem Loß darzumal leicht sehen kan. Jm
Winter ligen sie meistentheils Hauffenweiß/ damit sie
mit ihrem Athem/ und nahendem Anligen einander er-
wärmen; im Sommer hingegen ligen sie gern allein/
desto kühlerer Lufft und Lagerstatt zu geniessen.

Wann der Hirsch im Lauff ist/ und ihn Jemand an-
schreyet/ so bleibt er alsobald stutzen/ und geht der gehör-
ten Stimme zu/ dardurch er aus seiner Einfalt/ desto
leichter zum Schuß gebracht wird. Wann er etwas un-
gewöhnliches sihet/ als etwan einen Fuhrmann mit einem
Wagen/ oder ein beladen Saumroß oder Esel/ so stehet
er still und gaffet es an.

Mons. du Fouilloux sagt/ die Hirschen seyen von
dreyerley Haaren/ braun/ falb und röthlicht; die brau-
nen sind groß und länglicht/ lauffen schnell/ und haben
einen stärckern Athem/ als die andern; etliche davon
sind klein/ haben meistentheils schwärtzlichte Haar auf
dem Hals/ haben ein edler Wildpret als die andern/
weil sie lieber in den Gebüschen ihre Weide nehmen/ als
in den grossen Wäldern. Die falben Hirschen tragen
ihr Haubt empor/ haben ein schwaches Geweyhe/ son-
derlich die jenigen/ so etwas weisses unter den Haaren
haben; die aber gelbfalbe und einen braunen Strich ü-
ber den Rucken haben/ die sind edle und gute Hirschen.
Die röthlichfärbigen Hirschen sind meistentheils jung
und dauerhafft/ welche sonderlich die Chiens Courans
und lauffende Hunde lang genug abtreiben und ermü-
den können.

Die weissen Hirschen sind gantz rar/ möchten et-
wan mehr in den Nordländern zu finden seyn/ werden
von den Jndianern Hirschen-König und Yztac Ma-
came
genennt; einen solchen weissen Hirschen soll/ nach
Cardani Zeugnis/ ein Englischer König/ dem Sicilia-
nischen König Alphonso übersendet haben/ ein solches
weisses Stuck Wild hat auch/ wie Gellius schreibet/
Sertorius in Portugall gehabt/ welches ihn überall
hin begleitet hat.

Wann der Hirsch von Hunden/ sonderlich in der
Brunstzeit/ angefallen wird/ stösset er mit dem Geweyh/
und schlägt mit dem vordern Lauff tapffer von sich loß.
Er ist so schnell/ daß er im Lauffen auch ein Pferd über-
trifft/ und erzehlt Colerus l 14. c. 35. daß die Grafen von
Stollberg einen solchen zahmen Hirschen gehabt/ der
sich zäumen und reiten lassen/ diesen haben sie Ertzher-
tzog Maximiliano, der nach Ferdinandi I. seines Her-
ren Vatters Tod/ hernach Kayser/ und der ander diß
Nahmens genennt worden/ verehret. Und als Kayser
Carolus V. Anno 1548. zu Augspurg einen Wett-
lauff mit Pferden angestellt/ sey dieser Hirsch mit seinem
Reuter/ allen den schnellesten Spanischen Pferden weit

fürge-

Des Adelichen Land- und Feld-Lebens
[Spaltenumbruch] an die Staͤmme der Waldbaͤume anſchlagen/ ſie nach
und nach abledigen/ rogel machen/ und endlich gar ab-
werffen/ wie D. Joh. Andr. Graba in ſeiner ἐλαφογραφίᾳ
bezeuget.

Theophraſtus meldet/ daß einem Hirſchen aus ſei-
nem Geweyhe Epheu gewachſen ſey. Wiewol nun et-
liche nicht vermeynen/ oder ſich einbilden koͤnnen/ wie
einiger Epheu-Saamen dahin muͤſſe gekommen ſeyn/
ſey auch nicht glaublich/ daß der Hirſch ſich etwa mit
dem Geweyhe an einem Epheu-Stock ſolle geriben/
und etwas von der Wurtzel behalten haben/ die etwan
von ohngefehrde einen ſo weichen und faulen Ort im Ge-
weyhe angetroffen haͤtte/ und alſo darinnen ſtecken ge-
blieben und ausgewachſen waͤre. Mich aber dunckt es
gantz wahrſcheinlich/ weil bekannt/ daß ſich die Schlan-
gen und Nattern uͤberaus gerne in den Schatten des
Epheues aufhalten/ darum er auch deßwegen aus vielen
Gaͤrten banniſirt wird/ koͤnte alſo wol ſeyn/ wann die
ſo beſchryene Antipathia der Hirſchen mit den Schlan-
gen wahr iſt/ daß etwan derſelbige Hirſch eine Schlan-
ge unter dem Epheu angetroffen/ und mit dem Gewey-
he hat heraus arbeiten und heben wollen/ und etwan al-
ſo ein zeitiges Epheu-Beerlein auf dem Geweyhe zer-
druckt haͤtte/ welches darauf ein kleines Oertlein mit Er-
den gefuͤllt (wie ſie dann gern in der Erde umwuͤhlen)
erreicht; und wie der Epheu nicht tieffen Grund bedarff/
alſo er auch an dieſem Geweyhe eingewurtzelt und Zwei-
ge getrieben haͤtte.

Wann das Geweyhe wieder anfaͤngt zu wachſen/
welches die Jaͤger Kolben heiſſen/ und ſie etwan einer
Handbreit lang werden/ ſind ſie weich/ und mit einer
rauhen Haut uͤberzogen/ das wird/ wann ein ſolcher
Hirſch gefaͤllt wird/ in kleine duͤnne Scheiblein geſchnit-
ten oder klein gehackt/ mit Gewuͤrtz und Butter gekocht/
und fuͤr ein fuͤrtreffliches geſundes Herren-Eſſen billich
gehalten. Wann ſie ſich in die Flucht begeben/ ſuchen
ſie dieſelbe meiſtens nach dem Winde/ daß der Geruch
von ihnen nicht gegen den Hunden ſich ausbreiten moͤge.
Sie ſind von einem ſcharffen uͤberaus ſubtilen Gehoͤr/
ſonderlich wann ſie die Ohren ſpitzen.

Jn denen gar groſſen alten Haubthirſchen/ ſoll in
beeden Augen-Ecken ein gewiſſes Gewaͤchſe (Hirſchthre-
nen genannt) gefunden werden/ anfangs wie ein Wachs
oder Gummi/ wann es erhartet/ iſt der Geruch davon
erſtlich widerwaͤrtig/ hernach wolriechender/ wird aber
mit der Zeit ſo hart wie ein Horn oder Stein; wo er aus
den Augenwinckeln herfuͤr ragt/ ſcheinet er rund/ glatt
und glaͤntzig/ gelblicht/ und mit ſchwartzen Aederlein/
wie Scaliger meldet/ der durch den Schweiß und Thre-
nen (ſo aus Freſſung der gifftigen Schlangen verurſacht
wird) ſich in die Ecke der Augen anlegt/ und endlich
durch die Lufft erhartet; weil nun diß den Hirſchen am
Sehen verhindert/ reibt er ſich an die Baͤume und ſtreifft
es ab/ da es bißweilen die Jaͤger finden und hoch halten.
6 Gran davon/ mit Mithridat genommen/ widerſtehet
dem Gifft. Wiewol etliche die Antipathiam von der
Schlangen fuͤr eine Fabel halten. A quibusdam affir-
matur, pellem cervinam eo tempore cervo detractam,
quo inſano amore exæſtuat, & ſuper Lectum, in quo
conjuges cubant, ſtratam, eos ad venerem vehemen-
tiſſimè ſtimulare, ut Idem D. Graba ex Untzero aſ-
ſerit
. Darum auch in der Brunſtzeit ihr Fleiſch zu
boͤcklen pfleget.

[Spaltenumbruch]

Er ſoll (wie gedacht) ein ſonderbarer abgeſagter
Feind der Schlangen ſeyn/ und wo er ſie ſonſt ober der
Erden nicht findet/ ziehet er ſie mit dem ſtarcken Pfnaus
ſeines Athems aus der Hoͤhle/ zertritt und friſſt ſie/ und
das thut er/ wann er kranck und matt wird/ dardurch rei-
nigt er ſich/ laufft ſo lang/ biß er anfaͤngt zu ſchwitzen/ und
ein Waſſer findet/ darein legt er ſich alſobald/ und dar-
auf faͤngt er an den Magen und gantzen Leib zu purgi-
ren/ dardurch er wieder zu ſeinen vorigen Kraͤfften ge-
langet.

Wiewol Sieur de Salnove, in ſeiner Venerie
Royale,
dieſes fuͤr eine Fabel haͤlt/ und vermeynt/ ſie
purgiren ſich jaͤhrlich im Fruͤhling mit dem jungen Gras/
wie man aus ihrem Loß darzumal leicht ſehen kan. Jm
Winter ligen ſie meiſtentheils Hauffenweiß/ damit ſie
mit ihrem Athem/ und nahendem Anligen einander er-
waͤrmen; im Sommer hingegen ligen ſie gern allein/
deſto kuͤhlerer Lufft und Lagerſtatt zu genieſſen.

Wann der Hirſch im Lauff iſt/ und ihn Jemand an-
ſchreyet/ ſo bleibt er alſobald ſtutzen/ und geht der gehoͤr-
ten Stimme zu/ dardurch er aus ſeiner Einfalt/ deſto
leichter zum Schuß gebracht wird. Wann er etwas un-
gewoͤhnliches ſihet/ als etwan einen Fuhrmañ mit einem
Wagen/ oder ein beladen Saumroß oder Eſel/ ſo ſtehet
er ſtill und gaffet es an.

Monſ. du Fouilloux ſagt/ die Hirſchen ſeyen von
dreyerley Haaren/ braun/ falb und roͤthlicht; die brau-
nen ſind groß und laͤnglicht/ lauffen ſchnell/ und haben
einen ſtaͤrckern Athem/ als die andern; etliche davon
ſind klein/ haben meiſtentheils ſchwaͤrtzlichte Haar auf
dem Hals/ haben ein edler Wildpret als die andern/
weil ſie lieber in den Gebuͤſchen ihre Weide nehmen/ als
in den groſſen Waͤldern. Die falben Hirſchen tragen
ihr Haubt empor/ haben ein ſchwaches Geweyhe/ ſon-
derlich die jenigen/ ſo etwas weiſſes unter den Haaren
haben; die aber gelbfalbe und einen braunen Strich uͤ-
ber den Rucken haben/ die ſind edle und gute Hirſchen.
Die roͤthlichfaͤrbigen Hirſchen ſind meiſtentheils jung
und dauerhafft/ welche ſonderlich die Chiens Courans
und lauffende Hunde lang genug abtreiben und ermuͤ-
den koͤnnen.

Die weiſſen Hirſchen ſind gantz rar/ moͤchten et-
wan mehr in den Nordlaͤndern zu finden ſeyn/ werden
von den Jndianern Hirſchen-Koͤnig und Yztac Ma-
came
genennt; einen ſolchen weiſſen Hirſchen ſoll/ nach
Cardani Zeugnis/ ein Engliſcher Koͤnig/ dem Sicilia-
niſchen Koͤnig Alphonſo uͤberſendet haben/ ein ſolches
weiſſes Stuck Wild hat auch/ wie Gellius ſchreibet/
Sertorius in Portugall gehabt/ welches ihn uͤberall
hin begleitet hat.

Wann der Hirſch von Hunden/ ſonderlich in der
Brunſtzeit/ angefallen wird/ ſtoͤſſet er mit dem Geweyh/
und ſchlaͤgt mit dem vordern Lauff tapffer von ſich loß.
Er iſt ſo ſchnell/ daß er im Lauffen auch ein Pferd uͤber-
trifft/ und erzehlt Colerus l 14. c. 35. daß die Grafen von
Stollberg einen ſolchen zahmen Hirſchen gehabt/ der
ſich zaͤumen und reiten laſſen/ dieſen haben ſie Ertzher-
tzog Maximiliano, der nach Ferdinandi I. ſeines Her-
ren Vatters Tod/ hernach Kayſer/ und der ander diß
Nahmens genennt worden/ verehret. Und als Kayſer
Carolus V. Anno 1548. zu Augſpurg einen Wett-
lauff mit Pferden angeſtellt/ ſey dieſer Hirſch mit ſeinem
Reuter/ allen den ſchnelleſten Spaniſchen Pferden weit

fuͤrge-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0626" n="608"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Des Adelichen Land- und Feld-Lebens</hi></fw><lb/><cb/>
an die Sta&#x0364;mme der Waldba&#x0364;ume an&#x017F;chlagen/ &#x017F;ie nach<lb/>
und nach abledigen/ rogel machen/ und endlich gar ab-<lb/>
werffen/ wie <hi rendition="#aq">D. Joh. Andr. Graba</hi> in &#x017F;einer &#x1F10;&#x03BB;&#x03B1;&#x03C6;&#x03BF;&#x03B3;&#x03C1;&#x03B1;&#x03C6;&#x03AF;&#x1FB3;<lb/>
bezeuget.</p><lb/>
            <p><hi rendition="#aq">Theophra&#x017F;tus</hi> meldet/ daß einem Hir&#x017F;chen aus &#x017F;ei-<lb/>
nem Geweyhe Epheu gewach&#x017F;en &#x017F;ey. Wiewol nun et-<lb/>
liche nicht vermeynen/ oder &#x017F;ich einbilden ko&#x0364;nnen/ wie<lb/>
einiger Epheu-Saamen dahin mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e gekommen &#x017F;eyn/<lb/>
&#x017F;ey auch nicht glaublich/ daß der Hir&#x017F;ch &#x017F;ich etwa mit<lb/>
dem Geweyhe an einem Epheu-Stock &#x017F;olle geriben/<lb/>
und etwas von der Wurtzel behalten haben/ die etwan<lb/>
von ohngefehrde einen &#x017F;o weichen und faulen Ort im Ge-<lb/>
weyhe angetroffen ha&#x0364;tte/ und al&#x017F;o darinnen &#x017F;tecken ge-<lb/>
blieben und ausgewach&#x017F;en wa&#x0364;re. Mich aber dunckt es<lb/>
gantz wahr&#x017F;cheinlich/ weil bekannt/ daß &#x017F;ich die Schlan-<lb/>
gen und Nattern u&#x0364;beraus gerne in den Schatten des<lb/>
Epheues aufhalten/ darum er auch deßwegen aus vielen<lb/>
Ga&#x0364;rten <hi rendition="#aq">banni&#x017F;i</hi>rt wird/ ko&#x0364;nte al&#x017F;o wol &#x017F;eyn/ wann die<lb/>
&#x017F;o be&#x017F;chryene <hi rendition="#aq">Antipathia</hi> der Hir&#x017F;chen mit den Schlan-<lb/>
gen wahr i&#x017F;t/ daß etwan der&#x017F;elbige Hir&#x017F;ch eine Schlan-<lb/>
ge unter dem Epheu angetroffen/ und mit dem Gewey-<lb/>
he hat heraus arbeiten und heben wollen/ und etwan al-<lb/>
&#x017F;o ein zeitiges Epheu-Beerlein auf dem Geweyhe zer-<lb/>
druckt ha&#x0364;tte/ welches darauf ein kleines Oertlein mit Er-<lb/>
den gefu&#x0364;llt (wie &#x017F;ie dann gern in der Erde umwu&#x0364;hlen)<lb/>
erreicht; und wie der Epheu nicht tieffen Grund bedarff/<lb/>
al&#x017F;o er auch an die&#x017F;em Geweyhe eingewurtzelt und Zwei-<lb/>
ge getrieben ha&#x0364;tte.</p><lb/>
            <p>Wann das Geweyhe wieder anfa&#x0364;ngt zu wach&#x017F;en/<lb/>
welches die Ja&#x0364;ger Kolben hei&#x017F;&#x017F;en/ und &#x017F;ie etwan einer<lb/>
Handbreit lang werden/ &#x017F;ind &#x017F;ie weich/ und mit einer<lb/>
rauhen Haut u&#x0364;berzogen/ das wird/ wann ein &#x017F;olcher<lb/>
Hir&#x017F;ch gefa&#x0364;llt wird/ in kleine du&#x0364;nne Scheiblein ge&#x017F;chnit-<lb/>
ten oder klein gehackt/ mit Gewu&#x0364;rtz und Butter gekocht/<lb/>
und fu&#x0364;r ein fu&#x0364;rtreffliches ge&#x017F;undes Herren-E&#x017F;&#x017F;en billich<lb/>
gehalten. Wann &#x017F;ie &#x017F;ich in die Flucht begeben/ &#x017F;uchen<lb/>
&#x017F;ie die&#x017F;elbe mei&#x017F;tens nach dem Winde/ daß der Geruch<lb/>
von ihnen nicht gegen den Hunden &#x017F;ich ausbreiten mo&#x0364;ge.<lb/>
Sie &#x017F;ind von einem &#x017F;charffen u&#x0364;beraus &#x017F;ubtilen Geho&#x0364;r/<lb/>
&#x017F;onderlich wann &#x017F;ie die Ohren &#x017F;pitzen.</p><lb/>
            <p>Jn denen gar gro&#x017F;&#x017F;en alten Haubthir&#x017F;chen/ &#x017F;oll in<lb/>
beeden Augen-Ecken ein gewi&#x017F;&#x017F;es Gewa&#x0364;ch&#x017F;e (Hir&#x017F;chthre-<lb/>
nen genannt) gefunden werden/ anfangs wie ein Wachs<lb/>
oder Gummi/ wann es erhartet/ i&#x017F;t der Geruch davon<lb/>
er&#x017F;tlich widerwa&#x0364;rtig/ hernach wolriechender/ wird aber<lb/>
mit der Zeit &#x017F;o hart wie ein Horn oder Stein; wo er aus<lb/>
den Augenwinckeln herfu&#x0364;r ragt/ &#x017F;cheinet er rund/ glatt<lb/>
und gla&#x0364;ntzig/ gelblicht/ und mit &#x017F;chwartzen Aederlein/<lb/>
wie <hi rendition="#aq">Scaliger</hi> meldet/ der durch den Schweiß und Thre-<lb/>
nen (&#x017F;o aus Fre&#x017F;&#x017F;ung der gifftigen Schlangen verur&#x017F;acht<lb/>
wird) &#x017F;ich in die Ecke der Augen anlegt/ und endlich<lb/>
durch die Lufft erhartet; weil nun diß den Hir&#x017F;chen am<lb/>
Sehen verhindert/ reibt er &#x017F;ich an die Ba&#x0364;ume und &#x017F;treifft<lb/>
es ab/ da es bißweilen die Ja&#x0364;ger finden und hoch halten.<lb/>
6 Gran davon/ mit Mithridat genommen/ wider&#x017F;tehet<lb/>
dem Gifft. Wiewol etliche die <hi rendition="#aq">Antipathiam</hi> von der<lb/>
Schlangen fu&#x0364;r eine Fabel halten. <hi rendition="#aq">A quibusdam affir-<lb/>
matur, pellem cervinam eo tempore cervo detractam,<lb/>
quo in&#x017F;ano amore exæ&#x017F;tuat, &amp; &#x017F;uper Lectum, in quo<lb/>
conjuges cubant, &#x017F;tratam, eos ad venerem vehemen-<lb/>
ti&#x017F;&#x017F;imè &#x017F;timulare, ut Idem D. Graba ex Untzero a&#x017F;-<lb/>
&#x017F;erit</hi>. Darum auch in der Brun&#x017F;tzeit ihr Flei&#x017F;ch zu<lb/>
bo&#x0364;cklen pfleget.</p><lb/>
            <cb/>
            <p>Er &#x017F;oll (wie gedacht) ein &#x017F;onderbarer abge&#x017F;agter<lb/>
Feind der Schlangen &#x017F;eyn/ und wo er &#x017F;ie &#x017F;on&#x017F;t ober der<lb/>
Erden nicht findet/ ziehet er &#x017F;ie mit dem &#x017F;tarcken Pfnaus<lb/>
&#x017F;eines Athems aus der Ho&#x0364;hle/ zertritt und fri&#x017F;&#x017F;t &#x017F;ie/ und<lb/>
das thut er/ wann er kranck und matt wird/ dardurch rei-<lb/>
nigt er &#x017F;ich/ laufft &#x017F;o lang/ biß er anfa&#x0364;ngt zu &#x017F;chwitzen/ und<lb/>
ein Wa&#x017F;&#x017F;er findet/ darein legt er &#x017F;ich al&#x017F;obald/ und dar-<lb/>
auf fa&#x0364;ngt er an den Magen und gantzen Leib zu purgi-<lb/>
ren/ dardurch er wieder zu &#x017F;einen vorigen Kra&#x0364;fften ge-<lb/>
langet.</p><lb/>
            <p>Wiewol <hi rendition="#aq">Sieur de Salnove,</hi> in &#x017F;einer <hi rendition="#aq">Venerie<lb/>
Royale,</hi> die&#x017F;es fu&#x0364;r eine Fabel ha&#x0364;lt/ und vermeynt/ &#x017F;ie<lb/>
purgiren &#x017F;ich ja&#x0364;hrlich im Fru&#x0364;hling mit dem jungen Gras/<lb/>
wie man aus ihrem Loß darzumal leicht &#x017F;ehen kan. Jm<lb/>
Winter ligen &#x017F;ie mei&#x017F;tentheils Hauffenweiß/ damit &#x017F;ie<lb/>
mit ihrem Athem/ und nahendem Anligen einander er-<lb/>
wa&#x0364;rmen; im Sommer hingegen ligen &#x017F;ie gern allein/<lb/>
de&#x017F;to ku&#x0364;hlerer Lufft und Lager&#x017F;tatt zu genie&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
            <p>Wann der Hir&#x017F;ch im Lauff i&#x017F;t/ und ihn Jemand an-<lb/>
&#x017F;chreyet/ &#x017F;o bleibt er al&#x017F;obald &#x017F;tutzen/ und geht der geho&#x0364;r-<lb/>
ten Stimme zu/ dardurch er aus &#x017F;einer Einfalt/ de&#x017F;to<lb/>
leichter zum Schuß gebracht wird. Wann er etwas un-<lb/>
gewo&#x0364;hnliches &#x017F;ihet/ als etwan einen Fuhrman&#x0303; mit einem<lb/>
Wagen/ oder ein beladen Saumroß oder E&#x017F;el/ &#x017F;o &#x017F;tehet<lb/>
er &#x017F;till und gaffet es an.</p><lb/>
            <p><hi rendition="#aq">Mon&#x017F;. du Fouilloux</hi> &#x017F;agt/ die Hir&#x017F;chen &#x017F;eyen von<lb/>
dreyerley Haaren/ braun/ falb und ro&#x0364;thlicht; die brau-<lb/>
nen &#x017F;ind groß und la&#x0364;nglicht/ lauffen &#x017F;chnell/ und haben<lb/>
einen &#x017F;ta&#x0364;rckern Athem/ als die andern; etliche davon<lb/>
&#x017F;ind klein/ haben mei&#x017F;tentheils &#x017F;chwa&#x0364;rtzlichte Haar auf<lb/>
dem Hals/ haben ein edler Wildpret als die andern/<lb/>
weil &#x017F;ie lieber in den Gebu&#x0364;&#x017F;chen ihre Weide nehmen/ als<lb/>
in den gro&#x017F;&#x017F;en Wa&#x0364;ldern. Die falben Hir&#x017F;chen tragen<lb/>
ihr Haubt empor/ haben ein &#x017F;chwaches Geweyhe/ &#x017F;on-<lb/>
derlich die jenigen/ &#x017F;o etwas wei&#x017F;&#x017F;es unter den Haaren<lb/>
haben; die aber gelbfalbe und einen braunen Strich u&#x0364;-<lb/>
ber den Rucken haben/ die &#x017F;ind edle und gute Hir&#x017F;chen.<lb/>
Die ro&#x0364;thlichfa&#x0364;rbigen Hir&#x017F;chen &#x017F;ind mei&#x017F;tentheils jung<lb/>
und dauerhafft/ welche &#x017F;onderlich die <hi rendition="#aq">Chiens Courans</hi><lb/>
und lauffende Hunde lang genug abtreiben und ermu&#x0364;-<lb/>
den ko&#x0364;nnen.</p><lb/>
            <p>Die wei&#x017F;&#x017F;en Hir&#x017F;chen &#x017F;ind gantz rar/ mo&#x0364;chten et-<lb/>
wan mehr in den Nordla&#x0364;ndern zu finden &#x017F;eyn/ werden<lb/>
von den Jndianern Hir&#x017F;chen-Ko&#x0364;nig und <hi rendition="#aq">Yztac Ma-<lb/>
came</hi> genennt; einen &#x017F;olchen wei&#x017F;&#x017F;en Hir&#x017F;chen &#x017F;oll/ nach<lb/><hi rendition="#aq">Cardani</hi> Zeugnis/ ein Engli&#x017F;cher Ko&#x0364;nig/ dem Sicilia-<lb/>
ni&#x017F;chen Ko&#x0364;nig <hi rendition="#aq">Alphon&#x017F;o</hi> u&#x0364;ber&#x017F;endet haben/ ein &#x017F;olches<lb/>
wei&#x017F;&#x017F;es Stuck Wild hat auch/ wie <hi rendition="#aq">Gellius</hi> &#x017F;chreibet/<lb/><hi rendition="#aq">Sertorius</hi> in Portugall gehabt/ welches ihn u&#x0364;berall<lb/>
hin begleitet hat.</p><lb/>
            <p>Wann der Hir&#x017F;ch von Hunden/ &#x017F;onderlich in der<lb/>
Brun&#x017F;tzeit/ angefallen wird/ &#x017F;to&#x0364;&#x017F;&#x017F;et er mit dem Geweyh/<lb/>
und &#x017F;chla&#x0364;gt mit dem vordern Lauff tapffer von &#x017F;ich loß.<lb/>
Er i&#x017F;t &#x017F;o &#x017F;chnell/ daß er im Lauffen auch ein Pferd u&#x0364;ber-<lb/>
trifft/ und erzehlt <hi rendition="#aq">Colerus l 14. c.</hi> 35. daß die Grafen von<lb/>
Stollberg einen &#x017F;olchen zahmen Hir&#x017F;chen gehabt/ der<lb/>
&#x017F;ich za&#x0364;umen und reiten la&#x017F;&#x017F;en/ die&#x017F;en haben &#x017F;ie Ertzher-<lb/>
tzog <hi rendition="#aq">Maximiliano,</hi> der nach <hi rendition="#aq">Ferdinandi I.</hi> &#x017F;eines Her-<lb/>
ren Vatters Tod/ hernach Kay&#x017F;er/ und der ander diß<lb/>
Nahmens genennt worden/ verehret. Und als Kay&#x017F;er<lb/><hi rendition="#aq">Carolus V. Anno</hi> 1548. zu Aug&#x017F;purg einen Wett-<lb/>
lauff mit Pferden ange&#x017F;tellt/ &#x017F;ey die&#x017F;er Hir&#x017F;ch mit &#x017F;einem<lb/>
Reuter/ allen den &#x017F;chnelle&#x017F;ten Spani&#x017F;chen Pferden weit<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">fu&#x0364;rge-</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[608/0626] Des Adelichen Land- und Feld-Lebens an die Staͤmme der Waldbaͤume anſchlagen/ ſie nach und nach abledigen/ rogel machen/ und endlich gar ab- werffen/ wie D. Joh. Andr. Graba in ſeiner ἐλαφογραφίᾳ bezeuget. Theophraſtus meldet/ daß einem Hirſchen aus ſei- nem Geweyhe Epheu gewachſen ſey. Wiewol nun et- liche nicht vermeynen/ oder ſich einbilden koͤnnen/ wie einiger Epheu-Saamen dahin muͤſſe gekommen ſeyn/ ſey auch nicht glaublich/ daß der Hirſch ſich etwa mit dem Geweyhe an einem Epheu-Stock ſolle geriben/ und etwas von der Wurtzel behalten haben/ die etwan von ohngefehrde einen ſo weichen und faulen Ort im Ge- weyhe angetroffen haͤtte/ und alſo darinnen ſtecken ge- blieben und ausgewachſen waͤre. Mich aber dunckt es gantz wahrſcheinlich/ weil bekannt/ daß ſich die Schlan- gen und Nattern uͤberaus gerne in den Schatten des Epheues aufhalten/ darum er auch deßwegen aus vielen Gaͤrten banniſirt wird/ koͤnte alſo wol ſeyn/ wann die ſo beſchryene Antipathia der Hirſchen mit den Schlan- gen wahr iſt/ daß etwan derſelbige Hirſch eine Schlan- ge unter dem Epheu angetroffen/ und mit dem Gewey- he hat heraus arbeiten und heben wollen/ und etwan al- ſo ein zeitiges Epheu-Beerlein auf dem Geweyhe zer- druckt haͤtte/ welches darauf ein kleines Oertlein mit Er- den gefuͤllt (wie ſie dann gern in der Erde umwuͤhlen) erreicht; und wie der Epheu nicht tieffen Grund bedarff/ alſo er auch an dieſem Geweyhe eingewurtzelt und Zwei- ge getrieben haͤtte. Wann das Geweyhe wieder anfaͤngt zu wachſen/ welches die Jaͤger Kolben heiſſen/ und ſie etwan einer Handbreit lang werden/ ſind ſie weich/ und mit einer rauhen Haut uͤberzogen/ das wird/ wann ein ſolcher Hirſch gefaͤllt wird/ in kleine duͤnne Scheiblein geſchnit- ten oder klein gehackt/ mit Gewuͤrtz und Butter gekocht/ und fuͤr ein fuͤrtreffliches geſundes Herren-Eſſen billich gehalten. Wann ſie ſich in die Flucht begeben/ ſuchen ſie dieſelbe meiſtens nach dem Winde/ daß der Geruch von ihnen nicht gegen den Hunden ſich ausbreiten moͤge. Sie ſind von einem ſcharffen uͤberaus ſubtilen Gehoͤr/ ſonderlich wann ſie die Ohren ſpitzen. Jn denen gar groſſen alten Haubthirſchen/ ſoll in beeden Augen-Ecken ein gewiſſes Gewaͤchſe (Hirſchthre- nen genannt) gefunden werden/ anfangs wie ein Wachs oder Gummi/ wann es erhartet/ iſt der Geruch davon erſtlich widerwaͤrtig/ hernach wolriechender/ wird aber mit der Zeit ſo hart wie ein Horn oder Stein; wo er aus den Augenwinckeln herfuͤr ragt/ ſcheinet er rund/ glatt und glaͤntzig/ gelblicht/ und mit ſchwartzen Aederlein/ wie Scaliger meldet/ der durch den Schweiß und Thre- nen (ſo aus Freſſung der gifftigen Schlangen verurſacht wird) ſich in die Ecke der Augen anlegt/ und endlich durch die Lufft erhartet; weil nun diß den Hirſchen am Sehen verhindert/ reibt er ſich an die Baͤume und ſtreifft es ab/ da es bißweilen die Jaͤger finden und hoch halten. 6 Gran davon/ mit Mithridat genommen/ widerſtehet dem Gifft. Wiewol etliche die Antipathiam von der Schlangen fuͤr eine Fabel halten. A quibusdam affir- matur, pellem cervinam eo tempore cervo detractam, quo inſano amore exæſtuat, & ſuper Lectum, in quo conjuges cubant, ſtratam, eos ad venerem vehemen- tiſſimè ſtimulare, ut Idem D. Graba ex Untzero aſ- ſerit. Darum auch in der Brunſtzeit ihr Fleiſch zu boͤcklen pfleget. Er ſoll (wie gedacht) ein ſonderbarer abgeſagter Feind der Schlangen ſeyn/ und wo er ſie ſonſt ober der Erden nicht findet/ ziehet er ſie mit dem ſtarcken Pfnaus ſeines Athems aus der Hoͤhle/ zertritt und friſſt ſie/ und das thut er/ wann er kranck und matt wird/ dardurch rei- nigt er ſich/ laufft ſo lang/ biß er anfaͤngt zu ſchwitzen/ und ein Waſſer findet/ darein legt er ſich alſobald/ und dar- auf faͤngt er an den Magen und gantzen Leib zu purgi- ren/ dardurch er wieder zu ſeinen vorigen Kraͤfften ge- langet. Wiewol Sieur de Salnove, in ſeiner Venerie Royale, dieſes fuͤr eine Fabel haͤlt/ und vermeynt/ ſie purgiren ſich jaͤhrlich im Fruͤhling mit dem jungen Gras/ wie man aus ihrem Loß darzumal leicht ſehen kan. Jm Winter ligen ſie meiſtentheils Hauffenweiß/ damit ſie mit ihrem Athem/ und nahendem Anligen einander er- waͤrmen; im Sommer hingegen ligen ſie gern allein/ deſto kuͤhlerer Lufft und Lagerſtatt zu genieſſen. Wann der Hirſch im Lauff iſt/ und ihn Jemand an- ſchreyet/ ſo bleibt er alſobald ſtutzen/ und geht der gehoͤr- ten Stimme zu/ dardurch er aus ſeiner Einfalt/ deſto leichter zum Schuß gebracht wird. Wann er etwas un- gewoͤhnliches ſihet/ als etwan einen Fuhrmañ mit einem Wagen/ oder ein beladen Saumroß oder Eſel/ ſo ſtehet er ſtill und gaffet es an. Monſ. du Fouilloux ſagt/ die Hirſchen ſeyen von dreyerley Haaren/ braun/ falb und roͤthlicht; die brau- nen ſind groß und laͤnglicht/ lauffen ſchnell/ und haben einen ſtaͤrckern Athem/ als die andern; etliche davon ſind klein/ haben meiſtentheils ſchwaͤrtzlichte Haar auf dem Hals/ haben ein edler Wildpret als die andern/ weil ſie lieber in den Gebuͤſchen ihre Weide nehmen/ als in den groſſen Waͤldern. Die falben Hirſchen tragen ihr Haubt empor/ haben ein ſchwaches Geweyhe/ ſon- derlich die jenigen/ ſo etwas weiſſes unter den Haaren haben; die aber gelbfalbe und einen braunen Strich uͤ- ber den Rucken haben/ die ſind edle und gute Hirſchen. Die roͤthlichfaͤrbigen Hirſchen ſind meiſtentheils jung und dauerhafft/ welche ſonderlich die Chiens Courans und lauffende Hunde lang genug abtreiben und ermuͤ- den koͤnnen. Die weiſſen Hirſchen ſind gantz rar/ moͤchten et- wan mehr in den Nordlaͤndern zu finden ſeyn/ werden von den Jndianern Hirſchen-Koͤnig und Yztac Ma- came genennt; einen ſolchen weiſſen Hirſchen ſoll/ nach Cardani Zeugnis/ ein Engliſcher Koͤnig/ dem Sicilia- niſchen Koͤnig Alphonſo uͤberſendet haben/ ein ſolches weiſſes Stuck Wild hat auch/ wie Gellius ſchreibet/ Sertorius in Portugall gehabt/ welches ihn uͤberall hin begleitet hat. Wann der Hirſch von Hunden/ ſonderlich in der Brunſtzeit/ angefallen wird/ ſtoͤſſet er mit dem Geweyh/ und ſchlaͤgt mit dem vordern Lauff tapffer von ſich loß. Er iſt ſo ſchnell/ daß er im Lauffen auch ein Pferd uͤber- trifft/ und erzehlt Colerus l 14. c. 35. daß die Grafen von Stollberg einen ſolchen zahmen Hirſchen gehabt/ der ſich zaͤumen und reiten laſſen/ dieſen haben ſie Ertzher- tzog Maximiliano, der nach Ferdinandi I. ſeines Her- ren Vatters Tod/ hernach Kayſer/ und der ander diß Nahmens genennt worden/ verehret. Und als Kayſer Carolus V. Anno 1548. zu Augſpurg einen Wett- lauff mit Pferden angeſtellt/ ſey dieſer Hirſch mit ſeinem Reuter/ allen den ſchnelleſten Spaniſchen Pferden weit fuͤrge-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hohberg_georgica02_1682
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hohberg_georgica02_1682/626
Zitationshilfe: Hohberg, Wolf Helmhard von: Georgica Curiosa. Bd. 2. Nürnberg, 1682, S. 608. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hohberg_georgica02_1682/626>, abgerufen am 25.11.2024.