Des Adelichen Land- und Feld-Lebens Eilfftes Buch/ Wasser-Lust.
Caput I. Vom Wasser ins gemein.
[Spaltenumbruch]
EJn Unverständiger möchte es für gering schätzen und vielleicht un- gereimt/ daß man von dem Was- ser/ dessen das gantze Meer/ Seen/ alle Ströme/ Flüsse/ Bäche/ und Bronnen voll/ daß auch hauffen- weise vom Himmel regnet/ so viel Wort solle machen/ es sey ohne diß auch den Bauren und Kindern bekannt. Nun ist es wol die Warheit/ aber diß auch dabey gewiß/ daß eben diese jetzt angedeuteten Momi, ja fast die meisten Leute/ in der Welt/ von dieser bösen Unart sind/ daß sie GOtt dem allweisen Weltherrscher/ für die allergrösten Wol- thaten/ am allerwenigsten dancken; und wie wolten sie dancken für das/ dessen Werth und Hohheit sie nie er- kennen? und wie wolten sie das/ was ausser ihnen ist/ be- trachten? wissen doch die allerwenigsten das/ was selbst in ihnen ist/ und worfür sie GOTT am meisten ihr Danck- und Lob-Opffer hätten abzulegen; sie schauen es an/ dem Sprichwort nach/ wie eine Kuhe ein neues Thor/ leben also in den Tag hinein wie das Viehe/ ist auch zwischen ihnen/ und dem Viehe/ ein geringer Un- terscheid/ ausser/ daß sie reden und lachen können.
Es ist aber das Wasser ein so vortreffliches und vornehmes Element/ daß etliche Philosophi der Mey- nung gewesen/ aus dem Wasser seyen alle Ding erschaf- fen/ daher sie auch den Ocean patrem sive matricem rerum omnium genennet; welches auch der heilige Apostel Petrus in seiner andern Epistel am dritten Ca- pitel zu bestättigen scheinet/ wann er daselbst sagt: quod coeli erant prius & terra de aqua, & per aquam, con- siftens Dei verbo. Daß die Himmel vor diesen/ und die Erden aus Wasser/ und durch das Wasser bestan- den/ durch GOttes Wort. Und ist zwar der ersten Ur- saamen der Elementen eine so subtile und wundersame Vermischung/ daß solche mehr zu bewundern/ als aus- zusprechen. Heraclitus pflegte zu sagen/ des Feuers Tod sey eine Geburt der Lufft/ und der Lufft Tod sey eine Geburt des Wassers/ die Lufft lebt im Feuer/ und das Feuer in der Lufft/ das Wasser in der Erden/ und die Erde im Wasser/ und darnach das Wasser in der Lufft; das Feuer reiniget die Lufft/ die Lufft reiniget [Spaltenumbruch]
das Wasser/ und das Wasser die Erden/ und das Feuer ertheilet den andern ihre durchsichtige Klarheit/ also daß kein Element gantz rein zu finden; daher wird die Lufft offt ein subtiles Wasser/ das Feuer eine subtile Lufft/ das Wasser eine zusammen gepackte dicke Lufft/ und die Erden ein dickes Wasser genennet. Und der gelehrte und scharffsinnige Sonderling/ Herr von Helmont, sta- tuirt nicht mehr als zwey Element/ als wie zwey grosse Liechter am Himmel; sagt auch/ der Chymisten drey Principia, als Saltz/ Schwefel und Mercurius, sey dieses Namens nicht würdig/ weil ihr Ursprung glei- chesfalls aus Wasser herkommt/ siquidem initiorum sive elementorum stabilis sit natura, oportet, si no- men ac proprietatem principii sustinere debeant, die Elementen müssen einer beständigen Art seyn/ wann sie den Namen eines Ursaamens behaupten solten; daher will er/ es sey[unleserliches Material - 2 Zeichen fehlen] nur zwey reine Elementen/ als das Was- ser/ aus wel[ch]em alles kommt; und der Archeus, oder das Fermentum, als Initium seminale; dieses ist die forma, das andere die materia.
Und diese Meynung verwirfft auch der hocherfahrne Englische Cantzler Franciscus Bacon Freyherr de Ve- rulamio nicht allerdings. Daß ist zwar bey den meisten unlaugbar/ daß das Wasser den ersten Ursaamen des Geflügels/ der Fische/ der Felsen/ der Edelgestein/ der Metallen/ Mineralien und Saltzes in sich enthalte. Die Feuchtigkeit ist eine qualitas passiva, eine leidende Eigenschafft/ davon ein grosses Theil der Erdenkugel/ davon alle Höhlen und Abgründe der Erden/ gefüllet/ und wie in eine Kuchen gebracht werden/ darinnen sitzt der Koch/ den etliche die Natur/ andere/ die Seele der Erden/ Theophrastus aber Archeum nennet/ das ist nemlich das Feuer/ oder die verdauende und kochende Krafft/ wie in allen Thieren am Hertzen und an der Leber zu sehen/ und wann diese inwendige Wärme nicht vorhanden wäre/ würde weder der Sonnen Strahlen/ noch des Planeten Martis hitzige Eigenschafft (wie Keplerus dafür halt) allein so viel wircken können/ dann weil diese himmlische Aspecten und Einflüsse nur zu gewissen Zeiten und Stunden sich ereignen/ ist solches gleichsam wie eine Uhr/ die der Koch der Natur sen- sione rationis participe, utpote rei ratione sola plene
per-
K k k iij
Des Adelichen Land- und Feld-Lebens Eilfftes Buch/ Waſſer-Luſt.
Caput I. Vom Waſſer ins gemein.
[Spaltenumbruch]
EJn Unverſtaͤndiger moͤchte es fuͤr gering ſchaͤtzen und vielleicht un- gereimt/ daß man von dem Waſ- ſer/ deſſen das gantze Meer/ Seen/ alle Stroͤme/ Fluͤſſe/ Baͤche/ und Bronnen voll/ daß auch hauffen- weiſe vom Himmel regnet/ ſo viel Wort ſolle machen/ es ſey ohne diß auch den Bauren und Kindern bekannt. Nun iſt es wol die Warheit/ aber diß auch dabey gewiß/ daß eben dieſe jetzt angedeuteten Momi, ja faſt die meiſten Leute/ in der Welt/ von dieſer boͤſen Unart ſind/ daß ſie GOtt dem allweiſen Weltherꝛſcher/ fuͤr die allergroͤſten Wol- thaten/ am allerwenigſten dancken; und wie wolten ſie dancken fuͤr das/ deſſen Werth und Hohheit ſie nie er- kennen? und wie wolten ſie das/ was auſſer ihnen iſt/ be- trachten? wiſſen doch die allerwenigſten das/ was ſelbſt in ihnen iſt/ und worfuͤr ſie GOTT am meiſten ihr Danck- und Lob-Opffer haͤtten abzulegen; ſie ſchauen es an/ dem Sprichwort nach/ wie eine Kuhe ein neues Thor/ leben alſo in den Tag hinein wie das Viehe/ iſt auch zwiſchen ihnen/ und dem Viehe/ ein geringer Un- terſcheid/ auſſer/ daß ſie reden und lachen koͤnnen.
Es iſt aber das Waſſer ein ſo vortreffliches und vornehmes Element/ daß etliche Philoſophi der Mey- nung geweſen/ aus dem Waſſer ſeyen alle Ding erſchaf- fen/ daher ſie auch den Ocean patrem ſive matricem rerum omnium genennet; welches auch der heilige Apoſtel Petrus in ſeiner andern Epiſtel am dritten Ca- pitel zu beſtaͤttigen ſcheinet/ wann er daſelbſt ſagt: quod cœli erant prius & terra de aquâ, & per aquam, con- ſiftens Dei verbo. Daß die Himmel vor dieſen/ und die Erden aus Waſſer/ und durch das Waſſer beſtan- den/ durch GOttes Wort. Und iſt zwar der erſten Ur- ſaamen der Elementen eine ſo ſubtile und wunderſame Vermiſchung/ daß ſolche mehr zu bewundern/ als aus- zuſprechen. Heraclitus pflegte zu ſagen/ des Feuers Tod ſey eine Geburt der Lufft/ und der Lufft Tod ſey eine Geburt des Waſſers/ die Lufft lebt im Feuer/ und das Feuer in der Lufft/ das Waſſer in der Erden/ und die Erde im Waſſer/ und darnach das Waſſer in der Lufft; das Feuer reiniget die Lufft/ die Lufft reiniget [Spaltenumbruch]
das Waſſer/ und das Waſſer die Erden/ und das Feuer ertheilet den andern ihre durchſichtige Klarheit/ alſo daß kein Element gantz rein zu finden; daher wird die Lufft offt ein ſubtiles Waſſer/ das Feuer eine ſubtile Lufft/ das Waſſer eine zuſammen gepackte dicke Lufft/ und die Erden ein dickes Waſſer genennet. Und der gelehrte und ſcharffſinnige Sonderling/ Herꝛ von Helmont, ſta- tuirt nicht mehr als zwey Element/ als wie zwey groſſe Liechter am Himmel; ſagt auch/ der Chymiſten drey Principia, als Saltz/ Schwefel und Mercurius, ſey dieſes Namens nicht wuͤrdig/ weil ihr Urſprung glei- chesfalls aus Waſſer herkommt/ ſiquidem initiorum ſive elementorum ſtabilis ſit natura, oportet, ſi no- men ac proprietatem principii ſuſtinere debeant, die Elementen muͤſſen einer beſtaͤndigen Art ſeyn/ wann ſie den Namen eines Urſaamens behaupten ſolten; daher will er/ es ſey[unleserliches Material – 2 Zeichen fehlen] nur zwey reine Elementen/ als das Waſ- ſer/ aus wel[ch]em alles kommt; und der Archeus, oder das Fermentum, als Initium ſeminale; dieſes iſt die forma, das andere die materia.
Und dieſe Meynung verwirfft auch der hocherfahrne Engliſche Cantzler Franciſcus Bacon Freyherꝛ de Ve- rulamio nicht allerdings. Daß iſt zwar bey den meiſten unlaugbar/ daß das Waſſer den erſten Urſaamen des Gefluͤgels/ der Fiſche/ der Felſen/ der Edelgeſtein/ der Metallen/ Mineralien und Saltzes in ſich enthalte. Die Feuchtigkeit iſt eine qualitas paſſiva, eine leidende Eigenſchafft/ davon ein groſſes Theil der Erdenkugel/ davon alle Hoͤhlen und Abgruͤnde der Erden/ gefuͤllet/ und wie in eine Kuchen gebracht werden/ darinnen ſitzt der Koch/ den etliche die Natur/ andere/ die Seele der Erden/ Theophraſtus aber Archeum nennet/ das iſt nemlich das Feuer/ oder die verdauende und kochende Krafft/ wie in allen Thieren am Hertzen und an der Leber zu ſehen/ und wann dieſe inwendige Waͤrme nicht vorhanden waͤre/ wuͤrde weder der Sonnen Strahlen/ noch des Planeten Martis hitzige Eigenſchafft (wie Keplerus dafuͤr halt) allein ſo viel wircken koͤnnen/ dann weil dieſe himmliſche Aſpecten und Einfluͤſſe nur zu gewiſſen Zeiten und Stunden ſich ereignen/ iſt ſolches gleichſam wie eine Uhr/ die der Koch der Natur ſen- ſione rationis participe, utpote rei ratione ſolâ plenè
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Des
Adelichen Land- und Feld-Lebens
Eilfftes Buch/
Waſſer-Luſt.
Caput I.
Vom Waſſer ins gemein.
EJn Unverſtaͤndiger moͤchte es fuͤr
gering ſchaͤtzen und vielleicht un-
gereimt/ daß man von dem Waſ-
ſer/ deſſen das gantze Meer/ Seen/
alle Stroͤme/ Fluͤſſe/ Baͤche/ und
Bronnen voll/ daß auch hauffen-
weiſe vom Himmel regnet/ ſo viel
Wort ſolle machen/ es ſey ohne diß
auch den Bauren und Kindern bekannt. Nun iſt es
wol die Warheit/ aber diß auch dabey gewiß/ daß eben
dieſe jetzt angedeuteten Momi, ja faſt die meiſten Leute/
in der Welt/ von dieſer boͤſen Unart ſind/ daß ſie GOtt
dem allweiſen Weltherꝛſcher/ fuͤr die allergroͤſten Wol-
thaten/ am allerwenigſten dancken; und wie wolten ſie
dancken fuͤr das/ deſſen Werth und Hohheit ſie nie er-
kennen? und wie wolten ſie das/ was auſſer ihnen iſt/ be-
trachten? wiſſen doch die allerwenigſten das/ was ſelbſt
in ihnen iſt/ und worfuͤr ſie GOTT am meiſten ihr
Danck- und Lob-Opffer haͤtten abzulegen; ſie ſchauen
es an/ dem Sprichwort nach/ wie eine Kuhe ein neues
Thor/ leben alſo in den Tag hinein wie das Viehe/
iſt auch zwiſchen ihnen/ und dem Viehe/ ein geringer Un-
terſcheid/ auſſer/ daß ſie reden und lachen koͤnnen.
Es iſt aber das Waſſer ein ſo vortreffliches und
vornehmes Element/ daß etliche Philoſophi der Mey-
nung geweſen/ aus dem Waſſer ſeyen alle Ding erſchaf-
fen/ daher ſie auch den Ocean patrem ſive matricem
rerum omnium genennet; welches auch der heilige
Apoſtel Petrus in ſeiner andern Epiſtel am dritten Ca-
pitel zu beſtaͤttigen ſcheinet/ wann er daſelbſt ſagt: quod
cœli erant prius & terra de aquâ, & per aquam, con-
ſiftens Dei verbo. Daß die Himmel vor dieſen/ und
die Erden aus Waſſer/ und durch das Waſſer beſtan-
den/ durch GOttes Wort. Und iſt zwar der erſten Ur-
ſaamen der Elementen eine ſo ſubtile und wunderſame
Vermiſchung/ daß ſolche mehr zu bewundern/ als aus-
zuſprechen. Heraclitus pflegte zu ſagen/ des Feuers
Tod ſey eine Geburt der Lufft/ und der Lufft Tod ſey
eine Geburt des Waſſers/ die Lufft lebt im Feuer/ und
das Feuer in der Lufft/ das Waſſer in der Erden/ und
die Erde im Waſſer/ und darnach das Waſſer in der
Lufft; das Feuer reiniget die Lufft/ die Lufft reiniget
das Waſſer/ und das Waſſer die Erden/ und das Feuer
ertheilet den andern ihre durchſichtige Klarheit/ alſo daß
kein Element gantz rein zu finden; daher wird die Lufft
offt ein ſubtiles Waſſer/ das Feuer eine ſubtile Lufft/
das Waſſer eine zuſammen gepackte dicke Lufft/ und die
Erden ein dickes Waſſer genennet. Und der gelehrte
und ſcharffſinnige Sonderling/ Herꝛ von Helmont, ſta-
tuirt nicht mehr als zwey Element/ als wie zwey groſſe
Liechter am Himmel; ſagt auch/ der Chymiſten drey
Principia, als Saltz/ Schwefel und Mercurius, ſey
dieſes Namens nicht wuͤrdig/ weil ihr Urſprung glei-
chesfalls aus Waſſer herkommt/ ſiquidem initiorum
ſive elementorum ſtabilis ſit natura, oportet, ſi no-
men ac proprietatem principii ſuſtinere debeant, die
Elementen muͤſſen einer beſtaͤndigen Art ſeyn/ wann ſie
den Namen eines Urſaamens behaupten ſolten; daher
will er/ es ſey__ nur zwey reine Elementen/ als das Waſ-
ſer/ aus welchem alles kommt; und der Archeus, oder
das Fermentum, als Initium ſeminale; dieſes iſt die
forma, das andere die materia.
Und dieſe Meynung verwirfft auch der hocherfahrne
Engliſche Cantzler Franciſcus Bacon Freyherꝛ de Ve-
rulamio nicht allerdings. Daß iſt zwar bey den meiſten
unlaugbar/ daß das Waſſer den erſten Urſaamen des
Gefluͤgels/ der Fiſche/ der Felſen/ der Edelgeſtein/ der
Metallen/ Mineralien und Saltzes in ſich enthalte.
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und wie in eine Kuchen gebracht werden/ darinnen ſitzt
der Koch/ den etliche die Natur/ andere/ die Seele der
Erden/ Theophraſtus aber Archeum nennet/ das iſt
nemlich das Feuer/ oder die verdauende und kochende
Krafft/ wie in allen Thieren am Hertzen und an der
Leber zu ſehen/ und wann dieſe inwendige Waͤrme nicht
vorhanden waͤre/ wuͤrde weder der Sonnen Strahlen/
noch des Planeten Martis hitzige Eigenſchafft (wie
Keplerus dafuͤr halt) allein ſo viel wircken koͤnnen/
dann weil dieſe himmliſche Aſpecten und Einfluͤſſe nur
zu gewiſſen Zeiten und Stunden ſich ereignen/ iſt ſolches
gleichſam wie eine Uhr/ die der Koch der Natur ſen-
ſione rationis participe, utpote rei ratione ſolâ plenè
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Hohberg, Wolf Helmhard von: Georgica Curiosa. Bd. 2. Nürnberg, 1682, S. 445. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hohberg_georgica02_1682/463>, abgerufen am 22.11.2024.
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