Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 6. Leipzig, 1709.Sinn-Getichte. Die schöne glaubens-brüder. WAs glaubst du? ward gefragt. Die autwort kam geflogen:Jch glaube nichts. Warum? so werd ich nicht be- trogen. So glaub ich alles denn, warff ihm ein andrer ein, Es muß ja etwas wahr von dem geglaubten seyn. Auf ein unartiges frauenzimmer. WEr Caspiam bekommt, braucht keinen bienenstock,Er braucht kein hackebrett und keine rübehacke: Wenn sie am frömmsten ist, so sieht sie wie ein bock; Wenn sie am schönsten ist, so gleicht sie meinem sacke. Die schein-heilige. MAn küßte Julien bey einer compagnie,Da seufftzte sie gar tief. Warum es nun geschehen, Befragte sie ein freund: Jch seufftze, sagte sie, Nicht, daß man mich geküßt, nur weil man es gesehen. Auf einen ungelehrten doctor. HJer deckt ein sammtner peltz den höltzernen verstand,Zu einem geistlichen ward er zu schlecht erkannt; Nichts nutze war er auch in der juristen orden; Aus desperation ist er ein doctor worden. Grabschrifft eines gold-machers. SChau hier ein volles grab und eine leere küste,Hier ruht ein alchymist; das echo rufft: im miste. Räthsel. DEr bauer sieht es stets, gar selten sehns die reichen,GOtt sieht es nimmermehr. Was ist es? seines gleichen. Auf
Sinn-Getichte. Die ſchoͤne glaubens-bruͤder. WAs glaubſt du? ward gefragt. Die autwort kam geflogen:Jch glaube nichts. Warum? ſo werd ich nicht be- trogen. So glaub ich alles denn, warff ihm ein andrer ein, Es muß ja etwas wahr von dem geglaubten ſeyn. Auf ein unartiges frauenzimmer. WEr Caſpiam bekommt, braucht keinen bienenſtock,Er braucht kein hackebrett und keine ruͤbehacke: Wenn ſie am froͤmmſten iſt, ſo ſieht ſie wie ein bock; Wenn ſie am ſchoͤnſten iſt, ſo gleicht ſie meinem ſacke. Die ſchein-heilige. MAn kuͤßte Julien bey einer compagnie,Da ſeufftzte ſie gar tief. Warum es nun geſchehen, Befragte ſie ein freund: Jch ſeufftze, ſagte ſie, Nicht, daß man mich gekuͤßt, nur weil man es geſehen. Auf einen ungelehrten doctor. HJer deckt ein ſammtner peltz den hoͤltzernen verſtand,Zu einem geiſtlichen ward er zu ſchlecht erkannt; Nichts nutze war er auch in der juriſten orden; Aus deſperation iſt er ein doctor worden. Grabſchrifft eines gold-machers. SChau hier ein volles grab und eine leere kuͤſte,Hier ruht ein alchymiſt; das echo rufft: im miſte. Raͤthſel. DEr bauer ſieht es ſtets, gar ſelten ſehns die reichen,GOtt ſieht es nimmermehr. Was iſt es? ſeines gleichen. Auf
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WAs glaubſt du? ward gefragt. Die autwort kam geflogen:
Jch glaube nichts. Warum? ſo werd ich nicht be-
trogen.
So glaub ich alles denn, warff ihm ein andrer ein,
Es muß ja etwas wahr von dem geglaubten ſeyn.
Auf ein unartiges frauenzimmer.
WEr Caſpiam bekommt, braucht keinen bienenſtock,
Er braucht kein hackebrett und keine ruͤbehacke:
Wenn ſie am froͤmmſten iſt, ſo ſieht ſie wie ein bock;
Wenn ſie am ſchoͤnſten iſt, ſo gleicht ſie meinem ſacke.
Die ſchein-heilige.
MAn kuͤßte Julien bey einer compagnie,
Da ſeufftzte ſie gar tief. Warum es nun geſchehen,
Befragte ſie ein freund: Jch ſeufftze, ſagte ſie,
Nicht, daß man mich gekuͤßt, nur weil man es geſehen.
Auf einen ungelehrten doctor.
HJer deckt ein ſammtner peltz den hoͤltzernen verſtand,
Zu einem geiſtlichen ward er zu ſchlecht erkannt;
Nichts nutze war er auch in der juriſten orden;
Aus deſperation iſt er ein doctor worden.
Grabſchrifft eines gold-machers.
SChau hier ein volles grab und eine leere kuͤſte,
Hier ruht ein alchymiſt; das echo rufft: im miſte.
Raͤthſel.
DEr bauer ſieht es ſtets, gar ſelten ſehns die reichen,
GOtt ſieht es nimmermehr. Was iſt es? ſeines gleichen.
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Zitationshilfe: | Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 6. Leipzig, 1709, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte06_1709/78>, abgerufen am 16.02.2025. |