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Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 6. Leipzig, 1709.

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Verliebte und
Die augen machten sich zu lauter thränen-quellen,
Das hertze wuste nichts als jammer vorzustellen.
Allein der himmel sprach: Mein engel! weine nicht,
Der schaden, welcher dir durch diesen fall geschicht,
Jst schon durch mich ersetzt. Ein unvergnügter morgen
Hat öffters hinter sich den schönsten tag verborgen.
Wenn deine jugend schon an sturm und wind gewohnt,
So bleibt des alters kern von mancher noth verschont.
Die perle würde nicht so grossen werth erlangen,
Wo sie durchs wasser nicht viel kostbarkeit empfangen;
Drum wird bey Silvien der angenehmste schein
Auch durch den thränen-fall gar leicht zu sehen seyn.
Sie soll noch als ein schatz und kleinod dieser erden,
Dem geist und leibe nach gantz unvergleichlich werden.
Diß alles ist fürwar nach dieser zeit erfüllt:
Die augen find allhier des himmels ebenbild;
Darinnen aber muß ihr noch der himmel weichen,
Dort ist ein eintzig licht, hier sind zwey solche zeichen.
Wer diesen sonnen sich nun gar zu nahe macht,
Wird wie durch einen blitz um sein gesicht gebracht.
Und wo es wahr verbleibt, was man sonst pflegt zu sagen:
Man müsse sich ins hertz durch diese pforten tragen,
So kan ich, Silvia! nicht in dein hertz hinein,
Der eingang scheinet mir voll von gefahr zu seyn.
Jch würde mich traun selbst der letzten noth bestimmen,
Und aus verwegenheit verbrennen und verglimmen.
Die farbe, welche sich im angesichte zeigt,
Sieht wie ein neuer schnee, roth ist sie nicht geneigt.
Und dieses kommt daher, weil wir, wenn wir uns schämen,
Die röthe meistentheils ins angesichte nehmen;
Doch meine Silvia hat selten was gethan,
Das sie vor dieser welt zur scham bewegen kan.
Drum darff ihr wangen-feld auch nimmermehr erröthen,
Und die erhöhte stirn ist frey von allen nöthen.
Der allerliebste mund sieht blos darum so klein,
Weil die geheimnisse der seelen gantz allein
Jn
Verliebte und
Die augen machten ſich zu lauter thraͤnen-quellen,
Das hertze wuſte nichts als jammer vorzuſtellen.
Allein der himmel ſprach: Mein engel! weine nicht,
Der ſchaden, welcher dir durch dieſen fall geſchicht,
Jſt ſchon durch mich erſetzt. Ein unvergnuͤgter morgen
Hat oͤffters hinter ſich den ſchoͤnſten tag verborgen.
Wenn deine jugend ſchon an ſturm und wind gewohnt,
So bleibt des alters kern von mancher noth verſchont.
Die perle wuͤrde nicht ſo groſſen werth erlangen,
Wo ſie durchs waſſer nicht viel koſtbarkeit empfangen;
Drum wird bey Silvien der angenehmſte ſchein
Auch durch den thraͤnen-fall gar leicht zu ſehen ſeyn.
Sie ſoll noch als ein ſchatz und kleinod dieſer erden,
Dem geiſt und leibe nach gantz unvergleichlich werden.
Diß alles iſt fuͤrwar nach dieſer zeit erfuͤllt:
Die augen find allhier des himmels ebenbild;
Darinnen aber muß ihr noch der himmel weichen,
Dort iſt ein eintzig licht, hier ſind zwey ſolche zeichen.
Wer dieſen ſonnen ſich nun gar zu nahe macht,
Wird wie durch einen blitz um ſein geſicht gebracht.
Und wo es wahr verbleibt, was man ſonſt pflegt zu ſagen:
Man muͤſſe ſich ins hertz durch dieſe pforten tragen,
So kan ich, Silvia! nicht in dein hertz hinein,
Der eingang ſcheinet mir voll von gefahr zu ſeyn.
Jch wuͤrde mich traun ſelbſt der letzten noth beſtimmen,
Und aus verwegenheit verbrennen und verglimmen.
Die farbe, welche ſich im angeſichte zeigt,
Sieht wie ein neuer ſchnee, roth iſt ſie nicht geneigt.
Und dieſes kommt daher, weil wir, wenn wir uns ſchaͤmen,
Die roͤthe meiſtentheils ins angeſichte nehmen;
Doch meine Silvia hat ſelten was gethan,
Das ſie vor dieſer welt zur ſcham bewegen kan.
Drum darff ihr wangen-feld auch nimmermehr erroͤthen,
Und die erhoͤhte ſtirn iſt frey von allen noͤthen.
Der allerliebſte mund ſieht blos darum ſo klein,
Weil die geheimniſſe der ſeelen gantz allein
Jn
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[32/0056] Verliebte und Die augen machten ſich zu lauter thraͤnen-quellen, Das hertze wuſte nichts als jammer vorzuſtellen. Allein der himmel ſprach: Mein engel! weine nicht, Der ſchaden, welcher dir durch dieſen fall geſchicht, Jſt ſchon durch mich erſetzt. Ein unvergnuͤgter morgen Hat oͤffters hinter ſich den ſchoͤnſten tag verborgen. Wenn deine jugend ſchon an ſturm und wind gewohnt, So bleibt des alters kern von mancher noth verſchont. Die perle wuͤrde nicht ſo groſſen werth erlangen, Wo ſie durchs waſſer nicht viel koſtbarkeit empfangen; Drum wird bey Silvien der angenehmſte ſchein Auch durch den thraͤnen-fall gar leicht zu ſehen ſeyn. Sie ſoll noch als ein ſchatz und kleinod dieſer erden, Dem geiſt und leibe nach gantz unvergleichlich werden. Diß alles iſt fuͤrwar nach dieſer zeit erfuͤllt: Die augen find allhier des himmels ebenbild; Darinnen aber muß ihr noch der himmel weichen, Dort iſt ein eintzig licht, hier ſind zwey ſolche zeichen. Wer dieſen ſonnen ſich nun gar zu nahe macht, Wird wie durch einen blitz um ſein geſicht gebracht. Und wo es wahr verbleibt, was man ſonſt pflegt zu ſagen: Man muͤſſe ſich ins hertz durch dieſe pforten tragen, So kan ich, Silvia! nicht in dein hertz hinein, Der eingang ſcheinet mir voll von gefahr zu ſeyn. Jch wuͤrde mich traun ſelbſt der letzten noth beſtimmen, Und aus verwegenheit verbrennen und verglimmen. Die farbe, welche ſich im angeſichte zeigt, Sieht wie ein neuer ſchnee, roth iſt ſie nicht geneigt. Und dieſes kommt daher, weil wir, wenn wir uns ſchaͤmen, Die roͤthe meiſtentheils ins angeſichte nehmen; Doch meine Silvia hat ſelten was gethan, Das ſie vor dieſer welt zur ſcham bewegen kan. Drum darff ihr wangen-feld auch nimmermehr erroͤthen, Und die erhoͤhte ſtirn iſt frey von allen noͤthen. Der allerliebſte mund ſieht blos darum ſo klein, Weil die geheimniſſe der ſeelen gantz allein Jn

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Zitationshilfe: Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 6. Leipzig, 1709, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte06_1709/56>, abgerufen am 24.11.2024.